02.07.2010 http://www.gaesteliste.de/texte/show.html?_nr=1317 |
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ADAM FRANKLIN & BOLTS OF MELODY |
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Kein Respekt! |
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Ein wenig sah es in den vergangenen Jahren so aus, als hätte Adam Franklin den aufgeputschten Rock'n'Roll-Sound, den er in den frühen 90ern für die Shoegazer-Heroen Swervedriver kreiert hatte, für immer abgeschüttelt. Mit seinem Projekt Toshack Highway und auch auf seinem exzellenten letztjährigen Solo-Werk "Spent Bullets" zeigte sich der inzwischen vorwiegend in den USA aktive britische Saitengott von einer oft geradezu besinnlichen, wenngleich nicht weniger kreativen Seite. Auf seinem famosen neuen, betont bandorientiert klingenden Album "I Could Sleep For A Thousand Years" schlägt er nun die Brücke zurück zu Swervedriver, ohne dabei die soundtechnischen Errungenschaften seiner Veröffentlichungen der letzten Jahre außer Acht zu lassen.
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Doch nicht nur die soundtechnische Rückbesinnung überrascht, auch das Tempo, das Franklin derzeit vorlegt, ist ungewohnt. Nach dem selbstbetitelten Werk von Toshack Highway aus dem Jahre 2000, seinem ersten Lebenszeichen nach dem Ende von Swervedriver, ließ er seine Fans sieben Jahre auf ein neues Album warten, doch dann ging es Schlag auf Schlag. 2007 erschien sein Erstling unter eigenem Namen, "Bolts Of Melody", letztes Jahr zunächst eine LP von Magnetic Morning (Franklins Kollaboration mit Sam Fogarino von Interpol), dann folgte ebenfalls 2009 das Solo-Album "Spent Bullets" und nun kaum ein Jahr später "I Could Sleep For A Thousand Years". In den zwanzig Jahren seit dem Swervedriver-Debüt "Raise" war Franklin nie fleißiger! "In den 60ern und 70ern haben Bands jedes Jahr ein Album gemacht - manchmal sogar öfter", relativiert Franklin im Gaesteliste.de-Interview. "In den 90ern wurde es dann zur Norm, nur noch alle zwei Jahre eine Platte zu machen, um den 'Tourzyklus' stärker auszureizen. Ich hätte mit Swervedriver sehr gerne jedes Jahr eine Platte veröffentlicht, wenngleich ich nicht sicher bin, ob wir genug Material gehabt hätten. 1990/91 haben wir letztlich allerdings das Material für zwei Platten herausgebracht, wenn man all die EPs mitzählt."
Wie kommt es also, dass es derzeit so viele, noch dazu wirklich ausgezeichnete Franklin-Veröffentlichungen gibt? "Ich denke, ich habe einfach einen Lauf", sinniert der Ausnahmegitarrist. "Ich habe einfach die Songs - einige sind brandneu, andere warten schon seit langer Zeit auf ihre Veröffentlichung. Es macht mir Spaß, alte Songs wieder hervorzukramen und zu überlegen: 'Hm, wenn ich diese alte Nummer etwas umkrempele, dann würde sie sich auf dem neuen Album doch bestimmt gut hinter diesem neuen Stück machen' - oder so ähnlich." Auf dem neuen Album finden sich gleich eine ganze Reihe Songs "aus dem Archiv", wenngleich sie keinesfalls wie Outtakes klingen: "Spent Bullets" zum Beispiel, das das Titelstück des letzten Albums hätte sein können, es aber nicht war, oder "Lord Help Me Jesus, I've Wasted A Soul". Nachdem mit "Canvey Island Baby" und "End Credits" auf Franklins ersten beiden Solo-Platten bereits unveröffentlichte Stücke aus den "Ejector Seat Reservation"-Sessions seiner alten Band Swervedriver in neuen Versionen aufgetaucht waren, wartet auch das neue Album mit einer Nummer ("Carousel City") aus der gleichen Ära auf. Dass nicht noch mehr alte Songs auf "I Could Sleep For A Thousand Years" auftauchen, hat unter anderem übrigens auch pragmatische Gründe: Franklins alte 4-Spur-Maschine hat den Geist aufgegeben, und er kann die noch nicht digitalisierten alten Bänder, auf denen sich viele weitere alte Songideen befinden, momentan nicht abspielen... |
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Das muss er allerdings auch gar nicht, denn auch so ist es ihm gelungen, ein Album aufzunehmen, das die Stärken des Vorgängers - "Spent Bullets" war wesentlich zusammenhängender als "Bolts Of Melody", außerdem traute sich Franklin gesanglich mehr zu als je zuvor - nimmt und sie vor einem anderen klanglichen Hintergrund neu anwendet. Entstanden direkt im Anschluss an eine gemeinsam mit den Labelkollegen The Church absolvierte Gastspielreise durch die USA, ist das neue Album bereits durchaus treffend als Melange aus Big Star und Sonic Youth beschrieben worden, eine straighte, ungemein eingängige Platte, ohne unnötige Mätzchen, mit viel Gefühl und Leidenschaft. "Die Art und Weise, wie wir die 'Spent Bullets'-Songs live gespielt haben, hat definitiv Einfluss auf die Entstehung der neuen Platte gehabt", sagt Franklin und versucht so, eine Verbindung zwischen den beiden erfreulich unterschiedlich klingenden Platten herzustellen. "Live haben die Songs viel mehr 'gerockt', und auch die Schlussparts waren zum Beispiel länger. Die neue Platte, die wir ja kurz nach dem Ende der Tournee aufgenommen haben, sind wir genauso angegangen wie die Konzerte. Womöglich haben wir sie einfach etwas respektloser als üblich gespielt, und auch die Live-Energie ist ohne Frage spürbar."
Kein Wunder also, dass dieses Mal nicht Franklins Name allein auf dem Cover steht, sondern auch seine Band mit wechselnden Mitstreitern, Bolts Of Melody, genannt wird. Schließlich ist "I Could Sleep For A Thousand Years" ein echtes Bandalbum. "Das Schlagzeug spielt Mikey Jones, der erstmals auf der 'Spent Bullets'-Tour mit mir zusammengespielt hat und der Musik sofort auf bestmögliche Weise seinen Stempel aufgedrückt hat. Er hat übrigens gerade auch ein Album mit The Big Sleep fertiggestellt. Matt Sumrow spielt den Bass auf der Platte, weil die Sessions in New York stattfanden, obwohl er bei der Tournee nicht dabei war und er zuvor - wenngleich nur bei Proben - unser Keyboarder gewesen war. Er war zuletzt mit Dean & Britta auf Tour. Als wir dann in Toronto an der Platte weitergearbeitet haben, hat Locksley Taylor wieder Gitarre und einiges mehr gespielt, und er hört nie auf, mich zu überraschen!" |
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Abgerundet wird die wirklich tolle Platte durch ein wunderschönes Cover, das allein schon den Kauf des Albums im LP-Format rechtfertigt. "Ja, das Foto ist großartig!", stimmt auch Franklin zu. "Der Fotograf ist Wei Liou. Ich habe das Foto zuerst im Blog einer Freundin gesehen, wo es mit Weis Seite verlinkt war. Also kontaktierte ich ihn, schickte ihm das Album, erzählte ihm, wie es heißen sollte und welche Schriftart mir vorschwebte. Er war völlig begeistert von der Kollaboration." Wer kann es ihm verdenken, schließlich ist "I Could Sleep For A Thousand Years" mit seinem perfekten Spagat zwischen dem aggressiven Sound, der Franklin berühmt gemacht hat, und den subtileren, cinematischen Elementen, die seine zweite Karrierehälfte ausgemacht haben, in vielerlei Hinsicht die beste Platte in seiner langen, glorreichen Karriere!
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Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Johnny Moto- |
Aktueller Tonträger: I Could Sleep For A Thousand Years (Second Motion/Cargo) |
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