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04.05.2012
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MASHA QRELLA

"...weil sich gute Platten letztlich doch durchsetzen"

Masha Qrella
Auf "Analogies", ihrem ausgezeichneten vierten Soloalbum, verbindet Masha Qrella die sanfte Melancholie, die die Stücke ihrer ersten beiden Platten unter eigenem Namen oft auszeichnete, mit der popmusikalischen Leichtigkeit, mit der sie vor drei Jahren den Songs von Kurt Weill und Frederick Loewe auf ihrem Cover-Album "Speak Low" neues Leben einhauchte. Weniger elektronisch, weniger experimentell fallen die neuen Songs aus, legen aber zugleich Zeugnis davon ab, dass die Berliner Singer/Songwriterin im Dunstkreis von Folk und Indierock eine Sprache entwickelt hat, die das ist, was so viele ähnlich inspirierte Künstler nicht sind: eigenständig und unverkennbar.

Bitterkalt ist es an diesem Mittwochmorgen im Februar in Berlin. Eigentlich will Masha zum Eislaufen, aber für Gaesteliste.de macht sie einen kleinen Umweg über das Büro ihres Labels Morr Music, um über ihr neues Album, "Analogies", zu sprechen. Kaum eine Woche vorher sind die Vorabkopien aus dem Presswerk gekommen, die Promomaschinerie noch gar nicht richtig angelaufen. Allerdings ist die Berlinerin ja eh keine Musikerin, deren Erfolg ausschließlich auf gut getimter Promotion aufbaut. Vielmehr überzeugt sie seit vielen Jahren - mit Mina, Contriva, NMFarner oder eben auch als Solistin - immer wieder mit hoher musikalischer Qualität. Deshalb ist sie sich auch sicher, dass tolle Platten wie "Analogies" auch in den Zeiten des gern apostrophierten "schwierigen Marktes" ihr Publikum finden. "Das ist keine Platte, über die pünktlich zum Release etwas in allen Magazinen steht und sich die Leute den Mund fusselig darüber reden, was für ein Geniestreich das doch ist, aber ich bin überzeugt davon, dass es vielleicht über ein Jahr verteilt seinen Weg gehen wird, weil sich gute Platten letztlich doch durchsetzen", sagt sie.

Außerdem ist sie selbstbewusst genug zu wissen, dass sie einen eigenen Stil oder zumindest einen durchaus eigenen Sound hat. Doch wie ist der eigentlich entstanden? Durch einen glücklichen Zufall? "Dass sich das ausgebildet hat, war wirklich nur Zufall, aber dass ich das verfolgt habe, lag daran, dass ich da etwas gesehen habe, das sich verfolgen lässt", erklärt sie. "Was meine musikalische Prägung angeht, würde ich Norman (Nietzsche, von Mina) und Max (Punktezahl, von Contriva) die meisten Credits geben, weil sie mit ihrem Bewusstsein für das, was sie machten, zum damaligen Zeitpunkt viel weiter waren als ich. Ich bin da zunächst einfach nur mitgegangen und habe mir das angeguckt. Darüber habe ich dann zu meinem eigenen Ding gefunden." Learning by doing also? "Ja", nickt sie.

Nicht zuletzt ob der eigenen Identität ihres Sound fällt es ihr auch so leicht, mit Coverversionen zu glänzen, egal, ob es die Musical-Songs von Weill und Loewe waren, ihre Adapation von "Pink Frost" (The Chills) oder gar Bryan Ferrys "Don't Stop The Dance". Auf "Analogies" finden sich zwar ausschließlich von Masha geschriebene (und bis auf die Drums auch allein eingespielte) Stücke, vollkommen hat sie das Thema Coverversionen allerdings nicht losgelassen. Gemeinsam mit Tausendsassa Krite Uhe, dem früheren Blumfeld-Keyboarder Michael Mühlhaus und ihrem Drummer Robert hat sie unlängst für ein Theaterstück in München Coverversionen von Leonard Cohen-Songs erarbeitet und aufgenommen. Obwohl sie gar kein Fan von Cohens Werken ist, waren seine Werke für sie plötzlich allgegenwärtig, zum Beispiel in Form einer "Here It Is"-Coverversion für ihr Lesung-mit-Musik-Projekt Brokeback Mountain gemeinsam mit Tilla Kratochwil. "Das Stück habe ich ursprünglich in dem Glauben gecovert, dass es von Jonathan Richman sei, weil es auf einem Album von ihm drauf ist und ich nicht genau nachgeguckt habe, ob er's auch geschrieben hat. Erst später hab ich dann geschnallt, dass das von Leonard Cohen ist. Dann kam die Anfrage von Krite, und plötzlich stand Leonard Cohen ganz dick in meinem Wohnzimmer!" Zur Veröffentlichung ist das fertig eingespielte Material derzeit leider nicht vorgesehen. "Theaterleute interessieren sich nicht für Veröffentlichungen, das wäre eher mein Interesse. Aber vielleicht sollte ich jetzt nicht gleich an die nächste Coverversionen-Geschichte denken", sagt sie mit Blick auf "Speak Low".

Dennoch ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die Coverversionen der letzten Jahre ein prima Mittel waren, die Wartezeit auf neue eigene Songs zu verkürzen. "Das war nicht geplant, sondern hat sich einfach so ergeben, aber das kam mir schon sehr gelegen und ich war ziemlich erleichtert, dass ich an etwas anderem arbeiten konnte", gesteht sie. Ihr Geheimnis bei Coverversion sei, "nicht zu viel anderes zu können", glaubt sie. "Ich kann halt nur das eine, ich kann nur meine Version machen. Ich hätte also gar nicht die Möglichkeit, mir zu überlegen, in welchem Style ich eine Coverversion machen könnte, weil ich gar nicht die Vielfältigkeit hätte, eine Jazz-Version oder eine elektronische Two-Step-Variante zu machen."

An mangelndem Können hat es allerdings dennoch ganz sicher nicht gelegen, dass inzwischen sieben Jahre seit "Unsolved Remained", Mashas letzter Platte mit Songs aus eigener Feder, vergangenen sind, vielmehr musste das neue Album erst eine Metamorphose durchmachen, bis es wirklich Form annahm: "Eigentlich hab ich das Projekt mit einer viel elektronischeren Idee angefangen, aber alles klang so unorganisch, ganz komisch experimentell." Dennoch waren die Aufnahmen damals bereits sehr weit gediehen. So weit sogar, dass Masha das, was ein fertiges Album hätte sein könne, bereits bei ihrem Label abgeliefert hatte. Die Chance, dass diese unveröffentlichtes Werk in ferner Zukunft doch noch das Licht der Welt erblicken könnte, als limitiertes Fan-Projekt, als Teil eines potenziellen Boxsets o. Ä., besteht allerdings nicht, sagt sie: "Ich hab die Aufnahmen tatsächlich gelöscht!"

Weitere Infos:
www.mashaqrella.de
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Katerina Voytko-
Masha Qrella
Aktueller Tonträger:
Analogies
(Morr Music/Indigo)
 

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