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29.03.2024
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GGLUM

Irgendwie umwerfend

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Zugegebenermaßen begann die Londoner Songwriterin Ella "gglum" Smoker schon recht früh, sich mit dem Thema Musik zu beschäftigen: Mit sieben begann sie Geige zu spielen, mit neun kam das Klavier hinzu und im Kirchenchor erfuhr sie zwischen acht und elf nach eigener Aussage eine Art früher Gesangsausbildung. Ihren ersten eigenen Song "Why Don't Care" lud sie allerdings erst im Alter von 18 Jahren hoch. Heute ist Ella 22 und überrascht mit ihrem unglaublich vielseitigen, stilistisch vollkommen unberechenbaren und bemerkenswert altersweise anmutenden Debüt-Album "The Garden Dream" vor allen Dingen dadurch, dass sie gar nicht erst versucht, wie die neue Phoebe Bridgers klingen zu wollen (wie so viele ihrer gleichaltrigen Kolleginnen), sondern ganz andere Referenzpunkte wie die Kult-Band The Microphones, aber auch unerwartete Vorbilder wie Elliott Smith, The Clash, Elvis Presley oder Gillian Welch zu ihren prägenden Inspirationsquellen zählt.

Wie kam es denn dazu, dass sich Ella so gut in der Musikhistorie auskennt, während sich ihre KollegInnen doch meistens an zeitgenössischen Künstlern orientieren? "Also meine Eltern sind zwar keine Musiker, aber sie interessieren sich sehr für die Musik"; berichtet Ella, "Ich bin da also in einer ziemlich seltsamen Subkultur von Musikfans aufgewachsen. Ich habe also viel Musik zu hören bekommen, als ich aufwuchs. Es war dann in der Schule, wo man sich in unserer Jahrgangsstufe aussuchen konnte, ob man Geige oder Cello spielen wollte. Ich habe dann die Geige ausgesucht - war aber schrecklich auf diesem Instrument. Es ist ja für ein Kind auch sehr schwer, eine Geige gut klingen zu lassen. Dann habe ich mich bei einem Kirchenchor beworben, um aus der Schulroutine ausbrechen zu können. Meine Mutter hat mich dann aber dazu gebracht, drei Jahre dabei zu bleiben - und diesen komischen Retro-Look mit diesem Halsband und solchen Sachen beizubehalten. Da habe ich dann aber mit Harmonien und großen Räumen umzugehen gelernt. Das fand ich sehr faszinierend. Ich denke, das lässt sich heute noch heraushören, wenn ich eigene Sachen schreibe. Das war dann meine Gesangsausbildung, denke ich - ähnlich wie ein klassisches Training, bei dem man uns sogar beigebracht hat, Noten zu lesen - was ich heute aber nicht mehr kann. Am Ende war das dann ein Chor aus 20 Mädchen, die immer die Messe eröffneten." Ja, gut - aber wie entwickelte Ella denn ihren ureigenen Stilmix? "Ich glaube daran, dass - was immer du dir musikalisch aussuchst - dein Hirn so viel Zeug enthält, von dem du gar nicht wusstest, dass es da ist, sodass das am Ende alles zusammen kommt", führt Ella aus, "Ich habe dabei viele Ären von Musik, die ich mochte durchlaufen; aber das, was wirklich hängen geblieben ist, ist dieses Songwriter-Zeug von Leuten wie Elliott Smith oder Alex G, die sich sehr persönlich anhören. Auch die Band The Microphones haben in mir den Wunsch ausgelöst, selber Songs zu schreiben, anstatt einfach nur Musik anzuhören - einfach weil die anders klangen, als andere. Und dann gibt es ja so viele Optionen, wie man das dann angehen kann. Das ist irgendwie umwerfend."

Bei Ellas Vorbildern handelt es sich ja um Musiker, die sich keinem bestimmten Stil und keinem Format verpflichtet fühlen. War es das, was Ella faszinierte? "Ja, denn das hat mir klar gemacht, dass ich auch Songs schreiben könnte", bestätigt Ella, "denn ich hatte zuvor immer gedacht, dass es eine spezifische Formel gäbe, der man zu folgen habe. Nachdem ich auf die Musik gestoßen war, die ich nun hörte, war das, als habe man einen Schalter in meinem Hirn umgelegt. Mir wurde klar, dass ich alles tun könnte, was ich wollte, weil es nichts gibt, was man technisch dabei falsch machen könnte. Das war meine wichtigste Erkenntnis." Wo findet Ella dabei ihre Themen und womit beginnt sie schließlich mit der Arbeit? "Ich denke, das hängt wirklich von der Tagesform ab", räumt sie ein, "ich beschreibe meine Musik immer als Bedroom-Pop, der aber das Schlafzimmer schon verlassen hat. Was ich gerne mag, ist dieser Lof-Fi-Ansatz, den ich mir selber auch immer gerne anhöre. Damit fange ich immer an. Es geht also gar nicht darum, etwas auszuwählen, sondern darum, wie sich was am Tag entwickelt. Manchmal entwickelt sich dabei auch eine Art Eigendynamik - speziell wenn man mit anderen Musikern zusammenarbeitet. Deswegen mag ich es auch, mit Produzenten zu arbeiten. Jeder trägt dann seine Ideen bei und man reagiert gegenseitig darauf und kommt so auf Ideen, die man alleine nie bekommen hätte."

Wie kam es denn zu dem doch recht originellen Künstlernamen "gglum" (der stets klein geschrieben wird). "Glum" an sich bedeutet ja "betrübt". "In dem ersten Song, den ich veröffentlicht habe - 'Why Don't I Care?' - taucht der Begriff 'glum' zwei mal auf", verrät Ella, "ich war noch nie gut darin, mir Projektnamen auszudenken. Wenn wir uns zum Beispiel in der Schule Bandnamen ausgedacht hatten, ist mir zum Beispiel nie etwas eingefallen. Ich habe also die einfachste Lösung genommen: Wenn ich das Wort 'glum' dann schon zwei Mal in einem Song erwähnte, dann könnte das ja schon irgendwie interessant sein. Mir war damals nicht klar, dass ich ja lange Zeit damit leben müsste. Ich habe also nicht so besonders lange darüber nachgedacht und dann einfach das zweite 'g' hinzugefügt, um es originell zu machen. Das Witzige ist dabei allerdings, dass ich natürlich schon ein angsterfüllter Teenager war - wie wohl jeder - und dann irgendwie dachte, dass der Name doch irgendwie mich repräsentierte. Jetzt bleibe ich halt dabei. Das macht aber auch nichts, denn während die Musik heutzutage vielleicht fröhlicher daherkommt als früher, ist die Grundstimmung noch dieselbe. Ich mag Kontraste wie diese und dass Dinge nicht genau zueinanderpassen - das macht dann alles noch viel besser für mich." Das heißt dann, dass Ella heute glücklicher ist als zu der Zeit, wo sie angefangen hat? "Ja - definitiv", bestätigt sie, "auch wenn mein Songwriting vielleicht gar nicht so viel glücklicher ist als früher. Denn Songs zu schreiben ist eine gute Methode, mit deinen düsteren Gedanken umzugehen. Du kannst das dann in Deinen Songs verarbeiten und im richtigen Leben dann eine gute Zeit haben." Der Titel des Albums "The Garden Dream" legt nahe, dass Ellas Songs ihren Ursprung - zumindest teilweise - in Träumen haben. In dem Fall ging es z.B. darum, dass sie geträumt hatte, sechs Monate lang in einem Garten eingegraben zu sein, wobei nur ihr Kopf aus der Erde hervorlugte. Welche Rolle spielen denn Träume und wie greift Ella auf die Trauminhalte zurück? "Manchmal schreibe ich mir gleich auf, was ich geträumt habe, wenn ich aufwache", räumt Ella ein, "manchmal bin ich ja auch ganz froh, dass ich mich nicht erinnern kann. Und dann gibt es noch die Träume, die sich so real anfühlen, dass man sie überhaupt nicht vergessen kann. Ich denke schon, dass mir meine Träume etwas sagen wollen. Ich hatte zum Beispiel mal einen Traum, in dem mein Unterbewusstsein über verschiedene Charakter direkt mit mir gesprochen hat. Dein Unterbewusstsein sagt dir auf jeden Fall, was du in der Realität noch nicht verarbeitet hast." Gilt das auch für die Musik? Hat Ella auch schon mal Musik geträumt? "Ja, das habe ich", erklärt sie, "ich habe mich dann aber nicht daran erinnern können - was schade war, denn ich dachte, dass sie ziemlich gut war. Aber vermutlich war sie das nicht - denn dann hätte ich mich ja doch daran erinnert."

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Außer von ihren Träumen lässt sich Ella ja vermutlich von ihrem eigenen Leben in der Realität inspirieren, oder? "Ja, ich schreibe persönlich aber lieber gerne über Orte an denen ich ein Mal gewesen bin - als etwa über Dinge die passiert sind", führt Ella aus, "beispielsweise erinnere ich mich an einen Raum, in dem ich mal gewesen bin - und das hilft mir dann, Songs zu schreiben. Es ist für mich so, dass ich für jeden einzelnen Song, den ich schreibe, die Erinnerung an einen Ort, an dem ich gewesen bin, auch sehen kann. Witzigerweise habe ich erst durch die Interviews, die ich zu diesem Album geführt habe, gelernt, dass das die Art ist, auf die ich Songs schreibe. Die Sache ist nämlich die, dass ich eine Art Blackout habe, wenn ich Songs schreibe - und dann gibt es ein paar Stunden später einen fertigen Song. Das ist wohl ein ganz einfacher Prozess - ich kann ihn nur nicht beschreiben oder beeinflussen." Was möchte Ella denn dann beeinflussen? "Eigenartigerweise ist das die Art, in der die Leute meine Musik wahrnehmen sollen", führt Ella aus, "ich wünschte, ich könnte wirklich kontrollieren, wie andere über meine Musik denken - was vielleicht gar keine so gute Idee ist, weil man sich davon ablenken lässt, wenn man an seiner Musik arbeitet. Ich bin aber inzwischen besser darin geworden, nicht so viel darüber nachzudenken, was andere von meiner Musik halten könnten. Wichtig ist, dass es am Ende immer noch nach mir klingt - auch, wenn ich vielleicht mit einem anderen Produzenten zusammenarbeite." Dann ist die größte Herausforderung ja vermutlich die, sich nicht soviel über die eigene Wahrnehmung Gedanken zu machen, oder? "Na ja - ich denke schon, dass es darum geht, nicht soviel darüber nachzudenken, was andere von mir halten. Das ist ein ziemlich persönlicher Prozess. Wenn ich nicht in der richtigen Stimmung bin, dann erlaube ich mir zuweilen auch, einfach mal nichts zu machen und nicht so viel zu schreiben, wie ich eigentlich könnte. Das ist auch eine Sache in der ich besser werden könnte."

Wie sieht Ella denn dann das Album selber? Was ist ihr dabei wichtig? "Es fühlt sich für mich so an, dass du mit den ersten Songs die Tür zu einem Haus aufmachst und dann durch die verschiedenen Räume darin gehst - wobei jeder Raum anders ist. Am Ende gehst du dann raus und machst die Tür hinter dir zu, wobei du dann genau weißt, dass hinter dieser Tür die verschiedenen Räume mit ihren Songs zu finden sind, du aber dann nicht mehr dort bist." Freilich kann man sich das Album "The Garden Dream" auch einfach anhören und an den vielen guten Songs und musikalischen Ideen erfreuen, die Ella Smoker als gglum in ihren Blackouts zusammenträumt.

Weitere Infos:
www.gglum.com
www.instagram.com/gglum_
www.facebook.com/thisgglum
www.youtube.com/@gglum/videos
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Sam Smoker-
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Aktueller Tonträger:
The Garden Dream
(Secretly Canadian/Cargo)
 

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