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18.08.2017
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THE DUKE SPIRIT

Bauchgefühl statt Kopfarbeit

The Duke Spirit
The Duke Spirit sind derzeit nicht aufzuhalten. Nachdem die britische Rock-Band um Frontfrau Liela Moss letzten Sommer aus einem längeren Winterschlaf erwacht ist, geht es Schlag auf Schlag. Erst letztes Jahr im Mai erschien das ausgezeichnete Album "KIN", nur wenige Monate später die 4-Track-EP "Serenade" mit ausschließlich neuem Material, zu Weihnachten gab es das saisonale "Melt By The Morning" und nun bereits das nächste neue Album. Auf "Sky Is Mine" setzt das durch Gitarrist Toby Butler, Drummer Olly Betts und Gitarrist Luke Ford komplettierte Quintett seine auf "KIN" begonnene Suche nach mehr Subtilität abseits des Rock konsequent fort. Doch während beim Vorgänger ein akribisch aufgeschichteter Sound mit unüberhörbarem Elektronikeinsatz im Mittelpunkt stand, schenken The Duke Spirit jetzt wieder vermehrt Spontaneität und den düster gestimmten, psychedelisch umspielten Bandperformances ihre Aufmerksamkeit und klingen so vertraut und neu zugleich. Im Interview mit Gaesteliste.de verriet Liela, wie es dazu kam.

GL.de: Liela, was für eine schöne Überraschung, dass es schon wieder eine neue LP von euch gibt. Ihr legt ja momentan ein Tempo an den Tag, das zuletzt in den 60ern üblich war!

Liela: Wir wollten nach unserer letzten Platte, "Kin", einfach den Ball am Rollen halten. Wir hatten ein paar Songs übrig behalten, die zu schade für B-Seiten waren, aber eine bestimmte Stimmung besaßen, die wir weiterverfolgen wollten. Der eigentliche Grund ist aber ein anderer: Wir haben jetzt ein Studio/Haus in Somerset, also auf dem Land im Südwesten Großbritanniens, und seitdem Toby und ich nicht mehr in London leben, haben wir viel mehr Freiraum, die Dinge einfach anzugehen. Zuerst hast du ein wenig Angst, der Großstadt den Rücken zu kehren, weil du glaubst, dort etwas zu verpassen, aber dann stellst du fest, dass du auf dem Land zum Beispiel viel mehr Gelegenheit hast, richtig Krach zu machen, und auch deinen ganzen Kram aufgebaut lassen kannst, weil du genug Platz hast, der nicht für etwas anderes benötigt wird. Wir haben einfach unser Leben ein bisschen auf den Kopf gestellt und neue Prioritäten gesetzt. Jetzt haben wir all die Instrumente und Mikrofone stets griffbereit und damit viel mehr die Chance, uns künstlerisch auszutoben - und der Rest der Band besucht uns regelmäßig. Als wir noch in London gelebt haben, gab es viele Ablenkungen und alles war sehr kostspielig. Jetzt sind wir viel disziplinierter, was aber auch daran liegt, dass auf dem Land weniger passiert und wir deshalb mehr geschafft kriegen. Statt in coolen Bars abzuhängen oder Ausstellungen zu besuchen, sehen wir jetzt weite Felder, wenn wir zum Fenster hinausschauen,
und machen den ganzen Tag Lärm (lacht)!

GL.de: Glaubst du, dass das auch eine Alterssache ist?

Liela Moss: Ich denke, es ist weniger das Alter als die Erfahrung. Wir waren viele Jahre ständig unterwegs. In dieser Zeit haben wir auf Tour sehr viele Erfahrungen gesammelt, und die sind gut und witzig, aber sie sind auch immer wieder sehr ähnlich. Irgendwann hast du genug lange Nächte erlebt, um zu begreifen, dass nicht allzu viel dabei herumkommt. Irgendwann wird das langweilig, und dann ist es Zeit zu sagen: "Lasst uns etwas anders machen!" Und hey, natürlich wird das Alter auch irgendeine Rolle spielen, aber ich glaube nicht, dass dieses Klischee der Hauptgrund ist.

GL.de: Bei so vielen Veröffentlichungen in den letzten 15 Monaten: War es eine besondere Herausforderung, Texte für rund 25 Songs innerhalb so kurzer Zeit zu schreiben, anstatt wie bisher 10, 12 alle drei Jahre?

Liela: Nein, wenngleich ich das Texten immer als Herausforderung ansehe, weil immer die Gefahr lauert, dass du deine Arbeit zu sehr analysierst und am Ende davon überzeugt bist, dass alles scheiße ist (lacht). Tief im Innern weißt du, dass du dir selbst vertrauen musst, auch wenn das das Schwierigste überhaupt ist. In der Regel funktioniert es bei mir so, dass ich eine Art Gespräch mit mir selbst führe, bis ich auf etwas stoße, das sich reimt und das mir gefällt. Am nächsten Tag finde ich es dann für gewöhnlich fürchterlich, und dann geht das eine Weile hin und her, bis du eines Tages dazwischen etwas findest, von dem du überzeugt bist, dass es das Gespräch ins Rollen bringt. Das Ergebnis ist nie perfekt, aber inzwischen weiß ich zu unterscheiden zwischen etwas, das gruselig ist, und etwas, das mir etwas über mich selbst sagt. Das sind die Punkte, an denen ich weitergrabe. Das Ganze ist wie ein Puzzle. Es ist eine Herausforderung, aber im positiven Sinne, eine, die mich weitermachen lässt.

GL.de: Die langen Pausen zwischen euren bisherigen Alben haben dazu geführt, dass alle Platten einen betont eigenen Sound hatten. Dieses Mal war nicht nur der Abstand deutlich kürzer, ihr scheint auch nicht zwanghaft versucht zu haben, eine grundlegend andere Klangfarbe für "Sky Is Mine" zu finden.

Liela: Ja! Wenn du die Erfahrung und die technischen Voraussetzungen in Reichweite hast, merkst du schnell, wie viel du heutzutage allein machen kannst. Als wir anfingen, wussten wir natürlich viel weniger über Dinge wie Studiotechnik, und deshalb haben wir in der Vergangenheit oft lange Wartezeiten gehabt, bis unser Wunschproduzent für uns Zeit hatte, das richtige Studio frei war oder ein Label bereit war, uns das nötige Budget zur Verfügung zu stellen. Die Warterei macht das Ganze ziemlich businessmäßig und du entfernst dich dabei ziemlich weit von deinen natürlichen künstlerischen Impulsen. Heute besitzen wir dagegen Erfahrung und können vieles selbst machen. Olly hat sich richtig in die Aufnahmetechnik reingekniet und weiß inzwischen wirklich, was er da tut, außerdem macht er sich auch in puncto Mixing schlau, und Toby lernt mehr und mehr über Produktionstechnik. Also haben wir irgendwann einfach gesagt: Fuck it, lass es uns jetzt angehen, auf wen sollen wir noch warten? Ganz abgesehen davon: Wie groß muss das Budget schon sein, wenn wir alles selbst machen? Uns wurde einfach klar, dass wir ein Album inzwischen durchaus ohne Hilfe von außerhalb stemmen können!

GL.de: Trotzdem macht ihr die Musik ja nicht nur für euch selbst, sondern wollt auch Alben verkaufen. Weil ihr die Platte auf eurem eigenen Label herausbringt, hattet ihr die Entscheidung selbst in der Hand, eine Plattenfirma hätte euch allerdings vermutlich gesagt, dass die neue Platte zu schnell kommt...

Liela: Wir haben uns entschlossen, das Album einfach aufzunehmen und uns erst anschließend Gedanken darum zu machen, wie wir es veröffentlichen und vertreiben. Als die Platte im Kasten war, sind wir dann an das gleiche Team herangetreten, das uns bei "Kin" unter die Arme gegriffen hatte, und haben gesagt: "Guckt mal, hier ist schon das nächste Album. Zu früh, oder was meint ihr?" Glücklicherweise hatten sie genau den richtigen Enthusiasmus zu sagen: "Lasst es uns angehen!" Man muss allerdings auch festhalten, dass es obwohl, oder gerade weil der Markt mit Veröffentlichungen so gesättigt ist, heute eigentlich keine strikten Regeln mehr gibt, was man machen kann oder sollte, um erfolgreich zu sein. Egal, was du tust, so etwas wie garantierte Verkäufe gibt es heute nicht mehr. Deshalb haben wir uns entschieden, einfach produktiv zu bleiben - und wir haben ein Team gefunden, das da mit uns auf einer Wellenlänge ist.

GL.de: In einem der ersten Interviews zu "Sky Is Mine" hast du einem englischen Magazin gesagt, dass es keine großen Unterschiede zwischen "Kin" und dem neuen Alben gibt. Allerdings scheinen dieses Mal die Performances wieder mehr den Mittelpunkt zu bilden, nachdem bei "Kin" eher die Produktionstechnik im Vordergrund stand, oder?

Liela: Ja, das ist gut beobachtet. Wir haben dieses Mal in der Tat wieder mehr zusammengespielt und das Ergebnis ist etwas freier als "Kin". Bei der letzten Platte haben wir uns viel mehr Gedanken um die Arrangements gemacht, dieses Mal haben wir einfach Sachen ausprobiert, und wenn es sich richtig anfühlte, dann wurde es beibehalten. Dieses Mal spielte das richtige Bauchgefühl eine größere Rolle als irgendwelche Kopfarbeit. Es ging uns viel mehr als bei der letzten Platte um Intuition. Wir mussten nie auf die Uhr schauen, und das hat dazu geführt, dass wir in unserer Herangehensweise freier waren und uns öfter getraut haben, Konventionen über Bord gehen zu lassen. Wir haben das Tempo, das wir dieses Mal vorgelegt haben, als sehr befreiend empfunden!

Weitere Infos:
thedukespirit.com
facebook.com/thedukespirit
twitter.com/dukespirit
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Pressefreigabe-
The Duke Spirit
Aktueller Tonträger:
Sky Is Mine
(Ex Voto Records/Alive)
 

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