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01.05.2020
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FAIRA

Reden wir!

Faira
So richtig langweilig dürfte es Sophia Spies eigentlich nicht so schnell werden. Denn die gebürtige Pforzheimerin, die nun unter ihrem Projektnamen Faira das lang ersehnte, offizielle Debütalbum "The Talk" vorlegt, ist nicht nur als Songwriterin, Produzentin und Performerin unterwegs, sondern auch als visuelle Künstlerin und nicht zuletzt als studierte Kostümbildnerin in ihrer Wahlheimatstadt Köln. Nachdem Sophia bereits im Alter von 13 Jahren begann, mit ihrem Bruder Leonhard zusammen Musik zu machen, veröffentlichte sie 2006 erste eigene Stücke und realisierte 2013 das dreiteilige Debüt-Album-Projekt "p of phi". Das waren aber zunächst mal erste Gehversuche.

Es folgten dann zwischenzeitlich ein Modestudium an der Hochschule für Gestaltung in Pforzheim und diverse "Straßenmusik-Reisen" durch Deutschland und auch nach Lissabon, wo sie dann sozusagen nach dem Motto "Learning By Doing" musikalisch weiterbildete. Seither ist sie mit Faira sowie als Bassistin der Kölner Band Infant Finches und auch als Gastmusikerin bei Tracks der Acts Hior Chronik und Memum musikalisch aktiv und spielte nun, unter der technischen Leitung von Hanno Kahl das Album "The Talk" im Kölner Bex-Studio ein - das sie allerdings selbst mischte. Darauf zu hören gibt es einen faszinierend eigenständigen Mix aus Folk-, Indie- und Kammerpop-Elementen, die sie in lyrisch/poetisch geprägten und betont komplex angerichteten, fragilen Songs anrichtet. Neben Bruder Leonhard ist auch ihre Schwester Nathalie als Geigerin und Sängerin an dem Faira-Projekt beteiligt. Das legt nahe, dass Sophia aus einer musikalischen Familie kommt, oder? "Ja, mit meinem Bruder spiele ich ja schon zusammen, seit ich 13 bin und meine Schwester spielt die Geige und singt - aber erst seit ich in Köln wohne und hier als freiberufliche Kostümbildnerin arbeite", berichtet Sophia, "die Musik ist aber meine eigentliche Passion. Das Modestudium habe ich gemacht, weil es sich vernünftiger anfühlte, mein Geld mit etwas zu verdienen, woran mein Herz nicht so sehr hängt. Natürlich macht mir das auch Spaß und das Interesse am Zeichnen und Entwerfen war auch schon immer da, ich denke aber, dass ich viel verloren hätte, wenn ich Musik studiert hätte." Das ist was wahres dran, denn wenn man das, was man am liebsten macht, beruflich verfolgt, dann kommt ja automatisch ein wahnsinniger existenzieller Druck hinzu.

Wie ist eigentlich der eigenständige, originelle Stilmix zustande gekommen, den Sophia sich zusammengebastelt hat? Welchen musikalischen Background hat sie selber? "Als ich so 10, 11 Jahre alt war, haben wir in der Familie viel Irish Folk und keltische Musik gehört", erläutert Sophia, "meine große Schwester hat so mittelalterlichen Goth gehört, mein Bruder hat klassische Gitarre studiert. Ich habe überall so ein bisschen mitgehört und dann später CocoRosie oder Joanna Newsom entdeckt - und das war dann so der Anfang. Was ich gar nicht so viel gehört habe, ist Indie-Musik - das kam viel später dazu." Ja gut - aber das führt doch nicht automatisch dazu, dass man sich quasi eine eigene Musikgattung ausdenkt? "Ich glaube, dass - als ich angefangen hatte, selbst Songs zu schreiben - ich immer Angst hatte, dass meine Songs zu einfach wären. Sie erschienen mir nicht besonders und komplex genug. Ich habe mir das Gitarre-Spielen selbst beigebracht und konnte damals noch nicht so viel. Mir hat es auch widerstrebt, die Standard-Akkorde zu benutzen - deswegen habe ich mir von Anfang an gedacht, dass ich etwas Komplexeres und Ungewöhnlicheres machen müsste, denn ich wollte nicht langweilig sein." Obwohl Sophia viel mit der akustischen Gitarre arbeitet, kommen auf diese Weise keine simplen Folksongs dabei heraus, sondern vielschichtige, eigenwillig strukturierte und wagemutig arrangierte Kleinkunstwerke, die eben stilistisch schwer zu greifen sind - was aber zu einer faszinierend eigenständigen Identität führt. (Etwas, an dem viele Kolleg(inn)en Sophias ja zu knabbern haben). Wie geht Sophia dabei vor, wenn sie ihre Songs schreibt? "Also ich kann keine Noten lesen und kenne mich nicht aus mit musikalischen Fachbegriffen und habe überhaupt nie Musik gelernt. Ich habe das zwar mitbekommen, wenn mein Bruder geübt hat und er hat mir auch schon mal Tipps gegeben - aber ich habe nie Harmonielehre gelernt und mache es immer so, wie ich es höre und wie ich mir wünsche, dass es klingen soll. Mir ist aufgefallen, dass ich zum Beispiel bei Proben schon mal gefragt werde, ob dieser oder jener Ton so richtig sei, weil er eigentlich nicht passe. Ich habe das aber nie so gehört. Zum Glück ist es mit meiner Schwester intuitiv möglich zu musizieren - weil wir uns da einfach irgendwie verstehen." Das heißt dann wahrscheinlich, dass die Musiker Sophia dann auch intuitiv folgen müssen? "Ja, das geht in die Richtung", bestätigt sie, "der Song ist immer schon fertig, bevor ich mich mit anderen Musikern treffe. Manchmal singe ich Harmonien ein, die dann später durch Instrumente ersetzt werden."

Faira
Warum macht Sophia eigentlich Musik? "Wenn ich einen Song schreibe, merke ich immer wieder, dass das für mich ein therapeutischer Prozess ist", überlegt sie, "deswegen sind die meisten meiner Stücke auf der melancholischen Seite und entstehen auch dann, wenn es mir nicht so gut geht. Mir geht es dann darum, ein trauriges Gefühl in etwas schönes umzusetzen - was mir gut tut." Welche Rolle spielen denn die Texte in diesem Zusammenhang? Diese dürften dann ja weitestgehend autobiographisch sein, oder? "Ja", pflichtet sie bei, "ich habe zwar eine Zeitlang gedacht, dass ich mal über wichtigere Themen schreiben und eine Botschaft vermitteln müsste und es gibt auch ein paar Lieder - die ich aber noch nicht aufgenommen habe -, die eine Botschaft haben. Aber ich habe das Gefühl, dass es mir ein bisschen schwerer fällt, mich mit so etwas zu identifizieren. Mir ist es wichtiger meine Gefühle zu vermitteln. Man merkt ja auch, wenn die Menschen berührt werden - und das ist ja das Wichtigste." Dabei verwendet Sophia eine Sprache zwischen Prosa und Poesie - meistens auf Englisch, aber auch auf Deutsch. Welche Stellung nimmt die Sprache bei ihr ein? "Ich würde sagen, dass meine Texte eher einen Tagebuch-Charakter haben", überlegt sie, "manchmal entstehen Songs auch, indem ich etwas in ein Tagebuch schreibe und dann merke, dass die Worte bei mir selbst ein Bild kreieren und ich das dann in eine Form bringen will." Warum gibt es denn nur einen Song "Der Tod und das Mädchen" auf Deutsch? "Interessanterweise schreibe ich auf Deutsch eher Gedichte, von denen ich gar nicht das Bedürfnis habe, diese singen zu wollen und die ich deswegen nicht zu Musik verarbeite", führt Sophia aus, "ich habe schon noch mehr deutsche Texte und möchte das auch weiter machen. Aber ich habe das Gefühl, dass sich meine Stimmfarbe verändert, wenn ich auf Deutsch singe und im Englischen fühle ich mich, was die Töne angeht, viel freier. Bei dem Stück 'Der Tod und das Mädchen' war es aber so, dass ich das Gefühl hatte, dass ich meine Stimme dort so verwende, wie ich das im Englischen auch tue." Na ja - und das Deutsche ist ja doch viel konkreter als das Englische. "Ja, ich mag es ja auch schon auf Deutsch zu schreiben", zögert Sophia, "ich kann mich aber erinnern, wie ich ganz doll gezittert habe, als ich den Song zum ersten Mal auf der Bühne gesungen habe. Es ist ja so, dass die Leute nicht so auf die Texte hören, wenn man Englisch singt - weil sie vielleicht nicht alles verstehen oder wegen der Aussprache. Wenn man dann Deutsch singt, ist das ganz anders. Das ist halt alles viel direkter."

Was ist Sophia das Wichtigste an ihrem Album "The Talk"? "Ich finde es schön, dass ich so ein Mal eine Momentaufnahme meiner Lieder habe - in der Komplexität, wie ich das auch in meinem Kopf habe. Wenn ich meine Songs live vortrage, habe ich ja meistens nur meine Gitarre und meine Stimme - das ist aber nicht alles, was ich mir vorgestellt habe, denn es gehört viel mehr zu meinen Liedern; was ich erst so richtig spüre, wenn ich im Studio alles aufnehme und alles, was ich mir vorgestellt habe, zusammen kommt. Und was mir auch wichtig ist, ist mit meinen Geschwistern zusammen gespielt zu haben, das macht die Sache besonders." "The Talk" erscheint zunächst digital (mit analogem Booklet) via Bandcamp, Soundcloud etc. Gegebenenfalls folgt später noch ein physische Veröffentlichung - aber so etwas lässt sich in Zeiten wie diesen ja nicht so richtig planen.

Weitere Infos:
www.faira.de
faira-music.bandcamp.com
soundcloud.com/faira
instagram.com/faira.music
facebook.com/fairamusic
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Faira
Aktueller Tonträger:
The Talk
(Eigenveröffentlichung)
 

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