![]() |
|
07.03.2025 http://www.gaesteliste.de/texte/show.html?_nr=2200 ![]() |
|
CARI CARI |
|
Die neue Bodenständigkeit |
|
![]()
Als Alex Köck und Steffi Widmer 2018 erstmals auf dem Reeperbahn Festival mit ihrem Projekt Cari Cari aufschlugen, schienen sie es damals schon darauf angelegt zu haben, das Musikbusiness nach ihren eigenen Regeln auf den Kopf stellen zu wollen. Zum einen weigerte sich das Duo, sich mit seinem Mix aus Ur-Blues, Psychedelia, Exploitation-Trash und Indie-Pop irgendwie formal fassen zu lassen und zum anderen fegten sie im Folgenden mit ihren unberechenbaren Live-Auftritten und der Veröffentlichung ihrer Debüt-LP "Anaana" links an den Mechanismen des Musikbiz vorbei und präsentieren sich bis heute als beinhartes Indie-Unternehmen, das alle Zügel auch weiterhin selbst in der Hand behalten möchte. Als dann 2022 das zweite Album "Welcome To Kookoo Island" herauskam, war dieses zwar immer noch ziemlich unberechenbar, aber unter dem Eindruck der Pandemie-Phase (in der das Werk entstand) weniger wild und seltsam ausgefallen als das Debüt, dafür aber poppiger und zugänglicher. Das veranlasste uns damals zu der Frage, ob das österreichische Duo plötzlich vernünftig geworden sei - was Alex Köck mit einem entrüsteten "Selbstverständlich nicht!" beantwortete. Nachdem das nun vorliegende, dritte Album "One More Trip Around The Sun" sich - trotz des eskapistischen Titels - mehr um die inneren Werte, die Freunde und den engeren Familienkreis und eine Art Bestandsaufnahme zu drehen scheint, drängt sich eine weitere absolute Frage in dieser Art auf: Sind Cari Cari mit dem dritten Album nun bodenständiger geworden?
|
|
"Das ist eine interessante Beobachtung", meint Alex Köck zu diesem Thema, "deswegen mag ich Interviews so gerne, denn da können wir eigentlich etwas über uns lernen - gerade mit guten Interviewern. Also ja - das ist schon so, glaube ich. Deswegen haben wir auf dem Covermotiv auch unsere ganze Familie versammelt. Das war für uns wie eine Performance, für die wir alle an einem Tag zusammengekommen sind und uns ganz viel Zeit füreinander genommen haben. Daran werden wir uns sicher für immer erinnern. Wir haben auch viele unserer Ziele jetzt erreicht - von denen wir früher nur geträumt haben. Wir haben auf Riesen-Festivals und auf großen Bühnen gespielt und haben irgendwelche Radio One und Newsweek-Sachen gemacht. Wir sind damit eigentlich sehr glücklich. Von außen wird einem aber immer suggeriert, dass das nicht genug ist."
Was meint ihr denn damit? "Na ja - man spielt ein Konzert mit 500 Leuten und dann bekommst du zu hören 'Na ja - aber Der und Der spielt aber vor 1.000 Leuten'. Und dann spielt ein Radiosender deine Songs und dann wird gesagt 'Na ja - aber dieser andere Sender hat euch noch nicht gespielt.' Wir haben 1.000 Likes auf Instagram - aber dann gibt es auch jemand, der 10.000 hat. Es gibt immer noch eine Stufe drauf. Es wird immer alles an numerischen Erfolgen gemessen. Es ist aber bei uns oft so, dass nicht unbedingt das Konzert, wo in Linz soundsoviel tausend Leute vor der Bühne stehen das beste ist - sondern vielleicht ein Konzert in Bologna vor 250 Leuten, das viel geiler war. Ein großer Moment war für uns als wir in Tempelhof in Berlin Support für die Ärzte gespielt haben und da waren 60.000 Leute dabei. Wir sind mit den Ärzten befreundet und der Bela war auch öfter bei Konzerten von uns. Die haben sich so eine Liebe zur Musik beibehalten und man hat nie das Gefühl, dass die so eine Riesen-Band sind. Ich habe das beobachtet, wie die sich vor der Show verhalten haben und da ist mir bewusst geworden, dass sich das für die Ärzte genauso anfühlt wie wenn bei uns 1.000 Leute vor der Bühne stehen. Mein Punkt ist der: Immer wenn man glaubt 'jetzt bin ich unglücklich', dann aber darauf hofft, dass man sich erst glücklich fühlt, wenn dann 10.000 oder 20.000 Leute vor der Bühne stehen, dann wird man am Ende auch nie glücklich werden." Bislang war es ja so, dass sich Cari Cari auf ihren Reisen kreuz und quer durch die Welt auch musikalisch inspiriert haben lassen. Wenn nun die neue Bodenständigkeit ausgerufen wird: Hat sich das dann geändert? "Na ja - das Album heißt ja schon 'One More Trip Around The Sun'", gibt Alex zu bedenken, "wir sind auch immer noch sehr viel unterwegs. Vor allem natürlich auf den Touren - wobei wir da auch schon besser darin geworden sind, einen Aufenthalt in Spanien oder Ägypten als besonders bereichernden Bestandteil mit unseren Touren zu kombinieren. Wir haben zum Beispiel einen Auftritt auf dem Reeperbahn Festival gespielt, wo es viel Industrie gibt und alles schon sehr gesättigt ist und sind gleich danach nach Ägypten geflogen, wo die Leute nach Kultur und Konzerten dürsten. Natürlich haben wir beim Reeperbahn Festival die zehnfache Gage bekommen - aber erinnern werde ich mich an das Konzert, das wir in Alexandria gespielt haben. Ich habe dann schon das Gefühl, dass unsere Musik dann immer davon beeinflusst wird, wie das Umfeld ist." |
|
Die eingangs angesprochene Bodenständigkeit macht sich dann auch in Songs wie "My Hometown" fest, in dem sich Alex an seine Kindheit erinnert oder "Drumming Girl", der sich ja auf Steffis Trommelkünste bezieht. Es gibt dann aber auch Tracks anderer Art wie die von Steffi gesungene Noir-Morderballade "Goodbye, Stranger" oder den Krautrock-Drone "Schmetterling" (und dessen Intro "Farfalla"), in dem allerlei Gedanken zum Thema Metamorphose, Verwandlung, Wiedergeburt und Veränderung thematisiert werden - ohne dass dazu viele Worte nötig werden zu dem es ein kunterbuntes Video gibt, in dem mexikanische Wrestler aufeinander einhauen, während Alex und Steffi als Trainer bzw. Ringrichter für Ordnung (aber wenig Sinn) sorgen.
Und dann gibt es mit "Bad News" sogar einen fast schon politischen Track auf dem Album. Das ist dann ein Song, der musikalisch noch mal in Richtung Blues geht und in dem Alex mit den ganzen schlechten Nachrichten, die zur Zeit lawinenartig über uns hereinbrechen, abrechnet. "Den Song gibt es ja auch schon ein, zwei Jahre", meint Alex und irgendwo habe ich habe ich das aufgeschnappt. Es ging da um 9-11 und da ich 1993 geboren bin, war das das erste Mal, dass ich ein gewisses Bewusstsein für das, was so auf der Welt passiert, gehabt habe. Gefühlt kam dann ja eines nach dem anderen. Die Wirtschaftskrise als ich 19 oder 17 war und dann eben Corona und Krieg und Naher Osten. Es ist ja nicht so, dass dieser Song nicht mehr aktuell wäre. Ich muss echt sagen, dass ich mich heute schwer tue, morgens Nachrichten zu lesen. Es greift alles so ineinander, weil man sich auch so überfordert fühlt. Was kann man denn gegen lauter Verrückte ausrichten, die gerade die Welt an die Wand fahren? Ich bin an Geschichte interessiert und ich fühle mich an den ersten Weltkrieg und die Zeit zwischen den Kriegen erinnert - und wie absurd das war. Die Leute wollten einen Krieg." |
|
"Und heute gibt es so viel Hass, der sich nicht entladen kann", ergänzt Steffi. "Ich glaube in dem Text geht es darum zu sagen: Das ist jetzt halt so und wir versuchen im Kleinen ein Gegenbeispiel dazu zu sein und etwas Positives beizutragen und Liebe weiterzugeben. Alle müssen eh sterben - was ja auch die Zeile 'everyone you know will die' in dem Song aussagt. Wir können nur dann nur das Beste aus der Zeit machen, die uns gegeben ist." Das kann man eigentlich ja auch so stehen lassen. Im Frühsommer gehen gehen Cari Cari dann auch gleich auf Headliner- und Festival-Tour in unseren Breiten.
|
|
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Sophia Lavater- |
![]() Aktueller Tonträger: One More Trip Around The Sun (recordJet/edel) |
![]() Copyright © 2025 Gaesteliste.de Alle Rechte vorbehalten Vervielfältigung nur mit Genehmigung von Gaesteliste.de |