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08.06.2018
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LAURA CARBONE

Cool Noir

Laura Carbone
Als "Berliner Dark-Starlight" wird Laura Carbone etwas umständlich und widersprüchlich in der aktuellen Presse-Bio einsortiert. Und dann ist doch wieder etwas dran an dem Ausdruck, denn obwohl die Gute auch auf ihrem zweiten Album unter eigenem Namen - "The Empty Sea" - nicht unbedingt fröhliche Töne anschlägt, hält sich das mit der Düsternis dann auch wieder in Grenzen, denn Laura Carbone - die Person - strahlt dann irgendwie auch wieder von innen heraus; selbst dann, wenn sie ihre Sonnenbrille aufsetzt - was sie für gewöhnlich tut.

Wahrscheinlich gehört sie zu jener Spezies von Künstlerinnen, die ihre ganzen negativen Energien, Selbstzweifel und Launen in den eigenen Songs verbraten und dann vergleichsweise ausgeglichen durch das Laben gehen können. Und cool. Aber vielleicht noch mal der Reihe nach: Bevor Laura Carbone 2014 mit der EP "Stigmatized" erstmals unter eigenem Namen ins Licht der Öffentlichkeit trat, war sie von 2013 als Frontfrau der deutschsprachigen Band Deine Jugend unterwegs. Es folgte dann nach der EP eine erste LP namens "Sirens", auf der Laura dann mit eigenen, englischsprachigen Songs, einem wesentlich abrasiveren, rockigeren Sound und düsteren Tönen reüssierte. Was hat denn zu diesem Schritt geführt? "Na ja - das mit den deutschen Sachen ist ja gefühlt hundert Jahre her", meint Laura, "ich war ja mal in einer Band, die Die Jugend hieß und tatsächlich auf Deutsch war und das war alles sehr von den 80ern inspiriert - also Ideal und alles, was es da so gab. Aber man wird ja älter und Geschmäcker ändern sich und man sucht nach neuen Herausforderungen und dann war es für mich auch deswegen ganz einfach, auf Englisch zu singen, denn es ist sehr schwierig, auf Deutsch große Melodien zu singen - so wie wir das gemacht haben - ohne dass es gleich 'schlageresk' klingt. Ich finde, seit ich ins Englische gewechselt bin, ist das sofort weg. Niemand - vor allen Dingen nicht ich - hat mehr diesen Gedanken - und ich kann viel freier Melodien komponieren."

Welche Funktion haben denn Texte in diesem Kontext für Laura Carbone? Denn gerade auf der zweiten Scheibe sind so viele Effekte auf den Vocals, dass man die Texte kaum noch verstehen kann. "Was?", meint Laura erstaunt, "auf der Stimme ist dieses Mal nur Hall. Jedenfalls sind wesentlich weniger Effekte auf den Stimmen, als auf der ersten Scheibe. Vielleicht sind die Vocals ein bisschen leiser, aber auf jeden Fall sind weniger Effekte drauf. Das war mir auch sehr wichtig, denn dieses Album sollte sehr roh, live und unverzerrt klingen. So wie es eingespielt wurde, wollte ich das auch auf der Scheibe haben. Das mal zum einen! Und natürlich sind die Texte für mich wichtig. Gerade dieses Album 'The Empty Sea' war für mich sehr schwierig zu Schreiben - weil es viele Fragen hervorgerufen hat und dementsprechend werden diese aufgerufen und andere geklärt." Sind das dann Fragen persönlicher Natur? "Ja, das auch", bestätigt Laura, "und Fragen in Bezug auf das Leben. Ich habe mir auch ganz viele essentielle Fragen gestellt. Es hat sich alles so angestaut und dann 'Boom' gemacht. Da muss man sich ein paar Dinge fragen. Die erste Frage, die ich mir gestellt habe, war etwa: 'Möchte ich überhaupt ein zweites Album machen?' Und das war meine essentielle Frage: Was will ich überhaupt? Was sind meine Wünsche? Was macht mich glücklich?" Und ist das vielleicht die See - wie dann der Titel des Albums nahelegt? "Hm", überlegt Laura, "die Fotografie, die auf dem Album-Cover ist, habe ich 2015 in Sizilien gemacht, als ich am Strand war." Das wundert nicht, denn schließlich hat Laura auch italienische Wurzeln. "Ich war damals so komplett eingenommen von dem, was ich gesehen habe, dass ich versucht habe, das photographisch festzuhalten. Die Szenerie mit dem Meer und den Steinen hat so eine ganz krasse Ruhe ausgestrahlt und mich unglaublich beruhigt und ganz arg runtergebracht haben. Das Bild hatte ich aber schon fast vergessen, bis im Verlaufe der Produktion des neuen Albums ein paar Dinge passiert sind, die mich dazu bewogen haben, ein paar bestimmte Lieder zu schreiben - wie zum Beispiel 'The Empty Sea'. Da habe ich dann wieder dieses Bild aus Sizilien vor meinem Auge gehabt, das ja Jahre vorher entstanden ist und ich dachte, dass das so eine krasse Essenz sei, die mich so beruhigen kann, dass ich so etwas immer bei mir bräuchte." Ja gut - aber woher kommt denn überhaupt das Meer-Thema? "Also keine Ahnung wo das anfing. Ich habe irgendwann dieses Bild gemacht und dann kam diese Textzeile zu mir und dann dachte ich auch an das Märchen der Gebrüder Grimm 'Die wahre Braut'. Darin geht es um eine Prinzessin, die von einer Hexe gefangen wird und um sich zu befreien, bestimmte Aufgaben lösen muss. Eine davon ist, einen See mit einem Löffel zu leeren, der aber lauter Löcher hat. Ich habe mich so oft in dieser Prinzessin wiedergefunden, als es darum ging, dieses Album zu machen, dass ich öfter dachte, dass ich gar kein zweites Album mehr machen wollte. Das See-Bild hat mich dann immer dazu bewegt, weiter zu machen."

Laura Carbone
Ist das der Grund, warum das Album insgesamt ruhiger ausgefallen ist, als das erste? "Echt?", fragt Laura - schon wieder erstaunt, "ich finde, dass es auf dem Album so viele Stücke gibt, bei denen ich geradezu auf das Feedback gewartet hat, das dann losbricht." Okay - so kann man das auch sehen. Geht es denn vielleicht darum, Spannung aufzubauen, indem die Stücke eher ruhig beginnen? "Spannung ist mir unfassbar wichtig", begeistert sich Laura, "meine Intention war, Songs zu schreiben, von denen nicht gleich jeder weiß, dass es jetzt gerade gute Laune oder Happy oder sonst was ist, sondern dass ich weiß: In einer Minute kommt das Feedback von links in mein Ohr - und das macht etwas mit meinem Gehirn, von dem ich annehme, dass es Hörer gibt, die mehr als das Offensichtliche hören und die sich genauso über das Feedback freuen wie ich. Für mich war das auch eine Möglichkeit, die Stimmung sichtbar zu machen, in der ich mich befunden habe, als ich das Album geschrieben habe." Das Feedback löst dann die Spannung auf? "Neee", zögert Laura, "manchmal ist es einfach wie mehr Benzin ins Feuer zu gießen. Es ist aber eine Frage, die jeder für sich selbst entscheiden muss." Wie gestaltete sich denn die musikalische Entwicklung des Albums - das ja mit neun Stücken relativ kurz geraten ist? "Ich habe unfassbar viel für das zweite Album geschrieben", berichtet Laura, "27 Stücke waren das. Ich war aber sehr hart mit mir selbst, als es an die Auswahl ging, denn ich wollte keine Filler und ich wollte nicht skippen wollen, wenn ich das Album selbst höre. Ich habe mich gefragt: Welche Songs sind für mich der Soundtrack der Jahre, die ich durchgemacht habe, um zu diesem Album zu kommen? Für mich hat das dann genau so gepasst."

Gibt es da irgendwelche Vorlieben den Stil betreffend - oder ist es Zufall, dass da Vorbilder wie zum Beispiel die Doors, Boss Hog, The Cure oder auch PJ Harvey durchschimmern (mit der Laura ja immer wieder verglichen wird)? "Also dazu muss ich sagen, dass ich denke, dass man technisch einen Tick besser sein müsste als ich, um sich hinsetzen zu können und zu sagen: 'So, ich schreibe jetzt ein Lied, dass klingt wie die Cure' und das dann auch genau so eine Atmosphäre transportiert und dann auch noch authentisch ist. Ich glaube, es ist einfach passiert, dass man Inspirationen heraushört, was ich auch gar nicht schlimm finde. Allerdings habe ich immer Kopfhörer auf, wenn ich Songs schreibe und dann die Gitarre direkt am Interface habe, so dass ich die Möglichkeit habe, auch immer gleich am Sound zu drehen, wenn ich ein Stück schreibe. Dann repräsentiert dieser Sound des Demos die Stimmung in der ich mich gerade befinde. Was dann aus dem Demo wird, wenn wir im Studio sind, ist dann wieder eine andere Sache." Das heißt aber doch, dass der Sound schon ein Bestandteil des Songwriting-Prozesses ist, oder? "Absolut - ich brauche das sogar", bestätigt Laura, "ich hatte zudem das Glück, mit Christian Bethke als Produzenten zusammenarbeiten zu können. Er hat das aufgenommen und er hat mir bei der Produktion geholfen. Und er ist so ein Soundgenie. Ich habe ihm meine Amateur-Demos gezeigt, die ich zu Hause auf Garageband aufgenommen hatte und ihm dann gesagt: 'So ist die Stimmung - ich könnte mir aber vorstellen, dass es sich auch so oder so anhören könnte.' Immer wenn ich zu ihm gesprochen habe, habe ich über Gefühle zu ihm gesprochen. Ich habe ihm gesagt: Die Gitarre muss mir dieses oder jenes Gefühl geben. Ein Tontechniker in einem großen Studio guckt dich dann normalerweise mit großen Fragezeichen in den Augen an und fragt sich, was ich meine. Christian hat aber immer dann gleich Amp XY mit diesem und jenem herauszaubern können und mir dann zwei, drei Optionen aufzeigte, wie wir das erreichen könnten."

Okay - wie geht es denn jetzt weiter mit Laura Carbone? Es gibt doch jetzt hoffentlich keine neue Sinnkrise, oder? "Oh Gott - ich hoffe nicht, weil so etwas sehr anstrengend ist", stöhnt Laura, "ich glaube, meine Midlife-Crisis ist jetzt hinter mir - man weiß es ja nie. Ich bin jetzt erst mal so dankbar, dass das Album rauskommt. Ich habe gelernt, dass auch jemand wie ich als Planliebhaber Veränderungen annehmen muss und dankbar sein sollte für das, was das Schicksal für einen bereit hält. Ich mir vorgenommen, so offen wie möglich zu sein und nur noch Plan Bs planen." Nun - eigentlich braucht es doch sowieso nur einen Plan im Leben - und das ist dann eben Plan B. "Ja, das stimmt!", pflichtet Laura abschließend bei.

Weitere Infos:
www.lauracarbone.com
www.facebook.com/lauracarboneofficial
www.instagram.com/lauracarbone_
www.youtube.com/channel/UC8hHoX_GWnnOk3VUv5RH3jA
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Laura Carbone
Aktueller Tonträger:
Empty Sea
(Duchess Box/H'art)
 

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