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18.02.2022
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OSKA

Zwischen Vergangenheit und Zukunft

OSKA
Gerade in den letzten Jahren kamen aus dem Alpenstaat Österreich ja eine ganze Schar junger Musiker(innen), die mit Begeisterung und Kreativität frischen Wind in die Musikszene wehen ließen. Freilich stammen die meisten dieser Acts - wie etwa Cari Cari, Avec, Culk, Leyya oder 5K HD eher aus der Indie-Szene und überzeugten mit interessanten musikalischen Konzepten jenseits etablierter, konventioneller Formate. Maria Burger alias OSKA arbeitet aber als klassische Singer/Songwriterin in genau einem solchen konventionellen Format - und hat es damit vielleicht sogar schwerer als die erwähnten Kolleg(innen), da sie sich ja mit der ganzen Welt der etablierten Größen auf diesem Sektor messen muss. Sie betrachtet das aber nicht als Bürde, sondern als Herausforderung und geht die Sache - unterstützt von ihrem Produzenten Alex Pohn und nicht zuletzt vom Zuspruch von etablierten Kollegen wie Stu Larsen - mit Gelassenheit, romantischem Charme, analytischer Konsequenz und nicht unerheblichem songwriterischem Geschick an; und scheut sich dabei nicht, ihren Idolen Tribut zu zollen. Ihr nun vorliegendes, autobiographisch geprägtes Debütalbum "My World, My Love, Paris" ist dabei wohl auch das Ergebnis einer Suche nach sich selbst. Diese begann dem Vernehmen nach, als sich Maria den abgekürzten Namen ihres großen Bruders Oskar - der sie auch inspiriert hatte, es ein Mal als Songwriterin zu versuchen - als Künstlernamen aussuchte und heutzutage als OSKA unterwegs ist. (Wobei es wichtig ist, OSKA groß zu schreiben, um Verwechslungen zu vermeiden.)

Hat ihr Bruder Oskar sie denn auch an die Musik herangeführt? "Ja", führt Maria aus, "ich bin die Jüngste und mein Bruder ist der Älteste - und er ist sehr musikalisch. Ich habe zum Beispiel angefangen Geige zu lernen, weil er die auch gespielt hat und ich habe tatsächlich mit ihm zusammen mein erstes Lied geschrieben - damals noch auf Deutsch - und er hat mich darauf gebracht, dass man so etwas überhaupt machen kann. Da war ich sechs. Das ist nicht der Grund, warum ich seinen Namen gewählt habe - aber es ist eine schöne Erinnerung." Was war denn für Maria im allgemeinen die Antriebsfeder, Musikerin zu werden? "Es ist schwierig das festzumachen", überlegt Maria, "man hat ja irgendwie gar nicht die Möglichkeit, das zu entscheiden. Ich hätte mir natürlich überlegen können, etwas anderes zu machen, aber ich wusste, dass ich damit nicht glücklich werden würde. Ich habe mir früh schon gesagt, dass ich nach Wien wollte, um Musik zu machen - Straßenmusik habe ich damals gesagt. Ich weiß auch nicht, woher das kommt und vielleicht ändert sich das ja auch irgendwann - aber für mich fühlte sich das einfach richtig an." Einen Plan B gibt es also nicht? "Als Singer/Songwriter bist du ja oft viel mit dir selber beschäftigt, was manchmal sehr anstrengend ist", meint Maria, "in Zukunft möchte ich versuchen, das ein wenig zu öffnen und mich nicht so stark auf meine Gefühlswelt zu konzentrieren. Ich weiß aber nicht, wie sich das entwickeln wird." Geht es dabei darum, auch mal über etwas anderes als die eigenen Empfindungen schreiben zu wollen? "Genau", bestätigt Maria, "ich habe ja auch Lieder, die von anderen Dingen handeln. Ich glaube aber , dass es ganz wichtig ist - auch wenn man über andere schreibt oder sich eine Geschichte zusammenbastelt, die man erzählen möchte -, dass man sich darin hineinversetzen kann, denn ansonsten kann man nicht darüber schreiben. Das geht ja auch, weil man ja Mensch ist und man sich in Situationen hineindenken kann. Aber ich mache mir schon absolut Gedanken über Dinge, die es noch nicht in meine Musik geschafft haben und über die ich mal schreiben könnte. Ich glaube, es gibt da so viel Potenzial und das freut mich auch."

Einer der Songs, den Maria damit meinen könnte ist sicherlich der vorab als Single ausgekoppelte Track "Woodstock" (von dem es auch eine Version gibt, die Stu Larsen und OSKA gemeinsam singen). "Ja, das hat mit Nostalgie zu tun", führt Maria aus, "da gibt es ja dieses Foto von dem Liebespaar, das auf dem Cover des Live-Albums zu dem Woodstock-Film abgebildet ist. Ich habe eine Dokumentation über dieses Paar gesehen - und die sind heute noch zusammen. Das hat so etwas Schönes, denn solche Geschichten bekommt man ja nicht oft zu hören. Ich bin ein Mensch, der sehr in der Zukunft und der Vergangenheit lebt. Ich finde das interessant bei diesem Foto: Das wird dieses Paar überleben und es kann ihnen niemand jemals nehmen. Das ist, als wäre die Zeit stehen geblieben." Das ist ein interessanter Punkt, denn Musik ist ja die einzige Möglichkeit, über den dokumentarischen Wert etwa eines Fotos hinaus Erinnerungen festzuhalten. Und im Falle von Woodstock kam ja nun alles zusammen.

OSKA
Macht Maria denn auch aus therapeutischen Gründen Musik? "Ich glaube, das ist der Grund, warum ich Songs schreibe: Um Dinge zu verarbeiten. Meine Eltern haben sich damals getrennt als ich 12 war und Schule war für mich schwierig. Ich wollte nie Hausaufgaben machen und einfach nur Gitarre spielen, wenn ich nach Hause kam. Und diese positive Ausflucht zu haben - die andere vielleicht nicht haben -, hat mich damals schon glücklich gemacht und sicher hat es mir auch geholfen. Andere Sachen, die viele andere Jugendlichen erleben, habe ich hingegen nicht erlebt. Ich war viel alleine in meinem Raum und habe Musik gemacht. Ich glaube, es ist wichtig so etwas im Leben zu finden. Sport machen, Freunde suchen oder Musik hören etwa. Man muss ja nicht kreativ sein - aber das ist halt mein Weg und ich bin dankbar dafür." Ein anderer Grund, Songs zu schreiben kann ja auch das Thema Eskapismus sein. Vielleicht wie in OSKAs Song "Distant Universe" von ihrer Debüt-EP "Honeymoon Phase"? "Ja, ich habe auf der Oberstufe einen Professor gehabt", erklärt Maria, "das war mein Chemie-Lehrer und der meinte, dass es Parallel-Universen wahrscheinlich tatsächlich gäbe. Das ist ja schon etwas Science-Fiction-mäßiges - aber Science-Fiction ist ja auch Science. Ich habe das immer schon spannend gefunden und lese auch solche Dinge gerne. Das habe ich dann irgendwann in meinem Kopf gehabt und YouTube-Videos zu diesem Thema geschaut - und dann fand ich die Idee so spannend, dass ich Entscheidungen in meinem Leben treffe, die alles beeinflussen könnte und bei denen sich alles verändern würde, wenn ich diese veränderte oder sie in einem Parallel-Universum andere Auswirkungen haben könnten. Und vielleicht hätten wir im Parallel-Universum jetzt gerade dieses Interview nicht gemacht? Solche Gedanken motivieren mich auch, Musik zu machen - weil ich da ja ständig Entscheidungen treffen muss und mich auch entscheiden könnte, es nicht zu machen."

Wie ist Maria denn an den australischen Songwriter Stu Larsen geraten? "Durch mein Label", gesteht sie, "das ist auch so ein Ding, weil ich mir Jahre lang Gedanken gemacht habe und das Thema 'Label' dabei immer ganz groß war. Wo sollte ich unterschreiben? Ich bin so sparsam mit meiner Unterschrift und habe noch nie etwas unterschrieben, weil ich nie weiß, ob ich das tun soll. Ich wollte immer erst die Musik fertig machen. Dann hat aber ein Labelchef von Nettwerk den Song 'Distant Universe' entdeckt und sich bei mir gemeldet. Ich habe immer gedacht, dass es cool wäre, ein Label zu haben, das auch im englischsprachigen Raum agiert - weil ich ja auf Englisch singe." (Kurz gesagt: Nettwerk ist ein international agierendes kanadisches Label, das sich auf Singer/Songwriter spezialisiert hat und bei dem auch Stu Larsen seit einiger Zeit seine Scheiben veröffentlicht.) "Das war voll schön für mich, weil ich in Stu zwischenzeitlich auch einen Freund gefunden habe - was man ja auch nicht alle Tage erlebt. Es ist ja auch schwierig, wenn man Leute zusammenwürfelt, denn auch das Label wusste ja nicht, ob die Chemie zwischen uns funktioniert. Das war aber total cool und passte wie die Faust aufs Auge. Stu ist ja auch total umgänglich. Wir haben erst kürzlich telefoniert und er hat mir alles Gute gewünscht." Was hat es denn mit dem Album und dessen Titel "My World, My Love, Paris" auf sich? "Was auf dem Album etwas anders ist als bei meinen Singles - die ja ein wenig poppiger sind - ist, dass es sehr ruhig ist und Themen enthält, die ich zuvor noch nicht angesprochen habe", beschreibt Maria, "es enthält meine Herzens-Songs." Welche Beziehung hat Maria denn zu Paris (das sie übrigens französisch ausspricht)? "Gar keine", meint sie, "außer das ich - wie wohl jeder Mensch auf der Welt - ein Bild von Paris habe und das Edith Piaf in dem Titelsong - vorkommt. Das ist ein Song, in dem es gar nicht vornehmlich um mich geht. Am Anfang der Pandemie war ich vor dem ersten Lockdown in Irland. Ein Freund von mir und ich wollten einen Song schreiben und er meinte, dass wir ein Buch aufschlagen und uns Bilder anschauen sollten, über die wir dann reden und schreiben wollten. Und darauf haben wir versucht, drei Songs zu drei dieser Bilder zu schreiben - es hat aber einfach nicht funktioniert. Dann ist aber alles in dieses eine Lied eingeflossen, worüber wir zuvor gesprochen haben. Es geht darin um ein Liebespaar, das im Angesicht der untergehenden Welt auf ein Boot geht, um alles hinter sich zu lassen und dann auch unterzugehen. Sie sind sich bewusst, dass jetzt alles vorbei ist. Die letzten Gespräche, die sie haben, drehen sich um die Frage, wie es sein wird, wenn sie nicht mehr da sind. Wird es wie einschlafen sein oder werden sie Edith Piaf singen hören: 'I'm Sorry, My World, My Love, Paris'? Weil Edith Piaf ja dieses Lied hatte 'Non - je ne regrette rien'. Die Frage ist: Bereust du am Ende des Lebens nichts oder musst du dir sagen, dass du so viel mehr aus deinem Leben hättest machen können? Das ist ein Ding, was mich auch beschäftigt, denn ich lebe so dahin und habe mein kleines Leben und habe nicht das Gefühl, dass ich großartig etwas verändern kann. In dem Song gibt es auch die Zeile 'if our tower came tumbling down' - dieser Turm könnte für den Eiffelturm stehen, hat aber auch so etwas Biblisches - wenn dieser Turm also zusammenbricht, würden wir uns dann an die Hände nehmen und sagen: 'we could have made something of this - I wish we would have made something of this'. Das ist so schwierig an solchen Songs, denn ich möchte keine Songs haben, bei denen ich mit erhobenem Zeigefinger über irgendetwas rede, denn ich bin ja auch Teil des Problems. Es ist halt lyrisch - aber jeder weiß, dass es um uns alle geht. Paris ist also eine Metapher für die ganze Welt."

Weitere Infos:
www.goodoldoska.com
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www.youtube.com/watch?v=_9_DaW6O1ok
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
OSKA
Aktueller Tonträger:
My World, My Love, Paris
(Nettwerk)
 

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