22.08.2014 http://www.gaesteliste.de/texte/show.html?_nr=1524 |
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GEMMA RAY |
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Motormilch mit Orchester |
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Dass das letztjährige Instrumental-Album "Down Baby Down" nur ein Zwischenschritt sein würde, hatte Gemma Ray schon im Vorfeld deutlich gemacht. Es ist nur so, dass die in Berlin lebende Britin zu den produktiveren Vertreterinnen ihrer Zunft gehört, und sozusagen darunter leidet, dass die Ideen nur so aus ihr herauszusprudeln scheinen. Ein wenig gilt das auch für das neue - dann wieder reguläre - Studioalbum "Milk For Your Motors", auf dem Gemma wieder zu ihrem üblichen Mix aus Retro-Girlie-Pop, Trash Rock'n'Roll, psychedlischem Pop und Americana-Versatzstücken findet, denn anstatt hier nicht nur das Filmorchester Babelsberg zu bemühen, sondern auch eine interessante Gästeschar aufzufahren (u.a. Howe Gelb, Alan Vega und Arrangeurin Fiona Brice), wollte Gemma ja eigentlich etwas ganz anderes - nämlich die Songs möglichst einfach gestalten und möglichst unmittelbar präsentieren.
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Doch lassen wir sie selbst mal erklären, was da eigentlich vorgefallen ist. Und was z.B. der eigenartige Titel des Albums zu bedeuten hat. "Ehrlich gesagt mag ich diese Ansammlung vor Worten", gesteht Gemma, "ich bin darauf beim Lesen eines bestimmten Buches gestoßen und diese Worte haben alles zusammengefasst, was ich mit den Songs ausdrücken wollte. Es bleibt dann aber dem Zuhörer überlassen, die Worte so zu interpretieren, wie er es für richtig hält. Milch als Treibstoff ist dabei nur eine Möglichkeit." Die neuen Songs kommen in einem für Gemma eher ungewöhnlichen Gewand daher. Wie sind diese denn entstanden? "Nun, mein Ziel war es, die Songs so einfach wie möglich zu halten und diese erstmals auch live im Studio einzuspielen - was ich normalerweise nicht tue. Ich hatte dazu einen Stapel von über 30 Songs geschrieben und habe die Auswahl dann erst mal auf 20 Stück eingegrenzt, als wir ins Studio gegangen sind. Wir haben dann erst mal aufgenommen und ich war auch recht glücklich mit den Performances, die wir so eingefangen haben. Erst dann habe ich mich daran gemacht, zu überlegen, welches Bild ich eigentlich vermitteln wollte und dann die endgültige Songauswahl zu treffen." Die Arrangements des Albums sind dann aber doch etwas ausführlicher geraten als geplant, oder? "Nun, ich hatte die Möglichkeit mit dem Babelsberger Film Orchester zusammenzuarbeiten", berichtet Gemma (zuletzt war das Babelsberg Film Orchester auf Aufnahmen von Calexico, Dear Reader und Andrea Schroeder zu hören), "normalerweise hätte ich sowas nicht unbedingt erwogen, aber meine Freundin Fiona Brice stand mir als Arrangeurin zur Seite. Ich habe mich dann dazu entschlossen, das Orchester kraftvoll und muskulös wirken zu lassen und nicht aus Selbstzweck, sondern nur punktuell, zum betonen bestimmter Passagen, kontrolliert einzusetzen. Ich habe mir zuletzt viele Sachen von Gainsbourg angehört und mag diese Art des Einsatzes eines Orchesters. Das Ergebnis klingt dann ziemlich cinematisch. Kurzum: Meine Vorgehensweise hat sich im Laufe der Arbeiten ein wenig verändert, ich bin aber bei dem Grundgedanken geblieben, die Songs so einfach wie möglich zu halten und diese dann durch Selektion zu verfeinern."
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Ist es vielleicht so, dass die Songs heutzutage wichtiger sind, als die Erforschung neuer Klangwelten? "Nun, das ist vielleicht nicht ganz richtig formuliert, weil die Songs für mich immer schon sehr wichtig waren, aber ich wollte die Songs eben sparsamer gestalten, was die Instrumentierung betrifft, und dadurch klingt die Sache anders als gewohnt. Ich bin immer sehr wählerisch, wenn es um das Klangbild geht und deswegen scheint es so, dass das Experimentieren in den Hintergrund getreten ist - obwohl es auf Songs wie 'Motorbike' immer noch ganz schön psychedelisch und experimentell zu geht. Kurzum: Die Songs kommen immer an erster Stelle. Es ist nur so, dass diese Songs offensichtlich etwas anderes wollten, als üblich. Immerhin: Indem ich die Songs so einfach halten wollte wie möglich, und auf der anderen Seite dann dieses kraftvolle Orchester zur Verfügung hatte, hat dieses ja auch die dramatischen Effekte und das Storytelling beeinflusst." Die Art, in der Gemma hier vorgeht, erinnert an die Weise, auf die Filmkomponisten arbeiten - war das vielleicht auch ein Hintergedanke? "Nicht wirklich - ich arbeite nicht bewusst wie ein Filmkomponist, wenn es um die Instrumentierung und das Songwriting geht, obwohl ich immer in Bildern denke, wenn ich Musik schreibe. Theoretisch, konzeptionell und inhaltlich hat das Ganze aber schon irgendwie kinematographische Aspekte, das ist richtig. Das ist aber auf meinen anderen Alben ohne Orchester auch so." Wie kamen die Gastauftritte zustande? "Das passierte ziemlich organisch. Als ich z.B. an dem Song 'The Wheel' arbeitete, wurde mir irgendwann klar, dass die Erzählstruktur eine zweite Perspektive benötigte und da kam mir dann Howe Gelb als Duettpartner in den Sinn. Und dann ist es ja so, dass ich schon immer ein großer Fan von Alan Vega war und als ich dann diesen Song 'Motorbike' in diesem für mich unüblichen, halbelektronischen Setting arrangierte, hatte ich die Idee, dass Alan Vega doch eine ideale verlorene Seele für diesen Song verkörpern könnte. Es ist nicht so, dass ich mir das von vorneherein überlegt hätte, aber die Songs verlangten am Ende von selber danach."
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Ist es auch so, dass die neuen Songs etwas düsterer geplant waren? "Nein - das habe ich nicht so gesehen. Es ist aber so, dass viele Leute meine Musik als düster bezeichnen, während ich darin eher mehr Tiefe, Drama und Phantasie sehe. Ich als Künstler sehe das also etwas anders, als vielleicht der Zuhörer. Ich versuche immer ein geeignetes Setting für meine Songs zu finden, die ich dann so ausformuliere, wie sie es verlangen." Nun ist aber die Düsternis eine schöne Balance für die eher unschuldig wirkenden Girlie-Pop-Elemente, die Gemma nach wie vor in ihren Songs einbaut. Was inspiriert Gemma heutzutage als Songwriterin generell? "Als Songwriterin bin ich die ganze Zeit beschäftigt - und nicht nur dann, wenn ich ins Studio gehen muss", überlegt Gemma, "es ist also bei mir so, dass ich mir ab und an anschaue, was sich angesammelt hat und was man daraus machen könnte. Wenn mich etwas besonders begeistert und z.B. wie ein Freund mit mir herumreist, dann kann es schon sein, dass ich mich intensiver damit beschäftige und diese Ideen ausarbeite. Es ist aber so, dass ich Musik schreibe, weil ich es einfach muss. Da überlegt man nicht, was man wie machen will oder sollte. Mein Bewusstsein kommt da eigentlich nur dann ins Spiel, wenn es daran geht, geeignete Elemente und Ideen auszuwählen und miteinander zu verknüpfen. Oft tragen auch die Ideen meiner Musiker zu dieser Identitätsfindung dabei. Ich bin nur eine dumme Songwriter-Maschine, die einfach vor sich hin produziert."
Was war dann bei diesem Projekt die größte Herausforderung für Gemma? "Nun, die Idee, die Songs so einfach wie möglich zu halten und diese dann live im Studio einzuspielen - weil das einfach etwas Neues für mich war. Das Schwierige war dann am Ende aber aus dem angesammelten Material das richtige für die CD auszuwählen." Wird der Rest dann weggeschmissen? "Nein - es ist durchaus möglich, dass ich daran noch weiter arbeite, es ist nur so, dass das Material, was wir für die CD ausgesucht haben, den umittelbarsten Eindruck auf uns hinterlassen hat. Manchmal ist es ja auch so, dass sich Material mit zeitlichem Abstand anders darstellt als wenn du es gerade produziert hast. Es ist da ja auch eine gewisse Lernkurve drin, wenn du weißt, was ich meine. Ich denke, ich werde das Zeug auch live ausprobieren. Um ehrlich zu sein, wäre es aber vielleicht klüger gewesen, von vorneherein mit weniger Material für diese Scheibe zu arbeiten. Ich habe jetzt schon wieder 12 Songs, die für eine neue CD geeignet wären." Gibt es denn noch weitere mögliche Gemma Ray-Projekte? "Ja, ich denke über Filmarbeiten nach. Ich mag es nämlich, mit den Limitierungen eines Filmkomponisten zu arbeiten - das interessiert mich, das will ich lernen und daran will ich arbeiten." Nun hat Gemma ja schon ziemlich viel erreicht. Welche musikalischen Träume bleiben denn da noch? "Du hast recht, ich habe diesbezüglich tatsächlich viel Glück gehabt. Es mag sich seltsam anhören: Aber ich möchte gerne mehr auf Tour gehen. Das heißt, ich habe ja immer schon viel live gespielt, aber ich möchte mehr zusammenhängende Touren machen - am besten mal ein ganzes Jahr lang - und dann auch konzeptionell mehr visuell arbeiten. Es ist nicht so einfach, das alles auf die Reihe zu bekommen, wenn man - wie ich - alles selber organisiert, aber daran will ich arbeiten." Nun - bis dahin können wir je erst mal ein wenig Milch nachtanken. Im Herbst wird Gemma zunächst mal wieder ein paar Termine auf unseren Bühnen absolvieren. |
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Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Alisa Presnik- |
Aktueller Tonträger: Milk For Your Motors (Bronzerat/Soulfood) |
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