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22.01.2016
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AIDAN KNIGHT

"Das bittersüße Gefühl ist bis heute geblieben"

Aidan Knight
Ganz im Sinne des neuen Albums "Each Other" verließ sich Aidan Knight bei der Entstehung nicht auf sich selbst. Anhand seines Namens ließe sich vermuten, dass es sich um ein Soloprojekt handelt. Doch Tatsache ist - hinter dem Kanadier steckt eine Band. Die gegenseitige Unterstützung wird einmal mehr auf ihrem aktuellen Werk spürbar, deren Entstehung das Kollektiv kreuz und quer durch ihre kanadische Heimat führte. Kaum erblickt die Platte das Licht der Welt, rückt Knight noch ein ganzes Stück weiter in die Ferne und nennt Berlin ab sofort sein Zuhause. Eben dort trafen wir den tiefenentspannten Musiker vorab zum Gespräch über die inneren und äußeren Wege, die er dafür zurücklegte.

Nach dem zweiten Album "Small Reveal" im Jahre 2012 holte Aidan Knight nicht im Schnellverfahren aus, um uns einen neuen Batzen Songs vorzulegen. Ein neues Album zu überstürzen, kam dem Songwriter nicht in den Sinn, auch wenn seine Wunschvorstellung hinsichtlich des eigenen Arbeitsrhythmus ein wenig daran vorbei tendiert, wie er zugibt: "Idealerweise fühlt man als Künstler einen kreativen Funken in sich, nimmt diesen zügig auf, gibt ihn der Öffentlichkeit preis und entführt das Ergebnis dessen anschließend auf Tour. Leider gibt es aber immer und überall Prozesse, die dieses Vorhaben verlangsamen. Das macht alles oftmals komplizierter. Meiner Meinung nach fehlt irgendwo ein Stück zwischen der Form, wie heutzutage Musik entsteht und dann vom Rezipienten wahrgenommen wird. Es läuft nie ganz so ab, so dass es sich perfekt anfühlt."

Schuld an allem ist laut Knight vor allem das Internet, das er gleichzeitig tadelt, aber auch für seinen Verdienst in Sachen Musikverbreitung lobt: "Streaming von Musik ist sehr tückisch. Ich glaube, dieser Ansatz wird immer von Schwierigkeiten begleitet sein, so lange damit Geld gemacht wird. Die immer noch aktuelle Debatte über die schlechte Entlohnung der Künstler zeigt dies deutlich. Zugang zu jeder beliebigen Art von Musik zu haben, ist eine wahre Tragödie. Man hat zwar das Privileg, online praktisch alles hören zu können, aber gewissermaßen hört man nur wenig davon wirklich aufmerksam. Der einzige Pluspunkt davon ist der, dass man im Internet unglaubliche Dinge entdecken kann, wenn es um Musik geht."

Die Zusammenarbeit mit seiner Band am aktuellen Album "Each Other" barg auch innerhalb der Gruppe ein wenig Entdeckungspotenzial. Trotz der vielen gemeinsamen Jahre und der internen Eingespieltheit aller Beteiligten boten die letzten Monate den Mitgliedern rund um Aidan Knight die Gelegenheit, sich noch mehr anzustrengen: "Wir kamen alle fünf zusammen und achteten dieses Mal umso mehr darauf, bewusst gemeinsam an den Songideen zu arbeiten und an ihnen zu pfeilen bis sie für uns stimmten", kommentiert der Frontmann die Ausgangslage.

Die Mühe sollte sich für das Quintett lohnen. Vor allem ihr Produzent Marcus Piquing schaffte es diesen engen Zusammenhalt weiter zu fördern und heimst dafür viel Lob von der Gegenseite ein, wie Knight uns verrät: "Marcus hatte die Weitsicht genau zu wissen, was für uns als Band wichtig war, um gemeinsam zum Ziel zu gelangen. Ursprünglich wollten wir unsere Parts individuell aufnehmen, doch dann entschieden wir uns dank ihm dafür, die meisten Songs auf einer Live-Basis zusammen einzuspielen. Das hatte einen großen Einfluss auf das Ergebnis."

Beim angestrebten Sound ist für Knight vor allem eines wichtig: "Bei Aufnahmen will ich immer unbedingt alle Klänge bis ins Detail hören, um zu entscheiden, ob das Resultat wirklich gut klingt und darüber hinaus auch emotional korrekt das wiedergibt, was ich beim Schreiben gefühlt habe. Dieses Album zu machen, war zu großen Teilen eine sehr intensive Erfahrung und rein technisch betrachtet ebenfalls eine große Herausforderung für uns. Es war nicht immer einfach, alle Aspekte wirklich passend zu gestalten, so dass der Sound am Ende davon profitierte." Erst recht nicht, wenn plötzlich im Zuge der Platte ein temporäres Chaos ausbricht, das für so manche Band wohl einer Apokalypse gleichkommt. Nämlich das Auseinanderbrechen des Bandgefüges.

Gleich zwei der Mitglieder traten infolge gesundheitlicher und privater Gründe den Rückzug an, was der kreative Kopf der Band bis heute sehr bedauert: "Colin, unser Bassist, bekam aus heiterem Himmel Probleme mit seinem Gehör und war gezwungen, ein ganzes Jahr komplett ohne Musik zu leben. In diesem Zustand jeden Tag im Studio zu sein, ging natürlich nicht. Unser Schlagzeuger entschied sich wiederum erneut die Schulbank zu drücken, so dass wir auf einmal zu dritt da standen. Das bittersüße Gefühl über all das ist bis heute geblieben. Obwohl ich glücklich über das Resultat des Albums bin, finde ich es bedauernswert, dass wir es zu fünft nicht geschafft haben, den weiteren Weg zusammen zu gehen. Ich war selbst kurzzeitig davon überzeugt, alles hinzuwerfen."

Warum es sich gelohnt hat, den Kopf nicht in den Sand zu stecken, beweisen die Songs auf "Each Other", denen man die zwischenzeitlichen Zweifel und Notsituationen nicht im Geringsten anhört. Nach so viel Trubel können Aidan Knight und seine Kameraden nun getrost ein wenig die Sorgenfalten auf der Stirn glattbügeln. Jedenfalls bis der Sänger in rund einem Jahr die große Bilanz ziehen will, ob dieser Schritt wirklich geglückt ist, wie er uns offenbart: "Ich kann momentan kaum beurteilen, ob wir die richtigen Entscheidungen getroffen haben. In einem Jahr habe ich vielleicht die nötige Distanz zu allem. Ich lasse mich einfach mal überraschen, wie ich dann zu allem stehe", lacht Knight herzlich in den Raum hinein. Für den Moment dürfte er sicherlich mit einem ruhigen Gewissen auf die kommenden Monate blicken.

Weitere Infos:
www.aidanknight.com
www.aidanknight.bandcamp.com
www.facebook.com/aidanknightmusic
www.twitter.com/aidanknight
www.soundcloud.com/aidanknight
Interview: -Annett Bonkowski-
Foto: -Pressefreigabe-
Aidan Knight
Aktueller Tonträger:
Each Other
(Full Time Hobby/Rough Trade)
 

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