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25.08.2015
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QUIREBOYS

"Wir stöpseln ein und los geht's!"

Quireboys
Die Quireboys kennen alle Höhen und Tiefen des Musikbusiness. Genau 25 Jahre ist es nun her, dass die Briten mit ihrem famosen Debüt "A Bit Of What You Fancy" bis auf Platz 2 der britischen Charts schossen, mit den Rolling Stones im St. James Park von Newcastle auftraten oder gemeinsam mit Bon Jovi vor 50.000 Menschen im Tokyo Dome in Japan eine Silvesterparty feierten und sich mit Whitesnake, Aerosmith und nicht viel später auch Guns N' Roses die Bühne teilten. Doch die Ernüchterung folgte für die herrlich wilde 70s-Rock'n'Roll-Band im Geiste der Faces auf dem Fuße: Der einsetzende Grunge-Boom bereitete dem Höhenflug der Youngster nach dem gefloppten Nachfolgewerk "Tramps And Thieves" von 1993 ein jähes Ende, doch nach einer mehrjährigen Auszeit Ende der 90er-Jahre rauften sich Sänger Jonathan "Spike" Gray und Gitarrist Guy Griffin mit neuen Mitstreitern wieder zusammen. Seitdem haben die Quireboys sieben weitere zeitlose Platten gemacht, mit denen sie auch weiterhin die Tugenden des guten alten Rock'n'Roll hochhalten. Im Frühjahr erschien das 4-CD-Boxset "St. Cecilia And The Gypsy Soul", das eine Wiederveröffentlichung des 2009er-Akustikalbums "Halfpenny Dancer" mit einem Live-Album und zwölf neuen Songs vereint. Nach dem ausgezeichneten Gastspiel in Essen Mitte August sprachen wir mit Gitarrist Guy Griffin über rund drei Jahrzehnte Quireboys.

Beginnen wir am Anfang. 1984 von Spike in Newcastle gegründet, brauchte es nur wenige Singleveröffentlichungen bei Independent-Plattenfirmen, bis 1989 ein Majorlabelvertrag die Quireboys auf die kommerzielle Überholspur katapultierte. Zu Beginn des neuen Jahrzehnts waren sie nicht nur daheim in England die Band der Stunde. "Hey You", "I Don't Love You Anymore" und "7 O'Clock" stürmten die Single-Charts, und auch mit ihrem ersten Album rannte die Band allenthalben offene Türen ein. "1990 ging alles so schnell. Wir waren damals ja fast noch Kinder. Als das erste Album rauskam, wurde ich gerade 21", erinnert sich Griffin bei unserem Gespräch. "Das kommt mir heute so vor, als sei es ein halbes Leben her - und das ist es ja auch. Als wir dann 2001 nach der Pause wieder zusammenkamen, war es so, dass wir buchstäblich wieder bei null anfangen mussten, denn wir sind bei unserer Rückkehr nicht unbedingt mit offenen Armen empfangen worden. Seitdem war es ein stetiger Kampf - auch wenn wir eine Menge Spaß haben und gerade das aktuelle Line-up der Band einfach fantastisch ist und wir schon das Gefühl haben, dass sich unsere harte Arbeit ausgezahlt hat."

Auch wenn die Band stilistisch bei ihrer Rückkehr im neuen Jahrtausend dort anschloss, wo sie Mitte der 90er aufgehört hatte, sieht Griffin deutliche Unterschiede. "Ich habe fast das Gefühl, als seien es zwei verschiedene Bands. Wenn wir 2001 unter einem neuen Namen wieder durchgestartet wären und die gleiche Energie investiert hätten, wären wir womöglich heute erfolgreicher", sagt er lachend. "Die Quireboys hatten ja einen etwas zweifelshaften Ruf, nicht zuletzt, weil die Medien und unsere Promoagenturen eine Menge Dinge einfach erfunden haben, und das hat uns bisweilen etwas im Weg gestanden. Manche Leute wollten danach einfach nicht mit uns zusammenarbeiten."

Dennoch versucht der Gitarrist und heutige Hauptsongschreiber der Band, sich nicht zu lange mit der Analyse der Vergangenheit aufzuhalten. Was passiert ist, ist passiert. "Rückblickend ist man ja immer schlauer. Wenn unser zweites Album nur ein paar Monate früher rausgekommen wäre, würden wir womöglich alle in Villen leben", sagt er lachend. "Doch Grunge schlug ein wie ein Meteor und plötzlich waren alle Bands von vor 1992 vom Aussterben bedrohte Dinosaurier. Die Entscheidung, uns aufzulösen, haben damit gewissermaßen andere für uns getroffen."

Natürlich hätte die Band damals weitermachen können, aber plötzlich ein paar Stufen tiefer auf der Erfolgsleiter wieder anzufangen, stand Mitte der 90er einfach (noch) nicht zur Debatte. Erst einmal genossen die Musiker das Rockstarleben in vollen Zügen und scherten sich nicht viel um ausbleibende Chartplatzierungen. "Die großen, frühen Erfolge hatten aus uns internationale Jetsetter gemacht", erinnert sich Griffin. "Mit 23 bin ich nach Los Angeles gezogen, unser Drummer fand in Kanada ein neues Zuhause. Erst als das Geld von der Plattenfirma aufgebraucht war, merkten wir, dass es so nicht weitergehen konnte."

Heute sind die Quireboys nicht nur älter, sondern auch deutlich bodenständiger. Die Band arbeitet hart und ist sehr glücklich mit den Möglichkeiten, die sich ihr bieten. "Überhaupt von der Musik leben zu können, ist heutzutage schon eine Leistung", ist Griffin überzeugt. "Vermutlich gehören wir zu den fünf Prozent aller Musiker weltweit, die ihren Lebensunterhalt allein mit dem Musikmachen bestreiten können. Das ist ein echter Segen." Inzwischen hat sich auch das zu Beginn des neuen Jahrtausends stark fluktuierende Line-up der Band gefestigt. Mit Gitarrist Paul Guerin und Keyboarder Keith Weir arbeiten die beiden alten Haudegen Griffin und Spike nun seit 2004 zusammen, nur die Bassisten und Schlagzeuger kommen und gehen noch des Öfteren. Die Stabilität, die das in die Band gebracht hat, kann man inzwischen auch hören. Gingen die Quireboys ihre ersten Platten noch mit Scheuklappenblick an, haben sie sich in den letzten zehn Jahren musikalisch immer weiter geöffnet, ohne dabei die alten Ideale zu verleugnen. Zuerst gesellten sich verstärkt akustische Instrumente und ein stärkerer Country-Einschlag zum Rock'n'Roll-Grundgerüst, auf der aktuellen Veröffentlichung "St. Cecilia & The Gypsy Soul" gehen technische Experimente und ein gedämpfterer Sound Hand in Hand. "Schön, dass dir das aufgefallen ist", freut sich Griffin. "Viele Journalisten merken das gar nicht, vermutlich, weil sie sich die Platten gar nicht so genau anhören. Wir haben uns ja schon immer für verschiedene Musikstile interessiert und haben eine Fanbasis, die das weiß und die uns treu bleibt. Unsere Anhänger mögen vielleicht nicht immer alles, was wir auf den Platten machen, aber dann bleiben ihnen immer noch die Live-Konzerte, denn sie wissen, dass wir dort nicht mit wilden Experimenten um die Ecke kommen. Wenn uns live der Sinn nach etwas Abwechslung steht, haben wir ja noch unsere Akustikkonzerte, bei denen die Songauswahl eine ganz andere ist."

Gerade bei den Unplugged-Shows haben die Quireboys die Gelegenheit, ein paar Songs aus der zweiten Reihe zu spielen, die im mit den altbekannten Hits vollgestopften Rock-Set keinen Platz finden. Außerdem erlaubt sich die Band bei den Akustik-Auftritten den Luxus, auf einige ihrer bekanntesten Nummern zu verzichten. "Natürlich rufen die Leute auch dort nach 'Hey You' und wir haben es auch ein paarmal versucht, die Nummer akustisch zu spielen, aber es wollte einfach nicht funktionieren. Das Lied klingt dann wie ein beschleunigtes 'Sweet Home Alabama'!", verrät Griffin. "90 Prozent unserer Songs können wir aber adaptieren, weil ja auch die meisten Rocksongs ursprünglich mit akustischen Gitarren geschrieben wurden. 'Don't Bite The Hand That Feeds You' zum Beispiel spielen wir akustisch als langsamen Blues, oft sogar als Eröffnungsnummer." Doch selbst bei ihren Rock-Shows, bei denen auch nach 25 Jahren immer noch die Songs des Debütalbums den Löwenanteil der Setlist ausmachen, klingen die alten Kracher inzwischen anders. "Das macht sich vor allem dann bemerkbar, wenn neue Musiker zur Band stoßen", erklärt Griffin. "Sie hören sich die Alben an und kommen dann zu den Proben und nichts passt! Dann merken wir: Shit, wir spielen die Lieder ja schon seit Jahren ganz anders als auf der Platte!"

Wie alle anderen Bands heute auch, verdienen die Quireboys ihr Geld unterwegs. Deshalb waren die Deutschland-Shows im August auch nicht die letzten in diesem Jahr. Bereits im Dezember werden die Briten wieder hier auftreten. Bis zu 150 Konzerte spielen sie jedes Jahr und stehen dabei oft jeden Abend in einem anderen Land auf der Bühne. Das ist natürlich anstrengend, aber Griffin weiß, dass es fatal wäre, sich deswegen zu beschweren. "Wir wussten ja, auf was wir uns einlassen, als wir uns für die Musik entschieden haben", sagt er. "Wenn du dich darüber beschwerst, musst du dir einfach schnell in Erinnerung rufen, was dein 15-jähriges Ich wohl sagen würde, dass du darüber meckerst, mit Judas Priest, Mötorhead oder Billy Idol auf der gleichen Bühne zu stehen – Künstler, die du als Jugendlicher vergöttert hast!" Dennoch sieht das Tourleben der Quireboys heute natürlich ganz anders aus als noch vor 25 Jahren. Heute steht die Musik, der abendliche Auftritt, viel stärker im Mittelpunkt. "Wir sind ja noch keine alten Männer, aber wir jagen heute nicht mehr den Mädels nach oder tun all diese Dinge, die du machst, wenn du jung bist und in einer Band spielst. Wenn du jung und voller Energie bist, kannst du die ganze Nacht durchmachen, und trotzdem bist du am nächsten Morgen einigermaßen fit. Heute ist alles, ehrlich gesagt, eher ein Geschäft. Dass die Shows trotzdem Spaß machen, ist das Wichtigste."

Apropos Geschäft: Zu ihren kommerziell erfolgreichsten Zeiten hatte die Band einen Vertrag beim Label-Giganten EMI Parlophone, Sharon Osbourne kümmerte sich um das Management und Größen wie Rod Stewart-Mitstreiter Jim Cregan oder L.A.-Vorzeigeproduzent Bob Rock saßen am Mischpult. Heute geht alles auch eine Nummer kleiner und die Band kontrolliert alle Aspekte ihres Tuns viel stärker. Da werden Interviewtermine auch schon mal direkt von den Musikern bestätigt, und auch vor Ort gibt's den direkten Draht zur Band, anstatt Tourmanager oder Crew dazwischenzuschalten. Bisweilen verzichten die Quireboys nämlich heute auf helfende Hände auf Tour und stemmen auch den Auf- und Abbau allein. "Für gewöhnlich nehmen wir ein, zwei Helfer mit, aber bei einer kurzen Tournee wie dieser, die nur wenige Tage dauert, sagen wir schon mal: 'Moment mal, wir können ein paar Tausender mehr in der Tasche haben, wenn wir keine Crew mitnehmen, und alles, was wir dafür tun müssen, ist, unsere eigenen Gitarren wegzuräumen?'", erklärt Griffin. "Du musst dafür nur deinen Stolz als Rockstar überwinden - und das haben wir schon vor langer Zeit getan. Viele finden das auch richtig gut: 'Guck mal, die Quireboys machen alles selbst!' Unsere Shows sind ja auch keine aufwendigen Produktionen: Wir stöpseln ein und los geht's! Wir machen das alles nun auch schon so lange, dass wir ganz sicher keinen Tourmanager mehr brauchen, der morgens an unsere Tür klopft, um uns zu wecken, und mit unserem Navi ist sichergestellt, dass wir ohne Probleme am nächsten Konzertort ankommen. Inzwischen gibt es eine Menge Bands, die das so machen. Der einzige Nachteil dabei ist, dass viele Crewleute heute um ihre Jobs kämpfen müssen."

Die Quireboys sind klassische Survivor - und schon ein bisschen stolz darauf, dass es sie so lange im Haifischbecken Musikindustrie ausgehalten haben. "Unsere größte Leistung ist sicherlich, dass es uns nach all den Jahren noch gibt", ist Griffin überzeugt. "Wir sind ein Name, der den Leuten geläufig ist und der vor allem live für Qualität steht. Das passiert nicht über Nacht. Dass wir jetzt nach Essen kommen können und es hier einen Club voller Leute gibt, die unsere Songs mitsingen, das ist toll. Wir werden auch in der Zukunft versuchen, jede neue Platte besser oder zumindest anders als die letzte klingen zu lassen und einen gewissen Standard beizubehalten, der es uns ermöglicht, mit Stolz auf unser Tun zu blicken."

Weitere Infos:
www.quireboys.com
www.facebook.com/quireboys
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Pressefreigabe-
Quireboys
Aktueller Tonträger:
St. Cecilia And The Gypsy Soul
(Offtime Records/Soulfood)
 

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