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22.10.2021
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KUOKO

Ruhe bewahren

Kuoko
Debüt-LPs ohne eigenen Titel sind ja gemeinhin als musikalische Visitenkarten zu verstehen. So ist das sicherlich auch mit dem Longplayer der Hamburger Songwriterin, Produzentin und Visual-Artistin Kuoko, die nach mehreren Jahren der Vorbereitung - etwa mittels ihrer zahlreichen Live-Auftritte und der Veröffentlichung von zwei EPs - nun ihr musikalisches Setting und ihr künstlerisches Konzept gefunden zu haben scheint. Trotzdem: In Zeiten, in denen Musiker(innen) scheinbar gar nicht schnell genug ihre musikalischen Ideen unter das Volk bringen können, sei doch die Frage erlaubt, warum es mehrere Jahre dauerte, bis sich Kuoko bereit fand, eine Langspielplatte in Angriff zu nehmen...

"Ich hatte eigentlich schon recht früh Material zusammen", meint Kuoko, "aber ich bin für den Anfang erst mal mit einer EP rausgegangen, statt ein Album rauszuhauen, denn ich hatte das Gefühl, dass es - ehrlich gesagt - für die Katze ist, wenn man gleich mit einem Album rauskommt. Dann verhaust du das teilweise oder verdrehst es gar. Ich fand den Weg mit den zwei EPs eigentlich nicht so schlecht. Ich habe mir halt Zeit gelassen. Ich mache ja auch alles selber und für mich ist die Produktion schon eine Sache, der ich mich gerne mit viel Zeit widme. Ich glaube, ich habe mich auch nicht so sehr unter Druck gesetzt." Was macht Kuoko denn außer der Musik noch? "Die Frage ist: Mache ich überhaupt noch etwas außer der Musik", führt Kuoko aus, "das ist nämlich nicht so. Ich bin Full-Time-Musician und Producer." Auch für andere? "Nein - bisher nicht", berichtet Kuoko, "ich habe bisher ein Theaterstück vertont - aber andere Künstler habe ich bisher nicht produziert." Wovon fühlt sich Kuoko musikalisch inspiriert? Sie hat ja eine ganz eigene, reduzierte klangliche Ästhetik entwickelt, die deutlich jenseits der aktuellen R'n'B-dominierten E-Pop-Variante angesiedelt ist. "Mein Background meinst du?", fragt sie, "als Teenagerin habe ich viel Musik mit der Gitarre geschrieben und Singer/Songwriter-mäßig Musik gemacht. Dann hatte ich irgendwann aber Lust auf etwas Neues und das weiterzuentwickeln, Musikproduktion zu lernen und mir das selber beizubringen. Das war natürlich ein Prozess von mehreren Jahren. Ich habe aber auch mal in einem Plattenladen gearbeitet und da habe ich querbeet alles gehört. Auch Jazz und Musikrichtungen, die ich gar nicht verstehe. Mich inspiriert alles, was mich emotional erreicht. Das ist nicht Genre-abhängig." Und lässt man sich da vielleicht auch von Kolleg(inn)en inspirieren? "Klar ich höre mir selber total gerne Musik an und poste gerne meine Playlists", meint Kuoko, "ich höre nur nicht so viel Musik, wie manche Leute denken mögen, weil ich - ganz ehrlich - auch gerne mal ein bisschen Ruhe brauche."

Kuoko
Wonach sucht Kuoko denn selbst musikalisch? "Ich kritisiere oft, wenn ich in den Club gehe und da tanzen will, dass vernünftige Melodien fehlen", erläutert sie, "ich finde das teilweise richtig langweilig, was da so in Techno-Schuppen läuft. Ich brauche einen emotionalen Zugang, damit mich etwas 'catched' - und der kommt bei mir hauptsächlich durch Melodien - und die entsprechende Stimme dazu. Es ist dann für mich noch ein Bonus, wenn eine Person mir über ihre Texte aus der Seele spricht." Wie kommen denn Texte und Musik bei Kuoko zusammen? "Das fließt ineinander über", erklärt sie, "ich muss aber auch sagen, dass ich nicht die Person bin, die ewig an Texten herumschraubt. Eigentlich passiert das alles recht intuitiv. Es ist aber eher so, dass erst die Melodie da ist als der Text. Es ist jedenfalls nicht so, dass ich ein Gedicht schreibe und dazu Musik suche." Entsteht Kuokos Sound vielleicht erst über ihre Kenntnisse der produktionstechnischen Möglichkeiten (über die sich viele ihrer Gitarre spielenden Kolleg(innen) oft gar nicht interessieren)? "Es gibt unterschiedliche Ansätze beim elektronischen Musik-Machen", beschreibt sie die Möglichkeiten des Prozesses, "ich habe gemerkt, dass es schnell eine abstraktere Form eines Songs gibt, wenn ich zuerst den Beat mache. Wenn sich aber alles direkt an der Melodie lang hangelt, dann ergibt sich schnell eine Songstruktur. Als ich angefangen habe Musik zu produzieren, war ich erst mal überwältigt von all diesen Möglichkeiten, so dass die Sachen, die ich damals gemacht habe, teilweise echt sehr schräg waren. Schräg ist natürlich nicht schlecht - aber es hat eine Weile gedauert, bis ich dann wieder zum Songwriting zurück gefunden habe."

Auf ihrer LP singt Kuoko öfters darüber, was sie nicht sein möchte oder was sie nicht verkörpern möchte. Hat sie denn keine Lust, mal über das zu singen, was sie denn sein möchte? "Das ist eine schwierige Frage", zögert sie, "ich finde es wichtig, zu lernen 'nein' zu sagen und auch zum Ausdruck zu bringen, worauf man keinen Bock hat. Ich glaube, das wird auch weiterhin passieren. Ich merke ja, wie sich das dann anfühlt und was sich verändert - auch für andere Leute. Dass es Leuten irgendwie aus der Seele spricht." Was ist für Kuoko dann die größte Herausforderung? "Eine sehr große Herausforderung für mich ist es am Ball zu bleiben, was meine ganze Organisation betrifft", antwortet sie, "viele denken immer, für eine Musikerin geht die Post ab - aber die Menschen vergessen oft, wie viel Arbeit das ist. Ich schreibe ja jeden Tag eMails und es fällt mir schwer, Zeiten einzurichten, in denen ich mich davon frei machen kann, denn dieses eMail-Schreiben erzeugt manchmal ein Rauschen im Kopf und Ruhe ist da für mich ganz, ganz wichtig geworden. Ich glaube zwar, dass ich in meiner Selbständigkeit als Künstlerin damit gut zurecht komme - so gewissenhaft wie ich bin -, aber gleichzeitig finde ich, dass es zwei sehr unterschiedliche Modi sind, kreativ zu sein oder Sachen zu organisieren. Und dieses Organisieren ist sehr wichtig. Klar gibt es Leute, die mir Arbeit abnehmen - mein Label Kabul Fire zum Beispiel - es bleibt aber doch immer noch viel an den Künstlern hängen." Und was ist dann auf der kreativen Ebene herausfordernd? "Ich schaffe mir künstlich Herausforderungen, ehrlich gesagt", meint Kuoko, "ich brauche Herausforderungen auch total. Wie zum Beispiel heute, als ich eine Gitarre mit auf die Bühne geschleppt habe - obwohl ich erst zwei, drei Tage damit geübt habe. Ich brauche immer ein bisschen Veränderung und neue Reize, damit es spannend bleibt. Herausforderungen sind also total wichtig. Ansonsten gehöre ich jetzt nicht so zu den Leuten, die eine krasse Blockade oder so etwas haben."

Wie geht es nun weiter für Kuoko - zum Beispiel mit dem Tourgeschäft? "Gute Frage", meint sie, "das ist ja aber auch eine Corona-bedingte Frage. Also ich bin jetzt bei einer Booking Agentur, die mega-gute Künstler im Roster hat und das ist alles im Aufbau. Ich muss mal schauen. Wir haben ja gar nicht über Corona geredet. Das war für mich zwar auch eine Herausforderung - aber nicht so sehr wie vielleicht für andere, weil ich eh immer viel allein bin. Das ist beim Musik-Produzieren sowieso ein sehr solitäres Prozedere. Ich kannte das also schon - aber das Ausmaß hat mir natürlich auch nicht gefallen. Mir fehlt schon der Ausgleich mal wieder rauszugehen und Leute zu treffen - was ich ja schon auch gerne mache. Der Unterschied zwischen Live-Konzerten und Online-Streams ist zum Beispiel einfach nicht zu beschreiben. Das muss man den Leuten noch mal deutlich sagen." Gibt es schon Pläne und Visionen für die Zukunft - oder gehört Kuoko zu der Spezies von Musikern, die sich davon treiben lassen, was die Musik möchte? "Ich glaube, das ist beides voll wichtig", überlegt sie, "ich weiß aber nicht, wieviel ich davon schon verraten möchte. Ich habe schon Visionen für ein neues Album und weiß jetzt schon langsam, welcher Song sich wie anfühlt. Es liegen auch schon ein paar Skizzen vor. Worauf ich total Lust habe sind mehr Features. Auf meinem Album habe ich ja ein paar deutsche Textzeilen der Berliner Künstlerin Douniah und ich bin auch mit einer Rapperin in Kontakt und in dieser Hinsicht wollte ich mal schauen, was geht. Das wird noch interessant. Deutsch singen wollte ich aber bisher nicht, weil das einfach nicht an das Englische rankommt. Ich schließe es aber auch nicht für alle Ewigkeiten aus. Ich bin dafür offen - aber selber Deutsch singen möchte ich zur Zeit nicht. Das fühle ich einfach nicht so." Am 27.10.2021 spielt Kuoko im Hamburger Molotow-Club ihre Record-Release Show.

Weitere Infos:
kuoko.de
www.instagram.com/kuoko_music
www.facebook.com/Kuokomusic
www.youtube.com/watch?v=i3qU80fDabI
www.youtube.com/watch?v=eD00l5Tfd1g
www.youtube.com/watch?v=gM9Nh8MFBNs
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Kuoko
Aktueller Tonträger:
Kuoko
(Kabul Fire)
 

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