25.10.2024 http://www.gaesteliste.de/texte/show.html?_nr=2182 |
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CHUCK PROPHET |
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Musik ist meine Rettung |
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2020 veröffentlichte Chuck Prophet das Album "The Land That Time Forgot" - das musikalisch eines seiner stärksten Werke der letzten Jahre war und sich inhaltlich auf revisionistische Weise mit dem Zeitgeschehen auseinandersetzte. Eigentlich hätte Prophet dann auch wieder mit dem Album auf Tour gehen wollen - aber da war dann die Pandemie vor. Als dann allerdings 2022 gegen Ende der Pandemie turnusmäßig ein neues Prophet-Album fällig gewesen wäre, gab es stattdessen eine Schocknachricht für ihn und alle Fans: Im April 2022 machte Prophet über seine Website publik, dass bei ihm Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert worden sei. Wie sich später herausstellte, war dieses dann zwar eine behandelbare Art von Krebs - aber dennoch schien die Zukunft für Chuck Prophet erst mal ungewiss. Überraschenderweise kehrte er dann 2023 im Rahmen seiner Europa-Tour auch bei uns wieder auf der Bildfläche auf - und holte (frisch genesen) mit betont kämpferischer Note die Tour zum letzten Album nach. Was damals allerdings noch keiner ahnen konnte - da Chuck diesbezüglich nur Andeutungen machte - war, dass er bereits an einem neuen Album arbeitete, mit dem er sogar schon in der Zeit begonnen hatte, als er noch auf seine Diagnose wartete. Nun liegt das Werk mit dem beziehungsreichen Titel "Wake The Dead" vor. Dafür tat sich Prophet mit der Cumbia-Band ¿Qiensave? zusammen und schlug damit auch gleich ein neues Kapitel in seiner an Überraschungen ja nun wahrlich nicht armen Karriere auf. Grund genug, sich wieder mal mit dem Meister zu unterhalten.
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Beginnen wir mal mit einer großen Frage, die insbesondere mit Bezug auf die - inzwischen überwundene - Krebserkrankung Chucks von Bedeutung ist: Was bedeutet eigentlich die Musik als solche heutzutage für Chuck Prophet? "Musik ist meine Rettung", meint Chuck, "Musik hat mir so viele Dinge in meinem Leben gegeben. Musik ist für mich meine Berufung. Ich hatte immer Musik in meinem Leben - Musik, die ich gespielt habe, Musik, die ich gehört habe und ich hatte auch immer einen gesunden Appetit nach Musik. Ich denke tatsächlich, dass die Musik mich letztlich errettet hat." Auch im spirituellen Sinne? "Vielleicht", überlegt Chuck, "wenn ich Musik spiele, denke ich oft an gar nichts anderes. Ich kann mich dann gar nicht mehr daran erinnern, worüber ich mir vielleicht gerade Sorgen gemacht hatte. Und ich mache mir eigentlich immer über irgendetwas Sorgen. Ich bin eine ängstliche Person. Ich hatte zum Beispiel vor meiner Krankheit noch nie über die Sterblichkeit nachgedacht - das war für mich immer weit entfernt. Nachdem das nun langsam näher kommt, muss ich dem letztlich ins Auge blicken. Musik ist in dieser Hinsicht die einzige Art, mit der ich mich von so etwas befreien kann." Hat Chuck denn die Musik dann auch immer als Therapie betrachtet - wie viele seiner Songwriter-Kollegen? "Ich habe ja gar nicht gewusst, was Therapie ist", wirft Chuck ein, "schon als Kind kennt man sich ja nicht mit so etwas aus - aber sicher half mir Musik als Therapie in meinem ganzen Leben. Ich nannte das bloß nie so." Inwieweit hat die Musik Chuck denn als Persönlichkeit verändert? "Musik hat mich vor allem unterrichtet", spezifiziert Chuck, "ich könnte nicht sagen, dass ich etwa zu einem bestimmten Zeitpunkt transformiert wurde, aber ich habe durch den Umstand, dass ich Musik spielte und die Entscheidungen, die ich traf, auf jeden Fall meine Heldenreise angetreten. Ich bin immer noch hier und ich bin auch nicht dieselbe Person, die ich früher war, aber es ist nicht so, dass es da einen großen Wandel gegeben habe. Ich bin aber immer noch auf meiner Heldenreise und die Musik bringt mich dabei an viele verschiedene Orte." Wie hat das denn überhaupt angefangen mit Chuck und der Musik? "Das hat definitiv mit dem Radio angefangen", erinnert er sich, "ich kann mich noch daran erinnern, das mich meine Mutter für irgendwelche Sport-Sachen anmelden wollte, als wir umgezogen waren. Als wir im Auto saßen und AM-Radio gehört haben, spielte zum ersten Mal 'Ricky Don't Lose That Number' (von Steely Dan). Das war ganz seltsam für mich, weil der Song so anders war und man jedes Wort verstehen konnte. Es gab eine Geschichte, die ein bisschen, aber nicht allzu viel Sinn machte und eigenartig drahtige Gitarrensounds, die mich neugierig machten. Dann sah ich die ganzen Jungs mit ihren Handschuhen, Bällen und Kappen vom Sportfeld auf mich zukommen und ich betete, dass ich nicht aus dem Auto aussteigen müsste und der Song ewig weitergehen könnte. Das war dann der Moment - hahaha. Wenn ich heute 'Ricky Don't Lose That Number' anhöre, dann bin ich natürlich nicht mehr sechs Jahre alt wie damals, muss dann aber doch sagen, dass ich damals schon einen ziemlich guten Geschmack gehabt hatte."
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Lassen wir uns aber mal über die neuen Songs von Chuck unterhalten: In Chucks Songs tauchen ja auch immer wieder reale oder fiktive Charaktere auf - wie zum Beispiel Sally, die Polizistin, die Betty aus "Betty's Song" und sogar Elon Musk in dem Song "In The Shadows". Agiert Chuck da eigentlich als Schauspieler, der Charaktere verkörpert? "Das ist eine gute Frage", überlegt er, "einige Songs sind ja charakterorientiert - ich verkörpere da also schon einen Charakter. Ich bin dann allerdings nicht für alles gut, was aus deren Mund entweicht. Es wäre ja auch irgendwie limitierend, wenn es nur um mich und meine Gefühle ginge - weißt du: Chuck geht hierhin, Chuck geht da hin, Chuck trifft seine Freundin. Das wäre langweilig." Dann also lieber Leute wie Sally, die Polizistin, Elon Musk oder Betty? "Nun ja - wir brauchten für 'Betty's Song' einen Charakter aus der Arbeiterklasse - und haben sie in dieses Format gebracht." Wenn Chuck da "wir" sagt, dann meint er neben sich seine Songwriting-Partner wie z.B. Alejandro Escovedo und insbesondere seinen Freund Kurt Lischutz - kurz "Klipschutz". "Sie ist ein Kind von Immigranten, die ihren Background zu überwinden sucht. Es gibt ja viele Möglichkeiten, seinen Background zu überwinden. Man kann das durch Heiraten erreichen oder indem man eine Karriere anstrebt. Betty macht dafür dieses Programm in Sachen höherer Bildung. Typisch Arbeiterklasse also. Vermutlich haben wir das gemacht, weil 'Betty' ein typischer Name aus der Arbeiterklasse ist. Solche Details sind wichtig und es war sicher eine gute Idee, das so zu machen. Aber letztlich ist alles, was dich als Songwriter in die richtige Richtung führt, schließlich eine gute Idee." Was hat es mit dem Song "In The Shadows" auf sich, in dem sich Chuck über Elon Musk auslässt bzw. lustig macht? "Ich wollte mich tatsächlich über Elon Musk lustig machen und über ihn lachen", gesteht Chuck, "ich denke, er ist kindisch. Er ist zwar ein intelligenter Mann, aber jemand, der seine Energie darauf verwendet zum Mars fliegen zu wollen, anstatt erst mal diesen Planeten zu retten, kann ich nicht ernst nehmen. Das ist einfach beleidigend. Der Typ ist ja wie ein Roboter."
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Abschließend sei noch die Frage erlaubt, wie Chuck Prophet heutzutage gute Songs für sich erkennt und definiert? "Schwer zu sagen", meint Chuck. "ich habe zum Beispiel einen Song namens 'No Other Love', der sehr gut für mich war. Die Leute haben den auch gecovert - aber ich selbst spiele ihn nicht oft, weil das quasi ein Handy-Mitschnitt einer Performance war. Der Song enthält nur eine Textzeile "No other love - I'm flying", die dann immer wieder wiederholt wird. Die Songs, die ich gut finde, sind aber für gewöhnlich die, die ihren Weg auf die Setlist finden und bei denen es schwerfällt, sie wieder zu streichen. Ich weiß dabei gar nicht, was die Qualität dieser Songs ausmacht - aber ich liebe sie." Auf die Band ¿Qiensave? kam Chuck schließlich, als er sich während der Pandemie näher mit der Cumbia-Musik auseinandersetzte, für die er sich schon immer interessiert hatte. Es war dann auch der lebensbejahende Charakter dieser Art von Sound, die ihn - wie er sagte - während der Krankheitsphase aus seinem Blues hervorgeholt hatte, so dass es schnell klar wurde, dass er die befreundeten Musiker von ¿Qiensave? an der Produktion seines nächsten Albums beteiligen und diese auch mit auf Tour nehmen würde.
Im Anschluss an die Veröffentlichung des Albums "Wake The Dead" geht Chuck Prophet denn auch gleich wieder auf Tour in unseren Breiten. Dabei wird er mit zwei Musikern von ¿Qiensave?, einem Bassisten aus Mexico-City und zwei Musikern seiner Band The Mission Express (darunter natürlich auch seine Frau Stephanie Finch) auftreten und sein neues Faible für die Cumbia-Musik auch im Live-Kontext zum Ausdruck bringen. |
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Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Kory Thibeault- |
Aktueller Tonträger: Wake The Dead (Yep Roc/Bertus) |
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