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07.11.2014
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PAIN OF SALVATION

Zwischen Stress und Heimkehr

Pain Of Salvation
Die Geschichte dieses Albums und des dazugehörigen Interviews beginnt in... nein, nicht Schweden, sondern Leipzig! Dort hatte es im Juni 2012 ein one-off Akustik-Freiluftkonzert gemeinsam mit Dark Suns gegeben - übrigens auch damals schon begleitet von einem vorbereitendem Interview; vgl. die letzten beiden Surf-Empfehlungen. Das frühsommerabendliche Erlebnis in der traumschönen Parkbühne Geyserhaus hat offensichtlich nicht nur der Redakteur als eine der schönsten Livemusikerfahrungen überhaupt in Erinnerung - auch von der schwedischen ProgMetal-Band hörte man alsbald, dass sie die Aufnahmen als Album veröffentlichen wollten. Dies stieß allerdings auf nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Unter anderem um die dreht sich das folgende Gespräch mit dem erst kürzlich von einer üblen Erkrankung genesenen Ober-Schmerzensmann Daniel Gildenlöw.

Vielleicht aufgrund seiner zuvor gegangenen zahlreichen Begegnungen mit würdigen Herren in weißen Kitteln interessiert sich der Sänger / Gitarrist / Komponist zunächst lustigerweise dafür, warum sich sein Gesprächspartner einen Doktortitel in die schwindende Haarpracht schmieren kann. Nachdem das zufriedenstellend geklärt ist, wird er seinerseits mit der Frage konfrontiert, ob er eigentlich beim Telefoninterview führen gerade wieder ein "Monsterkostüm" anhat - denn es kursierten da entsprechende Fotos im Social Web... Was Daniel lachend bejaht (es ist das lila Exemplar). So konnte es nun mit "Falling Home" weitergehen. Der Plan zu diesem Album war ja wie oben geschrieben schon älter und eigentlich hätte es ein Live-Mitschnitt vom 08.06.2012 sein sollen... "Genau - aber die Aufnahmen waren nicht verwertbar. Ich weiß nicht, was genau schief gelaufen ist - man sagte mir, dass irgendetwas sich nicht mit irgendetwas anderem synchronisieren ließe... Und das ist natürlich genau das, was du nach einem Einzelkonzert nicht hören willst!" Da sich aber die Idee zu diesem Album schon ziemlich in unseren Köpfen festgesetzt hatte, wurde ein ganz anderes Projekt und schließlich ein völlig anderes Album daraus. Heute bin ich froh darüber, auch wenn ich auf diese technischen Pannen natürlich gerne verzichtet hätte." Trotzdem schade, wer dort war, weiß, dass es ein "magischer" Abend war. "Das stimmt, und um das zu würdigen, haben wir immerhin einige Fotos aus Leipzig im Booklet verwendet."

Die Tracklist von "Falling Home" weicht in einigen Punkten bezeichnend von der Setlist des Leipzig-Gigs ab - es fehlen beispielsweise "Cribcaged", "Second Love" (leider) oder "King Of Loss"... "Oh, 'King Of Loss' findet sich auf der Limited Version", unterbricht Daniel lachend. "Aber es stimmt schon, da gibt es Abweichungen. Und das liegt daran: Wenn du eine Setlist für ein one-off-Konzert zusammenstellst, tust du das nur einmal, da gibt es kein 'Trial and Error'. Genau das aber taten wir, als wir uns für 'Falling Home' im Studio trafen - wir probierten aus. Und so wurden einige Songs nicht aufgenommen, weil wir fanden, dass wir eine bessere Alternative gefunden hatten. Und einige ehrlich gesagt nicht, weil uns die Zeit davonlief. Wir hatten uns drei Tage Zeit für die Aufnahmen gegeben. Aber natürlich lief es im Studio und ohne Publikum anders: hier gab es die Möglichkeit, an Sounds und Arrangements zu feilen, und genau das ist auch passiert...

Als ich dann später am Computer das Material durchforstete, tauchten abermals Probleme auf. Zum einen hatten wir 'Stress' und 'Holy Diver' nicht aufgenommen, zum anderen schien mir ein abrundender Song zu fehlen. Bei einem reinen Live-Mitschnitt ist das anders, aber unsere Studioalben enden gewöhnlich mit einem Stück, das gewissermaßen alles zusammenfasst und dem Zuhörer das Gefühl geben soll, angekommen zu sein. Erst da fiel mir 'Falling Home' wieder ein, an dem Ragnar und ich schon eine ganze Weile vor der Akustik-Show gearbeitet hatten, allerdings ohne die Absicht, einen Pain Of Salvation-Song daraus zu machen. Es passte perfekt - akustisch, mit Satzgesang - und warf obendrauf auch noch einen guten Albumtitel ab." Mussten dafür aufgenommene Songs weichen? "Ja, 'Curiosity' und 'Sleeping Under The Stars' haben es nicht geschafft."

Wie kam es zu der Swing-Fassung von Dios "Holy Diver", die schon bei der Tour mit Anneke van Giersbergen und Arstidir alle Zuschauer verzauberte und zum Lachen und Strahlen brachte? "Über die Jahre haben wir schon sehr viele Songs so verändert. Es hat mit einer Band-Tradition zu tun, die bis in die Zeit vor dem ersten Album zurückgeht - Songs in völlig überdrehtem Tempo zu spielen. Das war einerseits ein Spaß, hat uns aber andererseits vermutlich ein wenig bei der Beherrschung unserer Instrumente geholfen. Dieser Speed-Trip aus der Mitte der Neunziger entwickelte sich später dazu, Rockmaterial mit punktiertem Jazzrhythmus, Leadgesang à la Tony Bennett und Hintergrundchören zu versehen. Ich liebe diese Art zu singen ja schon ewig, da sie aber nicht zur Band zu passen schien, habe ich das normalerweise nur allein in meinem Auto praktiziert. 2002 oder 2003 sollten wir einen Award in unserer Heimatstadt entgegennehmen und dabei ein, zwei Stücke auf akustischen Instrumenten spielen. Wir spielten 'Exclamation' - und damit war ein Bann gebrochen."

Die Chöre von "Spitfall" sind ganz besonders ausgefeilt, kommt die zweite Stimme hier von Ragnar Zolberg? "Bei den Strophen hörst du meine gedoppelte Stimme, bei allen Hintergrundgesängen sind Ragnar, Léo (Margarit) und Gustaf (Hielm) beteiligt." Dieser Harmoniegesang tut dem Album unglaublich gut, er gibt altbekanntem Material etwas ganz Frisches. "Genau das wollten wir erreichen! Als wir anfingen, uns nach '12:5' über ein weiteres Akustik-Projekt Gedanken zu machen, gab es einige offensichtliche Kandidaten wie zum Beispiel '1979' oder 'To The Shoreline'. Und auf der anderen Seite gab es Songs, die wir aus schierer Neugier gewählt haben, gerade weil sie so vollkommen ungeeignet für die Unplugged-Behandlung zu sein schienen - wie 'Mrs. Mother Mary'. Oder eben 'Spitfall', das voll von Quintuplets und krummen Takten ist und sich insofern erheblich gegen die Swing-Behandlung sperrte." Das hätte also auch scheitern können? "Ja, und das wäre fast genauso interessant gewesen wie das Gelingen".

Auf der anderen Seite gibt es einen Song wie "Chainsling", der auf der Leipzig-Set- und den Tracklists von "Falling Home" und "12:5" prangt - was ist an dem so besonders? "Es ist einer der Songs, die für mich in wirklich jedem Kontext funktionieren und spannend bleiben. Es gibt viele Versionen davon - und ich mag sie alle." Warum überhaupt noch ein Akustik-Album nach "12:5" - aus wissenschaftlicher Experimentierfreude? "Ich finde, 'Falling Home' ist ein völlig anderes Album geworden, was die Herangehensweise, den Sound und vor allem die Arrangements angeht."

Wo wir so viel von Magie gesprochen haben - inwieweit verfolgt Daniel die musikalische Karriere seines Bruders Kristoffer? "Um schonungslos ehrlich zu sein - obschon mir bewusst ist, was er tut, verfolge ich es nicht wirklich. Das liegt aber nicht an mangelndem Interesse... Wir leben ja inzwischen in unterschiedlichen Ländern und sehen uns selten. Wenn wir uns begegnen, reden wir kaum über Musik und konzentrieren uns auf die Familienbande".

Für manch einen großen Pain Of Salvation-Fan hat ab der "Linoleum"-EP bzw. "Road Salt One" einen stark spürbaren Wechsel gegeben. Natürlich verändert sich diese Band mit ihrem intelligenten, abenteuerlustigen Ansatz permanent, aber ab ca. 2009 schien es so etwas wie einen Wechsel zurück zu alten Stärken zu geben - zurück zu den zum Weinen schönen Melodien... "Es ist gut, dass du das so erlebst, das ist ein gutes Feedback. Allerdings habe ich immer und in allen Phasen bislang versucht, diesen Effekt zu erreichen. Es mag auch etwas mit dem Klang zu tun haben. Ab 2009 sind wir wohl tatsächlich zu einem 'nackteren' Sound zurückgegangen, in dem sich Melodien anders entfalten können. Doch auch wenn der Wechsel von Album zu Album für den Hörer abrupt erscheinen mag, so sind diese Veröffentlichungen doch nur Einzelaufnahmen aus einem permanent ablaufenden Film, der aus vielen kleinen Veränderungen besteht. (mittellange Denkpause) Eine Band ist ein wenig wie eine Familie. Als Bandmitglieder anfingen, Pain Of Salvation zu verlassen, war das eine schwierige Zeit für uns alle. Alle haben versucht, fair miteinander umzugehen und wir sind immer noch befreundet und teilen die Musik der ersten Alben und die Erinnerung daran, wie sie entstanden sind. Dennoch war es auch wie der Verlust eines Familienmitglieds, mit dem man viel Zeit verbracht hatte. Und danach habe ich wohl mehr oder weniger unbewusst Wege abseits von dem gesucht, was wir zuvor getan hatten. Versuch es dir doch mal so zu vorzustellen: Du bist in einer Beziehung und diese Frau und du fahren jeden Sommer zusammen nach Rom, in dieses spezielle Hotel, ihr geht zu diesen speziellen Plätzen. Dann müsst ihr euch trennen, obwohl ihr euch immer noch liebt. Zeit vergeht, du hast einen anderen Menschen gefunden und bist in einer neuen Beziehung. Das ist schön und gut, aber du wirst stark vermutlich nicht in eurem ersten Sommer mit ihr nach Rom fliegen wollen, oder?

Heute habe ich jedenfalls große Lust auf diese Art Musik und sogar auf das alte Material. Ein weiteres Zeichen dafür ist, dass wir 'Remedy Lane' bei den ProgPower Festivals in USA und den Niederlanden komplett gespielt haben. Und mir selbst fällt auf, dass vieles von dem Material, das ich derzeit schreibe, auf 'Remedy Lane' und 'Perfect Element' zurückverweist, was Wärme und Intimität angeht."

Weitere Infos:
www.painofsalvation.com
www.twitter.com/thebestofpain
www.facebook.com/Painofsalvation
soundcloud.com/officialinsideoutmusic/pain-of-salvation-1979/
soundcloud.com/officialinsideoutmusic/pain-of-salvation-linoleum-album-track
www.muzu.tv/pain-of-salvation/1979-official-video-video/2315304/
www.popfrontal.de/pages/artikel/pain_of_salvation_080612.html
www.popfrontal.de/pages/artikel/pain_of_salvation_interview_210512.html
Interview: -Klaus Reckert-
Foto: -Tobias Berk (Leipzig, 08.06.12)-
Pain Of Salvation
Aktueller Tonträger:
Falling Home
(InsideOut/Universal)
 

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