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30.08.1999
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MOUSE ON MARS

Kling-Klang Abenteuer

Mouse On Mars
"Der normale Technokonsument ist seinen Hörgewohnheiten zum Opfer gefallen. Vielleicht hat er einfach zuviel Drogen genommen! Bei dem wurde einfach zuviel übersteuert, und die ganzen anderen Feinheiten nimmt der dann nicht mehr wahr. Vielleicht sollten solche Leute dann mal fünf Jahre überhaupt kein Techno hören. Anschließend wären sie dann froh, wenn ihnen jemand Mouse On Mars vorspielte, weil da wäre ein bißchen Elektronik drin und vielleicht mal'n Drumcomputer. Das wäre doch echt die Lösung, oder?" meinte Jan Werner nur halb im Scherz 1997 zur Veröffentlichung des dritten Mouse On Mars-Albums "Autoditacker".

Zwei Jahre später haben Mouse On Mars eine ausgiebige Welttournee hinter sich, können auf einen erfolgreichen Start ihres eigenen (Vinyl-) Labels Sonig und Veröffentlichungen von unter anderem Lithops, Wang Inc. und Microstoria zurückblicken und haben es außerdem noch fertiggebracht, ihr neues Album "Niun Niggung" einzuspielen. Außerdem haben sich die beiden Soundtüftler auch dieses Mal wieder einige äußerst schräge Titel für ihre wortlosen Kreationen einfallen lassen. Wie wär's mit "Diskdusk"? Oder "Pinwheel Herman"? Oder "Gogonal"? Und überhaupt, was bitte bedeutet "Niun Niggung"? "Niun bezieht sich schon auf das Niggung, was in dem Fall das Hauptwort bildet", erklärt Jan bei unserem Gespräch unlängst in Köln." Es stammt aus einem bestimmten musikkulturellen Kontext, den ich jetzt nicht unbedingt näher erläutern möchte, weil es sonst an Dimension verlieren würde. Es ist ein Wortspiel, das man selbst entdecken sollte." Apropos entdecken. Bei soviel Liebe zum Detail könnte man fast meinen, daß das Anderssein Programm sei bei Mouse On Mars. Andi allerdings verneint das: "Das Anderssein ist gar nicht das Wichtige, das wäre zu leicht. Es geht eher darum, Schlupflöcher zu finden, die noch niemand anders entdeckt hat."

Ein Plan, der in den fünf Jahren seit ihrem Debut mit der 12" "Frosch" hervorragend aufgegangen ist. Während andere Bands sich nach anfänglichen Lobeshymnen spätestens nach dem dritten Album mit einem üblen Backlash herumzuärgern hatten, ging's für Mouse On Mars stetig bergauf. Oder scheint es nur so? "Das muß man schon unterscheiden", findet Andi. "Auf der einen Seite gibt es da den Aufstieg, der in den Medien präsentiert wird, und es gibt eine persönliche Entwicklung, und das ist kein stetiger Aufstieg, sonst wäre es ja auch langweilig. Ab und zu muß man einfach auch mal wieder runterkommen."

Die kommenden Monate sind dafür allerdings wohl kaum der richtige Zeitpunkt. Immerhin wurde zur Veröffentlichung des neuen Werkes einmal mehr die große Promotionmaschinerie angeworfen, um die beiden Mäuse multimedial in Szene zu setzen. Zum Glück gibt's auch etwas, um den Hype zu rechtfertigen. Denn wie jedes Mouse On Mars-Album ist auch die neue LP wieder eine Entdeckungsreise. Ohne ihre Vergangenheit zu verleugnen oder ihre avantgardistische Sichtweise von Musik völlig zu den Akten zu legen, geht es auf dem fünften Album des Duos doch hörbar in Richtung Pop. Versucht man das mit der Herkunft der beiden Soundtüftler zu erklären, beißt man bei Jan und Andi auf Granit. Der Hype um die Elektronik-Szene der Domstadt fällt den beiden angeblich nicht als erstes ein, wenn man sie mit dem Stichwort "Köln" konfrontiert. "Köln? Das ist Kleinstadt, Kolonismus, Kleichwertigkeit, Kunst, Kunstkopfstereophonie", grinsen die beiden zurück. Der ganze Wirbel um Köln ist also nur heiße Luft? Derzeit schaut doch fast alle Welt auf Köln. "Man fragt sich auf jeden Fall irgendwann, wo das viele Gucken überhaupt noch Platz haben soll in so einer kleinen Stadt", sinniert Jan. "Je mehr das Verlangen nach der Untersuchung Kölns wächst, wird klar, daß gleichzeitig nicht unbedingt mehr Ereignisse festzustellen sind." Schade, ich hätte die Elektronik-Szene in Köln so gerne mit dem Rummel um den Grunge-Boom in Seattle verglichen. "Naja, in Seattle war die Musikszene ja viel uniformer als jetzt in Köln", schränkt Andi ein. "Was die elektronische Bewegung hier angeht: Das sind alles individuelle verschiedene Charaktere, die man schlecht zusammenfassen kann. In Seattle trugen sie halt alle kurze Hosen, Holzfällerhemden und haben harte Musik gemacht. In Köln gibt es so etwas halt nicht." Und Jan fügt an: "Natürlich wird es viel enger, weil es ja inzwischen schon richtige Elektronik-Touristen gibt, die nach Köln ziehen, um erfolgreich zu sein." Verständlich, daß es Mouse On Mars da leid sind, daß Für und Wider der rheonischen Metropole zu diskutieren. Deshalb ist Andi auch ganz froh, in Düsseldorf zu leben, weil das "ein guter Platz zum arbeiten ist und weil man dort nicht gestört oder beobachtet wird." Dabei tun Mouse On Mars - zumindest zur Veröffentlichung eines neuen Albums - natürlich auch alles, um einen vernüftigen Medienrummel zu veranstalten. Ist das nicht ein Widerspruch? "Nein", sagt Jan entschieden. "Rummel kann ja auch Spaß machen. Wir versuchen, uns nicht als Opfer irgendeiner Rummelmaschine zu begreifen, sondern Verantwortung zu übernehmen für das, was wir veröffentlichen. Ich find's durchaus spannend. Es ist auf jeden Fall eine Begeisterung vorhanden für die Möglichkeit, den ganzen Streß und die aufgestaute Gedankenenergie aus der sehr langen Studiozeit auf diese Weise abzubauen."

Weitere Infos:
www.mouseonmars.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Pressefreigabe-
Mouse On Mars
Aktueller Tonträger:
Niun Niggung
(Zomba)
 

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