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20.03.2020
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MY UGLY CLEMENTINE

Originell und ehrlich

My Ugly Clementine
Eigentlich ist die Blütezeit der sogenannten Supergroups ja schon lange Zeit vorbei. Nun ist das aber so, dass in der letzten Zeit gerade die österreichische Indie-Szene dermaßen viele interessante Projekte hervorgebracht hat, dass es fast schon automatisch zu einer Supergroup kommt, wenn sich Musiker(innen) aus verschiedenen Bands zusammenfinden, um gemeinsam in einer eigenen Combo zu musizieren. In dem vorliegenden Fall war es so, dass Sophie Lindinger - ihres Zeichens eine Hälfte des E-Pop-Projektes Leyya - einige Songs geschrieben hatte, die sich nun wirklich nicht für die Darbietung mittels elektronischen Mitteln eigneten, und sich dann eine "Rockband" zusammensuchte, die nun aus Mira Lu Kovacs (5K HD, Schmieds Puls), Kathrin Kolleritsch (Kerosin95) und Nastasja Ronck (Lucid Kid) besteht - und fertig war My Ugly Clementine, die erste bewusst gegründete, österreichische Supergroup der Jetztzeit. Allerdings ist dieses zunächst tatsächlich mal ein Projekt von Sophie, denn zum Beispiel ließ Mira Lu in einem anderen Zusammenhang fallen, dass sie in dieser Band nur eine "Handlangerin" sei.

"Ich habe das alles ursprünglich initiiert, weil ich schon längere Zeit ein paar fertige Songs rumliegen hatte, von denen ich nicht so recht wusste, was ich damit machen sollte", berichtet Sophie, "ich hatte dann die Idee, das mit einer Band aus Leuten, die ich interessant finde und mit denen ich noch nie gespielt hatte, zu realisieren. Da bin ich aus meiner Bubble herausgekommen und habe herumgefragt und mit Mira gesprochen und Kathrin auf Instagram angeschrieben. Ich habe mir dann gesagt: 'So, wir probieren das jetzt einfach mal aus'." Seit wann existiert denn diese Idee? "Unser erstes Lebenszeichen haben wir vor einem Jahr von uns gegeben und wir haben auch schon länger geprobt", führt Sophie aus, "es hat sich dann herausgestellt, dass wir alle Spaß an dem Projekt haben und jeder auch mal was Neues machen und auch in dieser Band eine neue Rolle einnehmen kann." My Ugly Clementine ist dabei aber schon eine richtige Band, oder? "Genau", erläutert Sophie, "wir haben etwa keine Frontperson als Sängerin. Jeder hat sein eigenes Spotlight - sowohl auf der Bühne, wie auch in der Band." Was hat sich eigentlich in Österreich in der letzten Zeit geändert, dass so viele interessante Acts - wie eben 5K HD, Leyya, Avec, Cari Cari oder auch Wanda und Christina Stürmer - aus dem Boden sprießen konnten? "Es hat immer schon viel in Österreich gegeben - aber man hat immer das Gefühl gehabt, dass es schwer ist, nach außen zu kommen", überlegt Sophie, "es haben einem dann gewisse Bands auch den Weg geebnet, so dass die Aufmerksamkeit auf Österreich kam. Das spricht auch dafür, dass viele Leute eben auch viele interessante Sachen gemacht haben. Ich glaube, es ist der Mut zur Innovation und der Mut zu sagen, dass wir in Österreich auch unser Ding machen können. Man muss sich heute auch nicht mehr an dem orientieren, was vor fünf Jahren oder was in anderen Ländern funktioniert hat. Insbesondere Österreicherinnen haben dann erkannt, dass sie ihr eigenes Ding machen müssen - und das das originell und ehrlich ist."

Wie bereits gesagt, hätten die MUC-Songs ja nicht zu dem Leyya Projekt gepasst. Was war für Sophie dabei ausschlaggebend? "Der Zugang ist ein ganz anderer", überlegt sie, "wenn wir bei Leyya Songs schreiben, dann arbeiten wir (also Sophie und Tobias Wöhrer) immer zu zweit und verwenden dann auch Synthesizer und organische Instrumente. Es gibt dann ein ganz anderes Mindset, als wenn man alleine arbeitet. Man weiß dann schon, ob ein Song zu einem Projekt passt oder nicht - da entwickelt man ein Gefühl für. Für MUC habe ich mich ganz klassisch mit der Gitarre hingesetzt und einfach Songs geschrieben." Gehört dazu auch, dass die MUC-Songs inhaltlich stärker ausgeprägt sind, als die Leyya Songs? "Also grundsätzlich schreibe ich meine Texte schon so, dass sie Sinn machen und das man damit arbeiten kann", zögert Sophie, "ich schreibe selbstreflektierend und -verarbeitend. Aber natürlich ist es bei MUC einfacher, den Fokus auf den Text zu legen, weil auch die Musik das zulässt. Bei Leyya gibt es doch sehr viel mehr Klang und Sound."

My Ugly Clementine
Was will uns der eigenartige Projektnamen sagen? Gibt es über die Wortspielerei mit "My Funny Valentine" und "My Darling Clementine" hinaus noch eine andere Bedeutung? "Der Bandname ist eigentlich aus einer Spielerei entstanden", gesteht Sophie, "es gab viel 90er Vibes - mit 'My Bloody Valentine' was vielleicht unbewusst eine Rolle spielte." "Es macht nicht viel Sinn und lässt viel Raum für Spielchen offen", ergänzt Nastasja, "es ist schon witzig - aber keine große Erleuchtung oder sowas." Die Musik von My Ugly Clementine bedient das ehrenwerte Genre des gitarrenorientierten Power-Pops. Rock- und Grunge-Elemente, griffige Hooklines, Riffs und Grooves und memorable Melodien und Refrains bieten da einiges an Unterhaltung. Was hat MUC denn musikalisch inspiriert? "Wir sind einfach alle vier in unserer Teenager-Zeit mit dieser Musik aufgewachsen", erläutert Sophie, "das war eine Musik, die uns Anfang der 2000er geprägt hat und die Idee war, dieses Gefühl wieder ein wenig hervorzurufen. Ich will mich so fühlen, wie ich mich damals gefühlt habe, als ich diese Musik gehört habe und dafür schreibe ich Songs, die das wieder auslösen." "Es verbindet uns auch, mit dieser Musik aufgewachsen zu sein", ergänzt Nastasja, "es geht aber nicht darum, die 90er wieder auferstehen zu lassen. Wir wollen schon etwas Neues und Gutes machen." Sophie hat das Album auch selbst produziert. Welchen Anspruch hatte sie dabei? "Der Anspruch war, Musik zu produzieren, die anders war als alles, was ich bisher so gemacht habe", führt sie aus, "es sollte Musik sein, die mit ganz wenig auskommt - mit Gitarre, Bass, Drums und Gesang. Es sollte keine Spielereien geben, sondern ich wollte zurück zu den Basics. Wenn man sich selbst bewusst ein wenig limitiert, dann wird man auch kreativ. Wenn man nämlich nicht alle Möglichkeiten hat, dann muss man eben sehen, wie man zum Beispiel mit einer Gitarre genau jene Melodie hinbekommt, die man gerade im Kopf hat. Das ist schon eine witzige Arbeit, denn ich habe mir das vorher nicht überlegt, sondern einfach mal ausprobiert - zum Beispiel einfach mal Schlagzeug eingespielt, denn ich komme schon von diesem Beat-Machen her - was ich dann aber analog umgesetzt habe." So kann man ja auch in einem eigentlich definierten Genre zu einer eigenen Identität finden.

Wonach suchte dann aber die Songwriterin Sophie Lindinger in diesem Setting? "Ich kann generell sagen, dass für mich gute Songs solche sind, die man spürt", definiert Sophie, "ob textlich, melodisch oder arrangementmäßig - für mich ist es wichtig, den Song zu spüren. Ich höre selbst auch gerne auf Texte - also sind mir Texte extrem wichtig. Wenn ein Text ehrlich ist, ist das etwas, womit ich mich auch identifizieren kann. Ich mag aber auch Songs, die man niederbrechen kann - die man nur auf der Gitarre spielen und so singen kann und die dann trotzdem noch funktionieren. Ich mag ehrliche, gestandene Songs. Ich mag es zwar auch, wenn Arrangements oder Vocals herausstechen, aber ich bin tatsächlich eher ein Fan von Minimalismus. Wenn es zu viel und zu pompös wird, ist mir das zu fad. Ich habe dann das Gefühl, dass sich da was verstecken will - deswegen mag ich es, wenn ein Song in einem minimalistischen Outfit wirken darf." Mal abgesehen davon, dass es wahrscheinlich viel Spaß macht, stellt sich die Frage, warum My Ugly Clementine mit abwechselnden Lead-Vocals arbeiten? "Das hängt mit dem anderen Zugang zusammen", erklärt Nastasja, "Sophie hat die Songs zunächst mal selbst eingesungen und sich dann verschiedene Personen ins Studio geholt, um zu sehen, wie der Song noch klingen könnte. Es ging nicht darum zu sehen, was besser oder schlechter ist, sondern um zu sehen, was noch möglich ist. Bei der Single 'Never Be Yours' war es dann zum Beispiel so, dass Kathrin ins Studio gekommen ist und das eingesungen hat und plötzlich hatte der Song eine andere Energie. Es ging darum, dem Song durch eine andere Stimme ein anderes Potential und eine andere Farbe zu geben." "Das ist es ja auch, was dieses Projekt auszeichnet: Diese Vielfalt und diese Möglichkeiten, die wir haben", ergänzt Sophie, "wenn man diese Möglichkeiten hat, dann spielt man auch damit und deswegen sehen wir uns auf der Bühne auch alle als gleichwertig an, brauchen keine Frontperson und teilen uns auch die Songs."

Was ist denn - als Fazit - der wichtigste Aspekt für Sophie selbst an dem Projekt My Ugly Clementine? "Das Wichtigste an dem Album ist, dass die Leute das gerne hören", formuliert Sophia, "und wichtig ist auch, dass sich diese Energie, diese Message vermittelt, dass es stark macht, es zu hören, dass es stark macht, auf unsere Konzerte zu kommen, dass eine große Community entsteht, die zusammen mit unserer Band das Empowerment - das Vitamin C sozusagen - feiert und die gemeinsam an einem Strang zieht."

Weitere Infos:
www.facebook.com/myuglyclementine
myuglyclementine.com
www.instagram.com/myuglyclementine
www.youtube.com/channel/UCS5m6uk0Jd0G1aikYPuxBIA
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Hanna Fasching-
My Ugly Clementine
Aktueller Tonträger:
Vitamin C
(Ink/Rough Trade)
 

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