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12.04.2011
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COCOON

Der Weg ist das Ziel

Cocoon
Was macht man, wenn man, in der Auvergne - also mitten in Frankreich - aufwächst? Man träumt vom Meer, denn das ist weit weg. Oder man träumt davon, ein Pop-Star zu werden. Denn das ist genauso weit weg. So gesehen haben Mark Daumail und Morgane Imbeaud bereits mit ihrem zweiten Studio-Album "Where The Oceans End" ihre Träume erreicht. Das Duo, das darauf besteht, privat kein Paar zu sein, landete mit ihrem charmanten Folk-Pop-Debüt-Album "My Friends All Died In A Plane Crash" dermaßen erfolgreich, dass die zweite Scheibe gleich ein Live-Album sein musste. Mit "Where The Oceans End" folgt nun das neue Studio-Album und hier schlägt sich die Sehnsucht nach dem Meer nieder - und zwar in Form der metaphorischen Reise des Wals Yum Yum, die in den Songs Mark Daumails kommentiert und illustriert wird.

"Es scheint, dass wir immer eine Geschichte brauchen, auf die wir aufsetzen können", erklärt Mark, "beim ersten Album war das ein Flugzeugabstuz und das neue Album handelt von einer Reise. Wir wollten von einer Reise erzählen, weil wir das in der letzten Zeit selbst sehr viel getan haben." Das kann man wohl sagen: Nachdem Cocoon in Frankreich in kürzester Zeit die größten Säle füllten, bereiste man China, Australien, die USA und sogar Deutschland. Solch eine Art von Erfolg ist für einen Act, der "ganz normalen Folkpop" macht, schon ungewöhnlich. "Wir waren selbst davon überrascht", räumt Mark ein, "wir haben das auch nicht erwartet. Es war wie eine große Überraschung für uns, dass die Leute unsere Texte sogar in Australien oder Deutschland mitsingen konnten." Und warum wählte Mark den Ozean als Leitmotiv für die o.a. Reise? "Nun, der Ozean ist doch der Ort auf der Erde, den alle am meisten lieben", meint er, "und das Meer ist natürlich auch eine gute Metapher für alles mögliche." In seinen Songs singt Mark öfters zu jemandem. An wen denkt er dabei? "Das sind dann Leute, die ich vermisse oder einfach nur kenne", führt Mark aus, "es ist nicht wirklich ein Gegenüber, das ich im Sinn habe, es geht mehr um die Idee, jemanden zu vermissen, die ich so besser ausdrücken kann." Was inspirierte Mark denn musikalisch? "Vielleicht geht es da gar nicht um eine musikalische Inspiration", überlegt er, "meine größten Inspirationen kommen von Büchern, Fotografien und Filmen - insbesondere solche, die sich mit Reise-Themen beschäftigen. Ich habe sogar Comics und Videospiele für mich als Inspiration entdeckt. Und musikalisch ist es nicht so, dass ich etwa keine Rockmusik mag und deshalb immer so ruhige Songs schreibe, aber meine Stimme ist ziemlich schwach, so dass ich darauf angewiesen bin, leise zu singen - und das geht mit Folkmusik am besten. Ich mag natürlich selbst Bands, nach denen ich ab und zu mal klingen möchte - Bon Iver, Sufjan Stevens oder Elliott Smith - aber das sind nicht wirklich Inspirationsquellen. Es ist nur so, dass diese Acts mich berühren und ich möchte auch andere berühren."

Ist es eine große Herausforderung, die besagten ruhigen und auch einfachen Songs zu schreiben? "Ja, das ist eine große Herausforderung", räumt Mark ein, "deswegen mögen uns Leute auch nicht, die technische Musik mit langen Soli und komplexen Strukturen mögen. Ich möchte aber einfache Songs unter drei Minuten schreiben. Und das ist die größte Herausforderung - alles in drei Minuten zu sagen und dabei eine Melodie zu schreiben, an die man sich erinnern kann. Ich zweifelte zum Beispiel daran, überhaupt ein zweites Album schreiben zu können und ich weiß nicht, wie es jetzt weiter gehen wird." Es klingt jedenfalls, als gäbe sich Mark als Songwriter nicht mit der erstbesten Idee, die ihm einfällt, zufrieden? "Ich nehme sehr viel auf und lösche auch sehr viel wieder", gibt er zu, "es soll ja auch nicht zu einfach sein. Es ist schwer, einen guten Song zu schreiben. Und ich möchte auch keine Singles schreiben, sondern ich mag ein vollständiges Album. Das ist es, was ich anstrebe. Man muss dabei global denken." Es gibt mit "In My Boat" auch erstmals einen Song, den Morgane geschrieben hat. Wird es davon mehr geben? "Ich würde gerne mit Morgane zusammen schreiben", meint Mark, "aber wir leben nicht mehr in derselben Stadt. Wir müssen uns mal Zeit nehmen, zusammen zu arbeiten. Morgane braucht da ein bisschen Unterstützung, weil sie nicht weiß, wie man einen Song anfängt oder beendet. 'In My Boat' ist wahrscheinlich der einzige Song, den sie bisher fertig geschrieben hat - und es ist ein wunderschöner Song - aber ich musste ihr mit dem Anfang und dem Ende helfen. Wir haben aber vor, uns mal eine Auszeit zu nehmen und mehr zusammenzuarbeiten. Bisher war es so, dass ich die Songs geschrieben habe und sie sie arrangierte."

Cocoon
Was bedeutet der Name Cocoon eigentlich heutzutage - und eingedenk des inzwischen Erreichten - für Mark? "Das ist eine gute Frage", zögert er, "zunächst haben wir diesen Namen gewählt, weil er einfach ist, man ihn sich merken kann und weil er drei 'o' enthält, was sehr bildhaft ist. Der 'Cocoon' war dabei natürlich zunächst als Schutz vor der Außenwelt gedacht. Heutzutage ist es ganz konkret ein musikalisches Projekt, ein Baby von Morgane und mir, das langsam aufwächst. Ich möchte, dass das auch so bleibt, denn ich denke, dass wir beide auch noch andere Projekte haben werden. Ich schreibe zum Beispiel auch Songs auf Französisch für andere Bands und könnte mir vorstellen auch mal andere Musik zu machen. Ich möchte mich nicht mit Radiohead vergleichen, aber wofür stand Radiohead am Anfang? Vielleicht bedeutete es etwas, aber heutzutage ist es eine Marke. So möchte ich Cocoon verstanden wissen." Was möchte Mark denn musikalisch in Zukunft machen? "Nun, ich möchte mit viel aufhören", beginnt er, "ich möchte mit der Folk-Musik aufhören - oder doch zumindest weniger spielen. Bei Cocoon möchte ich vom Pop weg hin zum Soul. Ich höre mir gerne schwarze Musik an und langsam wird mir das mit dem Folk ein wenig zu viel. Ich möchte auf jeden Fall wachsen. Ich und Morgane gehen jetzt langsam auf die 30 zu und dem möchten wir Rechnung tragen." Was also bedeutet, dass die Reise weiter geht. Und wie Mark schon sagte: Es ist dabei nicht ausschlaggebend, wohin diese führen mag, sondern dass sie stattfindet und uns Cocoon daran teilhaben lassen.

Weitere Infos:
www.myspace.com/listentococoon
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Cocoon
Aktueller Tonträger:
Where The Oceans End
(Sober And Gentle/Cooperative Music/Universal)
 

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