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25.09.2012
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REBECCA GATES AND THE CONSORTIUM

Alles vollkommen logisch

Rebecca Gates And The Consortium
Vor mehr als zwanzig Jahren gründete Rebecca Gates gemeinsam mit Scott Plouf The Spinanes und war damit eine der Ersten, die die Musikwelt auf das kreative Potenzial aufmerksam machten, das in Portland, Oregon, schlummerte. Ganz nebenbei bewies das Duo auch, dass man nicht mehr braucht als Gitarre, Schlagzeug und Stimme, um mitreißend direkten Indierock zu fabrizieren - fast zehn Jahre bevor die White Stripes mit demselben Konzept den Mainstream eroberten. Trotz ihrer Vorreiterrolle wurde es seit der Auflösung der Band in den späten 90ern merklich ruhiger um die Singer/Songwriterin, nach ihrem Solo-Erstling "Ruby Series" rissen 2001 die Veröffentlichungen sogar komplett ab - bis jetzt. "The Float" heißt ihre unlängst veröffentlichte neue Großtat, auf der die so ungemein sympathische Amerikanerin eleganten Kammer-Pop und herrlich versponnenen, zeitlosen Indierock mit erstklassigem Songwriting verbindet. Genauso wunderbar relaxt, gelassen und ausgeglichen wie auf ihrem Album präsentiert sich Rebecca auch bei ihrem Abstecher nach Köln: Abends auf der Bühne des King Georg bei ihrem wundervoll gedämpften Auftritt (inklusive Elliott Smiths "St. Ides Heaven") und zuvor am Nachmittag beim Interview mit Gaesteliste.de in einem Straßencafe am Eigelstein.

Obwohl Rebecca den meisten vor allem als Musikerin bekannt sein dürfte, ist sie seit Langem eine Allround-Künstlerin, die weltweit an Ausstellungen mitgewirkt hat, auf dem Gebiet der Klangkunst als Kuratorin der Marfa Sessions in Texas tätig war, das Audiomagazins "The Relay Project" (heute "Sonoset") aus der Taufe hob und sich bei der Agency League Of Musicians auf dem Feld der Rechtsberatung für Musikerkollegen stark macht. "Ich lebe ein sehr abwechslungsreiches Leben und fühle mich sehr wohl dabei", sagt sie zu Beginn unseres Gesprächs. "Ich weiß, dass eine Menge Leute zeitweise nicht so recht einordnen konnten, was ich mache, weil ich mal hier, dann dort aktiv war und davon abgesehen oft umgezogen bin. Für mich fühlte sich das alles aber vollkommen logisch an." Kein Wunder also, dass Rebecca all ihre Tätigkeiten als ein großes Ganzes wahrnimmt und nicht als viele kleine unabhängige Projekte, oder, wie sie es selbst ausdrückt: "Wenn ich eine Dissertation über all meine Tätigkeiten schreiben müsste, hätte ich sofort ein Konzept, denn es gibt fraglos einen roten Faden. Was mir derzeit noch fehlen würde, ist die Sprache, um alles richtig auszudrücken."

Dass es so lange dauerte, bis Rebecca einen Nachfolger für "Ruby Series" fertigstellen konnte, lag also schlicht und ergreifend daran, dass sie zu beschäftigt mit den anderen Dingen war, um sich die Zeit zu nehmen, die es nun einmal braucht, um eine - noch dazu umwerfend gute - Platte zu schreiben, aufzunehmen und mit weltweiten Konzerten zu promoten. "Mein Hauptaugenmerk lag lange auf anderen Dingen, und gewissermaßen war ich einfach noch nicht bereit, mich wieder in die Musik zu stürzen", erklärt sie. "Als ich mich dann dazu entschied, sah ich mich vor die üblichen Herausforderungen gestellt, und ich denke, wenn du in der heutigen, vollkommen veränderten Musikwelt eine Platte selbst veröffentlichst, musst du dich einfach darauf gefasst machen, dass alles sehr langsam vonstattengeht. Das ist so ähnlich, als wenn du ein Haus baust: Du denkst, es dauert ein Jahr, aber am Ende dauert es viel länger." Doch auch wenn die Amerikanerin die Veränderungen im Musikbusiness größtenteils positiv sieht, gibt es doch Dinge aus der "guten alten Zeit", die sie vermisst. "Was mir heutzutage fehlt, sind vor allem starke, zuverlässige Filter", gesteht sie. "Ich denke, ich darf das sagen, da ich selbst - zu meiner Überraschung! - damals dem Filterungsprozess standgehalten habe."

Damals, das war Anfang der 90er, als The Spinanes gleich mit ihrem ersten Album, "Manos", ein spartanisches Meisterwerk ablieferten, das in vielerlei Hinsicht bis heute unübertroffen ist. "Ich finde, 'Manos' war wirklich ein klassisches erstes Album, weil es in erster Linie eine Dokumentation war", sagt Rebecca rückblickend. "Weder Scott noch ich hatten Interesse an Effekten, deshalb haben wir bei dem Album sehr bewusst keine benutzt. Es gibt lediglich bei einem Lied einen Flanger, um den uns unser Produzent Brian Paulson angefleht hat. Das war eine schwierige Situation, aber letztlich haben wir ihm das zugestanden. Das Ganze war auch eine ästhetische Entscheidung, weil wir die Direktheit betonen wollten."

Seitdem hat Rebecca ihrem Sound mit jeder neuen Platte weitere Facetten hinzugefügt, ohne je Gefahr zu laufen, dass ihre Songs überladen klingen. Auf "The Float" sorgen dafür neben ihr selbst auch viele, viele geradezu sensationell hochkarätige Mitstreiter wie John McEntire und Doug McCombs (Tortoise), Nate Query (The Decemberists), Rebecca Cole (Wild Flag), Gary Jarman (The Cribs), Thierry Amar (Godspeed You! Black Emperor), Joanna Bolme (Stephen Malkmus & The Jicks, Quasi), die komplette Besetzung von Califone und noch viele mehr. "Wir leben nun mal in einer Dienstleistungsgesellschaft", sagt Rebecca schulterzuckend und erinnert an ihre eigenen Gastauftritte auf Werken von Willie Nelson, The Decemberists, Laetitia Sadier, Califone, The Mekons, The Minus 5 und, und, und. "Da ich über die Jahre auf haufenweise Platten gesungen habe, konnte ich einfach fragen: 'Ich bin in der Stadt, hast du Zeit?' Vielleicht habe ich einfach die richtigen Leute angerufen, aber alle haben sofort Ja gesagt!" Für einige der Songs hatte Rebecca bereits konkrete Mitstreiter im Kopf, in anderen Situationen war die Herangehensweise offener: "Bei Joe Adamik war es zum Beispiel so, dass er die Zeit hatte, um mit mir nach Montreal zu fahren, und weil ich wusste, dass er ein unglaublich breites Vokabular hat und ich sein Spiel liebe, konnte wir uns problemlos einfach treffen und schauen, was passiert."

The Consortium nennt Rebecca das Kollektiv der 17 Musiker, die ihr bei den bereits 2004 begonnenen Aufnahmen in sieben verschiedenen Städten unter die Arme griffen. Ein kleiner, aber deutlicher Hinweis darauf, dass sie zwar auch weiterhin gern solo spielt, sich aber vor allem als Teil eines Ensembles wirklich wohlfühlt. "Ich hatte nach all den Soloauftritten fast vergessen, wie toll es ist, mit einer Band zu spielen, bis ich 2005 eine Tournee mit den Decemberists absolviert habe", erinnert sie sich. "Irgendwann haben sie sich, wie das so ihre Art ist, während eines Songs zu mir auf die Bühne geschlichen und mich danach angebettelt: 'Bitte, bitte, dürfen wir 'Sugar Lick' mit dir spielen?' Das haben wir dann natürlich gemacht, und plötzlich hatte ich da diese großartige Band im Rücken und alles war unglaublich einfach! Ich kann gar nicht glauben, wie oft sich Leute in Bands darüber beschweren, wie kompliziert alles ist, denn für mich war es einfach eine helle Freude!"

Weitere Infos:
www.parcematone.com
parcematone.tumblr.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Dan Sharp-
Rebecca Gates And The Consortium
Aktueller Tonträger:
The Float
(La Castanya)
 

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