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04.03.2011
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JUPITER JONES

Denn sie wissen, was sie tun...

Jupiter Jones
Man trifft Bands in Hotels und Bars zum Interview. Manchmal bei ihrer Plattenfirma, manchmal auch im Club vor dem Konzert. Jupiter Jones trifft man im Auto. Vorne rechts sitzt Sänger Nicholas Müller, dahinter Gitarrist Sascha Eigner. Im Kombi-Kofferraum hockt Bandhund Edda, Promoter-Held Jogger fährt und von hinten links werden die Fragen gestellt. Anlass der ungemein lustigen Autofahrt ist das neue Jupiter Jones-Album, das mal wieder reichlich Großartiges zu bieten hat. Unterbrochen wird das Interview immer mal wieder durch Blicke aus dem Fenster ("Hat jemand eine Ahnung, wo wir sind?"), abgelenkte Manöver ("Jetzt haste fast grad jemanden überfahren!") und einen um Aufmerksamkeit bettelnden Hund ("Der geht's gut, das ist ein kleines Prinzesschen, die gerne jammert"). Sonst aber outen sich die beiden Musiker als ungemein entspannte Zeitgenossen und komplett bodenständige Jungs.

Wie oft denkt man sich: "Geil, ich bin in dieser Band!"?

Nicholas Müller: Überraschend häufig. Denn das ist genau der Job, den ich machen wollte. Ich freu mich oft.

Bewusst?

Nicholas Müller: Absolut. Denn wenn man in einer Band spielt und damit sein Geld verdienen möchte, dann vergeht kein Tag, an dem man nicht daran erinnert wird. Weil jeden Tag irgendwas anfällt und irgendwas zu tun ist.

Wie viel Zeit nimmt die Band denn in Anspruch?

Sascha Eigner: Ein Privatleben gibt es ehrlich gesagt kaum. Ich wohne seit über drei Jahren in Hamburg, aber es ist unglaublich schwer, einen Freundeskreis aufzubauen, wenn man tatsächlich so viel unterwegs ist und auch am Wochenende kaum da ist. Und wenn man dann mal da ist, hat man kaum Bock, was zu machen. Das Privatleben beschränkt sich dann eher auf die Freundin, wenn man eine hat. Das ist der Preis, den man bezahlen muss und den wir natürlich gerne zahlen. Es ist ja schließlich kein Job, den wir machen. Sondern eher ein Geschenk.

Denkt man trotzdem manchmal "Scheiße, ich bin in der Band!"?

Nicholas Müller: Sicher, das gibt es auch. Es wäre Quatsch, das abzustreiten, nur weil es romantisch klingt. Es gibt genug Tage, an denen man denkt, dass es irgendwie cool zu wissen wäre, wann man dieses Jahr mal Urlaub machen kann und wann man nächste Woche zuhause ist.

Sascha Eigner: Bei mir passiert das alle drei Monate. Immer wenn die Umsatzsteuervoranmeldung ansteht, wüsche ich mir regelmäßig, dass ich nicht in dieser Band spielen würde.

Warum ist "Jupiter Jones" euer bestes Album?

Nicholas Müller: Weil wir mittlerweile tatsächlich wissen, was wir da gerade machen. Das heißt jetzt nicht, dass wir total versierte Musiktheoretiker geworden sind, aber wir wissen einfach, wo wir hin wollen, wie wir klingen wollen und was wir sagen wollen. Und das können wir mehr oder weniger gezielt anwenden. Und ich glaube, das hört man. Man bekommt einfach mit, dass da vier Typen einfach Bock hatten und auch irgendwie ungestüm sind, aber dabei immer im Auge hatten, dass da gute Songs drauf sein müssen, die sowohl uns als auch den Menschen gefallen müssen. Es ist eine ganz gute Mischung aus Ego-Trip, weil du dir nichts diktieren lässt, und dem Gedanken "Hey, wir haben da draußen Leute, die unsere Musik gerne hören, lass uns was Schönes für die machen.

Sascha Eigner: Man muss aber natürlich auch dem Produzenten und dem Typen, der das Album gemischt hat, ein großes Lob aussprechen. Es ist das zweite Album mit Wolfgang Stach, das wir im Maarwegstudio in Köln produziert haben. Das ist natürlich ein Vorteil, dass man eingearbeitet war und wir wussten, wie der Produzent tickt und der Produzent weiß, wie wir ticken. Das war ein richtig eingespieltes Team, das dem Album natürlich zu Gute kam. Dazu hat Michael Ilbert das Album in den Hansa Studios in Berlin gemischt und ein unglaubliches Hexenwerk vollbracht. Der hat dem Album einen unglaublichen Sound verpasst. Er ist ein Gott hinter den Reglern!

Es gibt viele tolle laute und viele tolle leise Lieder. Wie würdet ihr die Stimmung des Albums beschreiben?

Nicholas Müller: Was den Aufnahmeprozess und das Songwriting angeht, war es alles sehr, sehr entspannt. Es war unheimlich viel Arbeit, aber immer auf eine sehr angenehme Weise. Von daher würde ich von eine sehr positiven, irgendwie entspannten Atmosphäre sprechen. Es gibt zwar viele laute und rockige Nummern, allerdings nur selten auf eine bedrohliche Art. Ansonsten halten wir an dem fest, an dem wir schon seit acht Jahren festhalten. Nämlich nie auf der Gute-Laune-Schiene fahren und nach dem Motto "alles wird geil und mach dir keine Sorgen". Denn das ist Schwachsinn. Du musst dir Sorgen machen und nicht alles ist geil. Aber es gibt immer richtig gute Gründe, weiterzumachen. Und das hat auf dieser Platte noch mal eine Ecke besser funktioniert, weil wir halt wussten, was wir tun und warum wir es tun. Und das hört man der Platte an.

Dann ist es schon ein typisches Album?

Nicholas Müller: Eigentlich schon, ja. Weil wir schon immer Krach gemacht, aber uns trotzdem Platz für Pop gelassen haben. Selbst auf der ersten Platte, die vollkommen und besoffen und bekifft innerhalb einer Woche eingeprügelt wurde, sind zwei Songs drauf, die eigentlich lupenreine Popsongs gewesen wären, wenn man sie sauber durcharrangiert hätte. Von daher haben wir ganz grundprinzipiell nicht viel anders gemacht, als bei den Platten zuvor. Das sind einfach wir. Einer unser schnellsten, wenn nicht sogar der schnellste Song ist "Auf das Leben". Den haben wir als Demo veröffentlicht und dann auf der Platte in einer Akustik-Version gespielt, die vor Pathos und Pop-Elementen strotzte. Viel poppiger hättest du das Lied gar nicht machen können. Dem sind wir uns bis heute treu geblieben und spielen eine ausgewogene Mischung aus Krach und Pop.

Die erste Single "Still" ist mehr Pop als Krach.

Sascha Eigner: Es ist ganz schlicht und einfach der massenkompatibelste Song, da müssen wir nicht drum herum reden.

Nicholas Müller: Uns war klar, dass "Still" eine gute Single wäre. Auch wenn es nicht der repräsentativste Song des Albums ist. Es wird interessant für die, die uns über "Still" kennen lernen und nur diese Marschrichtung von uns erwarten. Die haben auf jeder Platte irgendwie zwei, drei Songs, die sie super finden werden und vom Rest werden sie vielleicht ein wenig erschrocken sein. "Still" ist eben der poppigste Song, obwohl auch der wie alle anderen entstanden ist. Es war eines der ersten Demos, von Anfang an ein typischer Jupiter Jones-Song und keiner dieser Single-Songs, die man schreibt, um eine Single zu haben. Klar will man irgendwie versuchen, seine Musik zu verkaufen, man versucht ja davon zu leben. Doch deshalb muss man nicht gleich ausgelutschte Ware daraus machen.

Wieso seid gerade jetzt zum großen Label gewechselt?

Sascha Eigner: Zuvor haben wir ja auf dem Band-eigenen Label Mathildas und Titus' Tonträger veröffentlicht, was bedeute, dass wir alles selbst finanzieren mussten. Du musst vor einer Produktion einen riesigen Haufen Kohle ansammeln, weil alles vorfinanziert werden muss. Studio, Mischen, Mastern, Video, Presswerk, Gema-Gebühren. Da häuft sich einfach was an und zwar haben wir das bei der "Holiday in Catatonia" mit Bankkrediten und Privatkrediten gestemmt bekommen. Aber das ist einfach immer ein unglaublicher Kraftakt und eine psychische Belastung. Auch wenn es am Ende alles hingehauen hat und wir alles zurück bezahlen konnten, fängt das beim nächsten Album ja wieder von vorne an. Und durch den Wechsel zu einem Label ist all dieser finanzielle Druck eben weg. Ein anderer Grund ist, dass eine so große Plattenfirma wie Sony natürlich auch viel mehr Einfluss in Sachen Promotion und Marketing hat, weil es auch ein viel größeres Budget hat. Auch gibt es jetzt ein großes Team, das uns weiterbringen soll.

Hat man trotzdem die typischen Ängste, dass sie euch reinreden und nach der nächsten Single fragen?

Sascha Eigner: Dass die Plattenfirma bei der Auswahl der Single mitspricht, ist ja klar, sie bezahlen ja auch. Aber es ist so, dass wir ein sehr familiäres Team gefunden haben. Natürlich gibt es Diskussionen, aber wir gehen sehr nett miteinander um. Es war schon bei der Plattenfirmensuche ein ganz wichtiges Kriterium, dass man sich versteht und die uns nichts vorschreiben. Die wären aber ja auch schön bescheuert, eine Band, die acht Jahre sich selbst aufgebaut hat und ganz gut dasteht, jetzt umkrempeln zu wollen.

Habt ihr euch das alles so vorgestellt, als ihr 2002 mit der Band angefangen habt?

Sascha Eigner: Niemand, der eine Band anfängt und den wagen Plan hat, dass irgendwann mal professionell zu machen, hat eine Vorstellung davon, wie viel Arbeit das wirklich ist. Man wächst da irgendwie rein und gibt ständig Gas und es ist auf jeden Fall viel, viel, viel, viel härter gewesen, als man sich das vorstellen konnte. Weil man einfach keine Ahnung davon hatte.

Mit welchem Ziel habt ihr die Band gegründet?

Nicholas Müller: Wir kommen alle aus der Eifel und anfangs wollten wir einfach mal aus unseren Käffern herauskommen und übers Musikmachen ein bisschen was vom Land sehen und eine neue Aufgabe haben. Und dann baut alles aufeinander auf. Du bringst deine erste Platte raus und denkst, dass es cool wäre, wenn die im Radio gespielt wird. Dann wird die im Radio gespielt und dann wäre es super, ein Video zu haben. Dann passiert auch das und so kommt man eben nie richtig an.

Sascha Eigner: Wir hatten ja alle vorher schon in anderen Bands gespielt, aber die haben alle so vor sich hingedümpelt und da waren eben auch Leute dabei, die keinen Bock hatten, mehr richtig Gas zu geben. Ich hatte aber schon damals den Plan, das ernsthaft voranzutreiben.

Und wann habt ihr gemerkt, dass ihr es wirklich schaffen könnt?

Nicholas Müller: Allerspätestens mit der Tatsache, dass wir es in Eigenregie geschafft haben, die letzte Platte in den Charts zu platzieren und zu sehen, dass wir alles selber gemacht haben und alles ist gut gelaufen und fantastisch geworden. Das war für mich der Moment, in dem mir bewusst wurde, dass die Band ein allumfassender Lebensinhalt werden kann.

Sascha Eigner: Bei mir war das der Punkt, als wir kurz davor waren, das zweite Album herauszubringen. Wir hatten damals ein externes Management und das hat überhaupt nicht funktioniert. Die Aufnahmen waren furchtbar anstrengend und frustrierend und als alles zusammengekracht ist und nichts mehr funktioniert hat, haben wir uns als Band zusammengesetzt. Wir hatten dann zwei Möglichkeiten: uns auflösen oder jetzt erst Recht richtig Gas geben. Und dann haben wir eben beschlossen, dass wir jetzt alle Verbindungen kappen, Verträge kündigen und alles auf eigene Faust machen. Das war so ein Moment, an dem für mich klar war, dass das für die nächsten Jahre zum Lebensmittelpunkt werden wird und dass das auch funktionieren wird.

Fiel die Entscheidung, sich ganz auf die Band zu konzentrieren, sehr schwer oder war sie vielleicht sogar eine Befreiung?

Nicholas Müller: Für mich war es eine Mischung aus beiden. Die Band ist quasi schuld daran, dass ich keine abgeschlossene Ausbildung habe. Ich hab die tatsächlich abgebrochen, weil es zeitmäßig nicht geklappt hätte. Einerseits war das ein Moment kompletter Befreiung, nach dem Motto "Scheiß drauf, ich schmeiß alles hin, scheiß auf die Sicherheit!" - entweder es klappt oder es klappt nicht. Und genau das ist der Moment, wo es auch zur Last wird. Denn man kann sich das einige Zeit schönreden und Punkrock-mäßig super finden, aber irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem man einen ordentlichen Angststift drin hat und nicht mehr weiß, was denn wäre, wenn es in die Binsen geht und man ohne Irgendwas dasteht. Wenn man älter wird, wird es nicht grad einfacher. Mich würde jetzt niemand mehr für eine Ausbildung nehmen, ich werde dieses Jahr 30. Dann wird aus Romantik ziemlich bitterer Ernst und man bekommt auch mal richtig Schiss vor der Zukunft.

Sascha Eigner: Bei mir war das eher ein Befreiungsschlag. Ich hatte zu der Zeit schon recht viel für die Band gemacht, hatte aber einen festen Job. Auch wenn es natürlich unsicher war, ist bei mir echt eine Last abgefallen, als ich den gekündigt hatte. Drei Tage später bin ich dann nach Hamburg gezogen.

Und wo seht ihr euch jetzt nach einigen Jahren? Jung, etabliert, neu, bedeutend?

Nicholas Müller: Ja, wo verortet man sich da selbst? Ich glaube, wir haben schon einiges erreicht und auch schon ein paar Spuren hinterlassen. Aber wir haben noch eine Menge vor uns und noch eine Menge zu lernen. Die Tatsache, dass es uns schon über acht Jahre gibt, bedeutet auf gar keinen Fall, dass wir sagen können, dass wir alles gesehen haben. Dazu erfährt man jeden Tag neue Dinge, über die sich niemand wundert - außer dir selbst. Ich hoffe, dass geht auch noch etwas so weiter, weil das echt spannend ist.

Stichwort Spannung. Ihr erlebt Dinge, die andere nie erleben werden. Touralltag, Fans in den ersten Reihen. Wie verändert man sich da als Mensch, wie würdet ihr euch gegenseitig charakterisieren?

Nicholas Müller: Ich finde es immer wieder überraschend, wie vorbereitet man auf manche Situationen ist, ohne dass man je darüber nachgedacht hat. Aber so ein Bandleben ist mit so viel Chaos verbunden, dass es im normalen Leben so viele Situationen gibt, in denen ich andere Menschen total austicken sehe, aber selbst denke: "Ey, ist doch in Ordnung, ist doch nicht der Super-Gau, niemand liegt im Krankenhaus und nichts muss von jetzt auf gleich abgesagt werden" - in einer Band passiert permanent Unvorhergesehenes und wenn man das jeden Tag mitmacht und trotzdem nicht abstumpft, ist das abgefahren und bereitet dich auf's echte Leben vor.

Sascha Eigner: Man wird auf der einen Seite vorsichtiger, weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass man sich auf andere Leute nicht verlassen kann. Auf der anderen Seite wird man auch ein gutes Stück selbstbewusster, weil man eben rausgehen muss, um vor tausenden Leuten zu stehen, die deine Lieder mitsingen. Das ist ein Gefühl, dass man nicht beschreiben kann.

Nicholas Müller: Sascha hat sich unheimlich gewandelt. Wir hatten alle einen großen Hang zum Chaos, aber Sascha hat es mit unserem Schlagzeuger Hont mittlerweile am besten im Griff und den klarsten Blick auf alle Lebenslagen. Er ist ein sehr ruhiger, besonnener Organisator geworden.

Sascha Eigner: Ein alter Greis...

Nicholas Müller: Unser Schlagzeuger Hont ist so der häusliche Typ. Er ist der einzige, der noch in der Eifel wohnt, der sich da ein Häuschen gekauft hat und renoviert, aber immer total scharf drauf ist zu touren und am liebsten drei Stunden am Stück und bis zum kompletten Kreislauskollaps spielen würden, aber trotzdem immer mit einem Fuß komplett in der Realität steht.

Sascha Eigner: Nicki hat sich auch gewandelt. Er hat die größte Wandlung von allen gemacht sogar. Von dem Typen, der sich in den Anfangszeiten in sämtliche Geisteszustände gebracht, die man sich nur vorstellen kann, zum verheirateten Familienmenschen. Er ist liebevoll erwachsen geworden.

Nicholas Müller: Unser Bassist Andreas muss den langsamsten Stoffwechsel der Welt haben. Er ist ein total netter und loyaler Typ und mitfühlend und so, aber so langsam, dass man ihm im Laufen die Schuhe besohlen kann. Unser Tourmanager hat ihn den "Rudolf Scharping des Punkrocks" getauft.

Weitere Infos:
www.jupiter-jones.de
www.myspace.com/jupiterjones
de.wikipedia.org/wiki/Jupiter_Jones
www.facebook.com/jupiterjonesmusic
Interview: -Mathias Frank-
Foto: -Pressefreigabe-
Jupiter Jones
Aktueller Tonträger:
Jupiter Jones
(Columbia/Sony Music)
 

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