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04.04.2001
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STEVE WYNN

Wasser zu Wein

Steve Wynn
Nun ja, wirklich Wunder wirken kann Altmeister Steve Wynn nach wie vor nicht. Wer aber seine Platte "Here Come The Miracles" nennt und dann auch noch ein Doppelalbum abliefert - was ja schon etwas Besonderes ist, muß sich ja was dabei gedacht haben. Die 19 neuen Songs, die letzten September innerhalb einer Woche im Studio von Howe Gelb in Tucson eingespielt worden, bewegen sich alle wieder im Bereich "Shades Of Blue", wie der Meister selber meint.

Worum geht es denn inhaltlich? "Wenn man eine ausgedehnte Promo-Reise macht", erklärt Steve, der gerade von einer Spanien Tour zurückkommt, "und ständig über seine Songs reden muß, wird einem einiges klar. Anfangs wußte ich auch nicht genau, wovon die Tracks handeln. Inzwischen ist mir klar geworden, daß bei vielen darum geht, sich selbst irgendworin zu verlieren." Das pendelt dann zwischen den Amplituden "Butterscotch" - das Ertrinken in Caramelsauce als Metapher für das Untergehen an sich - und "Southern California Line" - der Freitod als Endpunkt solcher Überlegungen. Wynn's Songs waren inhaltlich - schon zu Dream Syndicate Zeiten - nicht eben sonnigen Gemüts. Nicht nur deshalb erinnert das neue Werk eher an alte Zeiten. (Ein Track stammt gar aus DS-Zeiten). Das wird durch den schroffen Sound der Scheibe noch unterstrichen. Im Gegensatz zum Vorgänger, "My Midnight", wurden die Pop-Elemente durch eher krasse Sachen wie verzerrte Stimmen, übersteuerten Baß und ausgedehnte, psychedelisch anmutende Gitarrensoli ersetzt. Das macht aber durchaus Sinn, denn Steve ist nicht jemand, der nach Perfektion strebt. "'Perfekt ist nicht gut genug' war der Slogan für mich bei dieser Scheibe", erklärt er das näher, "es ging bei dieser Scheibe darum, daß wir alle zusammen gespielt haben und aufeinander reagierten. Viele der Stücke sind erste Takes. Das könnten wir so nie wieder hinbekommen. Das ist einer der Gründe, warum ich Musik mache. Ein Grund den man schnell aus den Augen verliert, wenn man zuviel Wert auf Perfektionismus legt." Ist das auch der Grund, warum die Gastauftritte von Howe Gelb und Chris Cacavas so zurückhaltend ausfielen? "Genau. Chris war der ideale Mentor für dieses Projekt. Er ist ein so begnadeter Musiker, nimmt sich aber immer im Sinne des Songs zurück. So etwas mag ich."

Steve Wynn
Was hat es denn mit den verzerrten Vocals auf sich? Steve erwähnte mal, daß er ein Fan von The Fall ist. "Ich habe mir überlegt, wie ich die vielen verschiedenen Charaktere und Stimmungen auf der Scheibe illustrieren könnte. Da bin ich dann auf die Idee mit den Stimmen gekommen. Wenn Du genau hinhörst, wirst Du feststellen, daß sie alle unterschiedlich sind. Was besonders war: Wir haben die Stimmen gleich bei der Aufnahme verzerrt - und nicht nachher, wie üblich. Dadurch wurde ich gezwungen, ganz anders zu singen." Auf der anderen Seite sind da die elaborierten Background-Vocals auf 'Butterscotch' und 'Morningside Heights'. "Ja, das war das Schwierigste, was wir auf dieser Scheibe gemacht haben. Beim Harmoniegesang kommt es nämlich auf die Harmonie an. Wenn da nicht alles stimmt, klingt's fürchterlich." Warum gibt's dieses Mal denn eigentlich die doppelte Dröhnung? "CDs werden ja immer länger", erläutert Steve, "ich mag aber keine CDs, die 70 Minuten oder länger sind. Weil ich aber so viel Material zusammen hatte, überlegte ich mir eine Doppel-CD zu machen. Mir wäre es auch am liebsten, man hörte sie sich in zwei - oder mehr - Schritten an. So würde ich es machen. Diese CD ist für mich schon etwas besonderes."

Steve Wynn
Einige Tracks schrieb Steve zusammen mit seiner Partnerin und Drummerin Linda Pitmon. "Ja, Linda wollte schon seit langem Songs schreiben. Jetzt nutzten wir die Chance und schrieben am Wochenende vor den Aufnahmen ein paar Tracks zusammen. Sie lieferte die Rhytmustracks, ich schrieb die Texte dazu und den Rest machten wir zusammen. Das war sehr fruchtbar. Ich mag Kollaborationen." Davon hat Steve noch einiges in Petto: Noch vor "Miracles" nahm er zusammen mit der spanischen Band Australian Blonde ein Album auf. "Das wird vermutlich meine nächste CD", überlegt er, "und danach werde ich vielleicht eine weitere Kollaboration mit anderen Musikern anstreben. Das ist ja heutzutage alles möglich." Zunächst steht allerdings eine ausgedehnte Tour and, die Steve ab April drei Monate durch Europa führen wird. Seine Band nennt er dann übrigens "Miracles"...

Weitere Infos:
www.stevewynn.net
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Steve Wynn
Aktueller Tonträger:
Here Come The Miracles
(Blue Rose Records/In-Akustik)
 

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