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08.08.2008
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AMANDA ROGERS

Aus Schaden wird man klug

Amanda Rogers
Als Amanda Rogers vor fast drei Jahren durch unsere Clubs tourte, fanden sich schnell Etiketten für die "zierliche Solo-Songwriterin am Piano". Doch als sie nun, zusammen mit der Band Sketchy Indians und den Songs ihres neuen Albums "Heartwood" unterwegs war, konnte man eine ganz neue Amanda erleben. Zwar spielte sie nach wie vor einige Songs solo am Piano, doch spätestens nachdem die Musiker der Band dazu gestoßen waren, war Amanda als Sängerin, Performerin und Songwriterin nicht wiederzuerkennen. Nicht nur, dass die neuen Songs viel poppiger und auch lebensbejahender sind als die immer etwas düsteren Elaborate der Vergangenheit, auch die älteren Songs gewannen durch die sorgsam erarbeiteten neuen Band-Arrangements und besonders zum Ende der Shows outete sich Amanda passagenweise gar als Rock-Röhre. "Heartwood", so heißt es erklärend im Booklet zur neuen Scheibe, ist das Kernholz eines Baumes - das, was also des Pudels Kern ausmacht.

Warum nannte Amanda das neue Album so und was führte zu der Wandlung von der schüchternen Solo-Performerin hin zur Quasi-Bandleaderin? "Ich habe eine ziemlich harte Zeit durchlebt", erzählt Amanda, "ich bin mit einer Band getourt und habe das Gefühl bekommen, dass ich mich selber verloren hatte - ich bin fast wie sie geworden. Ich musste also quasi wieder zu mir selbst finden. Auf das Wort 'Heartwood' stieß ich, weil ich mich für Bäume interessiere. Ich liebe sie und studiere sie sogar. 'Heartwood' befindet sich im Kern eines Baumes und es verleiht ihm Stärke. Ich musste also zu meinem Kernholz finden und meine Karriere wieder in eine bestimmte Richtung bringen, denn ich drohte, mich in meiner Nische einzurichten." Nicht nur, dass die neuen Songs lebensbejahender sind als das alte Material - es gibt auch Up-Tempo-Songs, viele poppige Momente und sogar regelrecht jazzige Phasen. "Ja, das ist eine Sache, die ich erst jetzt als Einfluss entdeckte", führt Amanda aus, "obwohl ich das früher gar nicht bemerkt habe. Ich habe ja stets klassisch gespielt, aber je älter ich werde, desto mehr Nuancen von aller möglichen Musik entdecke ich. Sogar Country - obwohl ich nie Country gehört habe. Jetzt entdecke ich aber ältere Musik, was mich im letzten Jahr ziemlich interessiert hat. Ich habe kein Training oder keine Ausbildung in Sachen Jazz oder Blues, aber ich liebe es. Was ich daran mag, ist der Unterschied zu der klassischen Ausbildung. Diese Spontaneität und diese Freiheit. Wenn du dir einen Jazz-Musiker anschaust, dann macht der etwas, was er vorher in seinem Leben noch nie gemacht hat. Und das ist es, was ich auch erreichen möchte. Dass jeder Abend total unterschiedlich ist. Denn als Klassikerin spielt man ja nur, was auf dem Blatt steht. Ich möchte aber daran arbeiten, freier und improvisatorischer zu spielen."

Was hat Amanda musikalisch inspiriert, als sie die neuen Songs schrieb? Es scheint eine Menge klassischer Pop dabei gewesen zu sein. "Ja, ich hörte eine Menge David Bowies 'Hunky Dory' und Carole Kings 'Tapestry', The Bands 'Greatest Hits', Lynyrd Skynyrd, Johnny Cash und so was. Ich habe ein wenig zur Schallplattensammlung meines Vaters beigetragen, der eine Menge klassisches Zeug hat." Und hat das auch das Songwriting beeinflusst? "Wenn ich meine Songs schreibe, beabsichtige ich eigentlich nie etwas bestimmtes zu tun", überlegt Amanda, "ich jamme vor mich hin, und wenn der Funke überspringt, dann passiert auch meistens eine Geschichte. Das ist die eigenartigste Sache für mich, weil ich nie weiß, woher die Ideen kommen und wohin mich die Geschichte bringen wird. Das ist fast, als erzähle mir ein Geist seine Lebensgeschichte." Überhaupt scheint es, dass Amanda auf der neuen Scheibe ziemlich liberal mit der Sprache umgegangen ist, oder? "Ja, ich denke, die neue Scheibe ist ziemlich sarkastisch", gesteht sie, "denn wenn ich auf meine letzten Jahre zurück blicke, dann kann ich fast nicht anders, als diese mit einem gewissen Sarkasmus zu betrachten. Ich kann gar nicht glauben, worauf ich mich alles eingelassen habe. Meine Art damit umzugehen, ist, darüber zu lachen. Ich habe meine Lektionen gelernt und ich habe einige Fehler gemacht und damit soll es dann auch gut sein. So ist das Leben. Die Leute, die ich treffe, sind entweder immer Lehrmeister oder Leute, die mich zurückhalten wollen."

Nun aber mal Butter bei die Fische: Was genau ist denn da vorgefallen? "Das wichtigste bei dieser Scheibe ist für mich, dass ich eine sehr wertvolle Lektion im Musikbusiness gelernt habe", meint Amanda, "ich habe gelernt, dass - egal wie nett jemand erscheint - man niemals auf einen Handschlag hin zu arbeiten, sondern immer einen Vertrag zu machen. Es hat neun Monate gedauert, bis ich an meine Aufnahmen gekommen bin. Ich musste mir sogar einen Anwalt nehmen. Die Aufnahmen haben ja eigentlich mir gehört, aber sie befanden sich auf deren Computern. Das war das." Und wie kommt es, dass Amanda in diesem Zuge den Pop entdeckte? "Ich habe so viele Songs geschrieben und sie sind im Prinzip alles Pop-Songs - was komisch ist, da ich gar nicht von diesem Background komme. Aber ich tendiere dazu, melodisches Zeug zu singen - auch wenn ich unter der Dusche singe. Das macht einfach mehr Spaß." Wie arbeitete Amanda denn mit der Band zusammen? "Die Songs habe ich alle ganz alleine geschrieben", führt sie aus, "wenn es darum geht, den Songs etwas hinzuzufügen, dann frage ich andere Musiker. Ich lasse diese dann ihrem Instinkt folgen, weil sie ihre Instrumente besser kennen als ich. Nur wenn mir etwas gar nicht gefällt, greife ich ein. Meistens sitzt es dann beim dritten Versuch. Was die Streicherarrangements betrifft, fragte ich einen Songwriter-Kollegen, Jay Clifford, der auch Partituren schreiben kann. Ich habe ihm dann meine Ideen aufgeschrieben, und er hat sie umgesetzt. Ich denke, das hat der ganzen Sache den nötigen Kick gegeben. Das hat Spaß gemacht, weil ich nicht dabei war, sondern wir uns die Arrangements hin und her gemailt haben." Was muss ein guter Song denn haben? "Ich denke, einen Beginn, einen Anfang und ein Ende", überlegt Amanda, "die Texte sind dabei wichtig. Wenn ich eine Geschichte beisammen habe, dann fühle ich, dass der Song fertig ist. Auf der anderen Seite habe ich das Gefühl, dass meine alten Songs niemals fertig sind und ich ändere immer wieder etwas daran, wenn ich sie spiele." Und was betrachtet Amanda als Herausforderung? "Zu improvisieren", antwortet sie wie aus der Pistole geschossen, "ich zwinge mich dazu, das auch auf der Bühnen zu machen, um etwas zu machen, was ich noch nie gemacht habe. Das ist für mich schwierig, weil ich diese starre, klassische Ausbildung habe. Auf dieser Scheibe habe ich ja schon einiges in Sachen Rhythmus gemacht und ich hoffe, dass die Leute diese jetzt auch ein Mal hören, wenn sie fröhlich sind - was ja bisher bei meinen Scheiben nicht so oft der Fall war. Ich möchte auch gerne mehr in Richtung orchestraler Musik machen. Da habe ich bereits einige Ideen für Stücke nur mit Stimme und Orchester. Und ich möchte ein Mal eine Kinderscheibe machen. Ich weiß noch nicht, was daraus wird, aber ich mag es zu lernen und mich weiterzuentwickeln." Nun, so lange es als Zuhörer so viel Spaß macht, Amanda Rogers dabei zu beobachten, sei es zu wünschen, dass dieser Prozess noch recht lange anhalten möge.

Weitere Infos:
www.myspace.com/amandarogers
www.amandaspiano.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Pressefreigabe-
Amanda Rogers
Aktueller Tonträger:
Heartwood
(Expect Candy/Cargo)
 

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