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30.03.2020
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BASIA BULAT

Liebe am offenen Herzen

Basia Bulat
Dass es immerhin fast vier Jahre dauerte, bis die Kanadierin Basia Bulat mit ihrem fünften Album "Are You In Love?" fertig wurde, hat einen konkreten Hintergrund, denn zum kreativen Prozess gehörte dieses Mal eine mehrmonatige Phase der Reflektion und Selbstfindung und eine Reise ins kalifornische Joshua Tree und wohl auch ins eigene Innere. Arbeitslos war Basia während dieser Zeit aber natürlich nicht. Zum einen arbeitete Basia - und ihr musikalischer Partner Jim James, der sie auch beim Song-Schreiben unterstützte - in den Hi Dez Studios in Joshua Tree an der musikalischen Ausrichtung des neuen Materials und zum anderen arbeitete Basia auch am neuen U.S. Girls-Album "Heavy Light" ihrer Seelenfreundin (und Brautjungfer) Meg Remy mit.

"Ja, ich war sehr glücklich, dass ich dabei mitmachen konnte", berichtet Basia, "Meg hat da eine erstaunliche Gruppe von Leuten versammelt. Ich war am Songwriting beteiligt und ich habe Musiker in Montreal zusammengetrommelt und selbst Piano gespielt. Das Album wurde live eingespielt und es war eine große Ehre für mich, daran mitwirken zu können, denn Meg ist ja auch meine Trauzeugin gewesen." Irgendwie scheint Basia dabei einen mäßigenden Einfluss auf die avantgardistischen Ambitionen von Meg gehabt zu haben, denn das neue "Heavy Light" klingt sehr viel poppiger und zugänglicher als die bisherigen U.S. Girls-Alben. Während Basia selbst ja noch nie ein Problem mit poppigen und zugänglichen Songs hatte, klingt dennoch auch ihr eigenes, neues Album anders als die vorangegangenen. Und zwar in dem Sinne, dass es ruhiger und gelassener daher kommt als die letzten Werke. "Als ich mit den Arbeiten an dem Album begann, hatte ich das Ziel, mal ein ganzes Album zum Thema Empathie und Mitgefühl zu machen", berichtet Basia, "Jim James, mein musikalischer Partner fand, dass das eine gute Idee sei - weil wir mehr Songs über Liebe und Mitgefühl heutzutage sicher gut gebrauchen könnten." Das birgt aber gewiss auch gewisse Risiken, oder? "Ich bin sehr zufrieden, wie die Leute bislang auf meine Songs reagierten", zögert Basia, "weil sie diese ja auch einfach als eine Art von kitschigem Schmalz hätten abtun können. Ich mag ja manchmal selbst Kitsch und Schmalz - war aber weniger überrascht als erfreut darüber, dass die Leute tatsächlich Songs über die Liebe auch hören wollen." Und wie ist Basia das Ganze dann angegangen? "Nun, es ging mir darum, auch die negativen Aspekte des Themas zu bedenken", führt Basia aus, "und somit wollte ich Liebe und Mitgefühl für Leute in ihrem besten und schlechtesten Selbst zum Ausdruck bringen. Der einzige Weg das zu tun, ist die Augen und das Herz zu öffnen." Warum war es denn notwendig, sich für dieses Thema in die kalifornische Wüste zurückzuziehen? Schließlich ist diese ganz schön weit von der kanadischen Heimat entfernt und sicherlich hätte es doch auch in Kanada selbst genügend Möglichkeiten gegeben, sich räumlich zurückzuziehen. "Das hatte mehrere Gründe", verrät Basia, "zum einen hatte ich die Liebe für mich entdeckt und jemanden gefunden, mit dem ich zusammen sein konnte - andererseits war dieses aber auch die bisher schwierigste Phase meines Lebens, weil ich auf der anderen Seite geliebte Personen wie meinen Vater verloren hatte und mich auch mit den Themen Trauer und Verlust aber auch Dankbarkeit auseinandersetzen musste. Was mir half, damit umzugehen, war etwas zu machen, was ich bislang noch nicht getan hatte. Ich beschloss also, Abstand zu gewinnen - und deswegen gab es diesen Trip nach Joshua Tree. Auch um Abstand von der Musik zu gewinnen und dem Erwartungsdruck etwas kreieren zu müssen, entgegenzutreten." Ging es dabei auch darum, dass Joshua Tree ja auch ein mystischer Ort ist? "Auf jeden Fall", bestätigt Basia, "und ich weiß, dass das wie ein Klischee klingt. Ich hatte aber damals keine Angst von der Liebe und ich wollte auch keine Angst vor Klischees haben. Wenn alles aufrichtig ist, gibt es ja auch keine Klischees. Joshua Tree ist ein sehr ungewöhnlicher Ort, weil die Bäume, die es dort gibt, nur an diesem Ort wachsen können und das sehr langsam tun. Nur wenn es dort schneit, entwickeln sie neue Zweige - und das ist sehr selten dort. Ich fand auch, dass das eine schöne Metapher war, für das, was wir dort machten. Und dann noch etwas: Ich komme ja aus Toronto - der größten Stadt Kanadas - und Orte wie die Wüste sind mir sehr fremd. Was ich an Joshua Tree mochte, war der Umstand, dass ich gezwungen war, mir selbst zuzuhören."

Eine konzeptionelle Frage sei dann an dieser Stelle erlaubt: Wenn es Basia also darum ging, mit ihrem Besuch in Joshua Tree eine Distanz zu ihrer gewohnten Umgebung herzustellen: Wie passt dann ein Song namens "Homesick" in dieses Konzept? "Na, das ist ein Song darüber, dass man einfach nicht aus seiner Haut kann - egal, was man auch versucht", lacht Basia, "es geht dabei auch um ein spielerische Auseinandersetzung mit dem Thema. Ich habe mit dem Song begonnen, um das Gefühl, nicht dazuzugehören zu thematisieren. In dem vorangestellten Song 'Light Years' geht es hingegen um das Gefühl, sein zu können, was man sein möchte - egal, wie man aussieht und egal, was die Leute von dir denken. Wenn man an sich selbst glaubt, findet man seinen Platz im Leben. Und 'Homesick' sagt aus, dass es auch okay ist, wenn man eben nicht dazu gehört. Manchmal ist das Leben eben absurd. Und dann ist es auch okay, sich absurd zu fühlen." Was gibt es denn auf der musikalischen Seite Neues zu berichten? Basia ist ja auch eine vielseitige Musikerin und spielt neben Gitarre und Keyboard ja auch ziemlich virtuos Autoharp. "Aber dieses Mal nicht so sehr", schränkt sie ein, "es gibt eine Menge Gitarre und eine Menge Keyboards - und ich spiele ein wenig echte Harfe. Ich habe ein wenig keltische Harfe geübt. Das gehörte zu diesem zufälligen Charakter, den wir angestrebt haben, denn wir haben zum Beispiel auch viel draußen aufgenommen, wie etwa den Wind, den wir dann als zusätzliches Element mit eingebaut haben, so dass die Landschaft zu einer Art Mitspieler in den Prozess werden konnte." Hm - es gibt doch gar keine Field Recordings auf dem neuen Album? "Es ging auch weniger um Field Recordings als vielmehr darum, diese Aufnahmen wie Instrumente zu handhaben. Wir haben zum Beispiel diese Aufnahmen durch ein Gitarren-Effektgerät gejagt und das klang dann wie eine eigene Melodie mit einer eigenen Richtung und einem eigenen Weg - und beides konnten wir ja nicht beeinflussen, was gerade das Schöne daran war. Das klingt zuweilen geradezu außerweltlich."

Die neuen Songs kommen ja fast im konventionellen Torchsong-Setting daher. War das das Ziel von Basia und Jim James? "Nein - das ist einfach so passiert", meint Basia, "als ich an den neuen Songs schrieb, habe ich viel klassische Songwriterinnen gehört - wie Dolly Parton, Emmylou Harris oder Minnie Ripperton - aber auch Primal Scream. Das war alles ein wenig zufällig. Es waren aber viele Liebeslieder dabei. Am stärksten hat mich dabei wohl Dolly Parton beeinflusst. Sie braucht ja nur zu niesen und dann entsteht schon ein klassischer Song. Ich liebe, was sie macht und vielleicht färbt das ja auch ein bisschen auf mich ab - ich bin mir nicht sicher." Hört Basia also Musik, um sich inspirieren zu lassen, wenn sie an eigenem Material arbeitet? "Nein - eher als Energiequelle", lacht sie, "ich könnte ja auch nicht mal dann etwas kopieren, wenn ich es versuchen würde. Es passt dann nichts zusammen und es entsteht ein eigenes Genre. Ich denke ich bin in dieser Beziehung hoffnungslos ich selbst." Es geht ja nicht um die Frage, ob Basia etwas kopieren möchte. Aber generell sind andere Songwriter doch sicherlich eine Inspirationsquelle. "Ja sicher", bestätigt sie, "ich mag ja dieses klassische Format. Als mein Vater verstarb, besuchte ich zufällig ein Konzert von Paul Simon auf seiner letzten Tour. Er hat ja so viele Songs, mit akustischer Gitarre - und das interessierte mich musikalisch zu jener Zeit. Natürlich hätte ich auch ein Metal-Album machen können - aber das war nicht, was mir mein Körper zu jener Zeit sagte." Nun ja - und ein Metal-Album wäre ja auch weniger geeignet gewesen, sich zum Theme Empathie und Mitgefühl zu äußern. Da ist es dann schon besser, dass Basia nach der Liebe fragt.

Weitere Infos:
www.basiabulat.com
www.facebook.com/BasiaBulat
www.youtube.com/watch?v=fWEBBa3ogZc
www.youtube.com/watch?v=o7ElOrJ0QSE
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Richmond Lam-
Basia Bulat
Aktueller Tonträger:
Are You In Love?
(Secret City/Rough Trade)
 

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