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11.01.2002
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INTO ETERNITY

Metal-Chartbreakers: Mit Engelsstimmen und Todesgrunzen

Into Eternity
Into Eternity sind anders: Der Metal-Act aus Kanada mischt unerschrocken Progressive Rock à la Fates Warning mit Death Metal-Elementen, die recht schwedisch daherkommen, macht diese Mixtur mit einem bei harter Musik nahezu unerhört kunstvollem Satzgesang mal so eben unverwechselbar und stellt sich dann noch rückhaltlos den Fragen von Gaesteliste.de. Sänger und Gitarrist Tim Roth plauderte mit uns freundlicherweise über ihr zweites Album "Dead Or Dreaming", das sich wochenlang in hohen und höchsten Platzierungen der Lesercharts dieses Magazins gehalten hat, über Engelsstimmen, die kanadische Metalszene und europäische Fans.

Into Eternity
? Euer Zweitling "Dead Or Dreaming" war der "härteste" Tonträger, der bislang über mehrere Wochen in die Lesercharts von Gaesteliste.de gewählt wurde. Für mich absolut erstaunlich. Hast DU irgendeine Idee, warum euer bisweilen extremer Heavy Metal auch bei Nicht-Mattenschwingern so gut ankommt?
! Ganz schön schwere Frage. Ich würde gerne glauben wollen, daß die Menschen heutzutage generell größere stilistische Bandbreiten akzeptieren und ausprobieren - nicht nur im Metallbereich. Da wir mehrere Metal-Stilarten verschmelzen, sprechen wir vermutlich auch andere Fraktionen an. Aber wir spielen letztlich einfach nur die Musik, die wir selber gerne hören würden und haben das unglaubliche Glück, daß die Leute es mögen...

? Wie würdest Du das unbestreitbar vorhandene, "andere" in Eurem Sound beschreiben?
! Heutzutage ist es sehr, sehr schwer geworden, überhaupt "anders" zu sein. Wir geben uns jedenfalls alle Mühe. Unsere Musik bietet mehrstimmigen, cleanen Satzgesang und death metal-Grunzen im Wechselgesang dazu. Das ist schon mal ein bißchen anders. Und dann haben wir halt mehr als einen Stil im Programm: Es gibt akustische Parts, Death Parts, progressive Elemente und so weiter. Dadurch versuchen wir die Zuhörer 'am Haken' zu halten. *kichert*

? Aufgrund Eurer auffallenden Bandbreite haben es die Rezensenten reichlich schwer, Vergleiche zu finden, die normalerweise das Plattenbesprechungsleben leichter machen. Was aber schon beim ersten Hören beim nichts Böses erwartenden Hörer einfach durchschlägt, sind die Hook Lines. Wie habt Ihr die so hingekriegt?
! Danke für die Blumen. Wir haben einfach riesig viel Zeit in die Gesangsmelodien gesteckt. Ein Refrain muß dich wirklich packen. Darum all die Abwechslung, darum die Death Vocals, darum die weibliche Stimme und der Satzgesang.

? Wer ist Amy Ozog, die auf drei Songs ausgeholfen hat?
! Amy ist ein Mädchen aus der Nachbarschaft. Danny [Gitarrist Daniel Nargang, d. Red.] hörte sie eines Nachts in einer Bar singen und lernte sie kennen. Ich war immer vernarrt in Frauenstimmen - und Amy singt wirklich wie ein Engel. Wir haben sie einfach gefragt und sie war so freundlich, zu uns ins Studio zu kommen und mit uns die Parts für drei Stücke aufzunehmen. Ich denke, das Experiment ist mehr als gelungen.

? Das Cover von "Dead Or Dreaming" zeigt eine Art Friedhof mit Tausenden von Kreuzen, während in der Ferne Wolkenkratzer erkennbar sind. An einem Kreuz im Vordergrund hängen Kriegsdekorationen. Was hattet ihr oder der Künstler Mattias Norén [www.progart.com] dabei im Sinn?
! Mattias hat schon das Artwork für unser Debüt "Into Eternity" gemacht, ich halte ihn für ein Genie. Er läßt sich zu solchen optischen Einfälle einfach durch den Albumtitel inspirieren. Mattias schickt uns daraufhin einfach seinen Vorschlag und dann werden nur noch Details geändert, bis beide Seiten glücklich damit sind. Der Rabe und die Orden paßten für uns einfach zum Thema Tod. Aber wir sind alles andere als morbide Typen, glaub' mir.

? Und was steckt hinter dem Albumtitel?
! Als ich die Texte schrieb, habe ich mich mit der Frage beschäftigt, ob der Tod nicht vielleicht wie ein Traumzustand ist? Wenn man stirbt, ist das Bewußtsein dann wirklich "tot", oder ist es mehr wie ein Traum, der niemals endet?

? Der Track "Unholy" enthält die Zeilen "Unholy Holocaust, A Mass Suicide Among Us, Convey My Crucifix, Pleading For Release". Ist das alles pure Phantasie oder hattest Du Anregungen?
! "Unholy" ist definitiv reine Fiktion. Ich hatte den Film "The Haunting" gesehen, kam nach Hause und schrieb diesen Text. In dem Streifen geht es um ein Spukhaus, in dem Statuen lebendig werden etc. Nach dem ich ihn gesehen hatte, "kam" der Songtext einfach.

Into Eternity
? Ungünstigerweise kenne ich Euer Debüt "Into Eternity" nicht. Was hab ich verpaßt?
! Die erste Scheibe ist ein guter erster Versuch im Hinblick auf den Stilmix, mit dem wir heute arbeiten. Allerdings haben wir die Aufnahmen komplett selbst finanziert, hatten also ein recht begrenztes Budget. Auf der anderen Seite gab es auch nichts und niemand damals, der Einfluß auf die Musik nehmen wollte *wiehert*. Diese Platte hat ihren Zweck erfüllt, dadurch, daß sie uns einen Vertrag eingebracht hat. Aber wenn Du wissen willst, wer Into Eternity ist, mußt Du Dich mit "Dead Or Dreaming" beschäftigen.

? Wie würdest Du denn Euren künstlerischen Werdegang vom Debüt bis heute beschreiben?
! Ich schätze, wir klingen heute wie eine komplett andere Band. Beispielsweise die Arrangements der neuen Songs nahmen einfach ein Vielfaches an Zeit in Anspruch, verglichen mit den älteren Kompositionen. Und wir haben unglaublich viel geprobt, damit die neuen Sachen wirklich "tight" kommen.

? Beim Progpower Europe letztes Jahr habt ihr euch auf der Bühne überhaupt nicht mehr eingekriegt vor Begeisterung über die Hunderte von Fingern, die Euch - zum "Evil"-Zeichen geformt - entgegengereckt wurden. Stimmt es, daß das in Kanada nicht passiert?
! Stimmt wirklich. Verglichen damit scheint jeder in Europa Metal zu verstehen. In Kanada gibt es nichts dergleichen. Unsere Metal-Szene ist einfach zu klein. Es war wirklich ein Knaller, all diese Fans so auf diese Musik ausrasten zu sehen. Europa ist der Hit.

? Was ist Deine persönliche Einstellung zu Death und zu Black Metal?
! Ich mag beide Stilarten. An Black Metal mag ich die Keyboard-Teppiche und Tempo-Ausbrüche, aber am meisten stehe ich auf schwedischen Death Metal der Marke In Flames oder Soilwork. Und die Band Death war ein riesiger Einfluß. Chuck [Chuck Schuldiner, verstarb am 13.12.2001, d. Red.] war einer meiner Götter. Ich liebe Death Metal, der progressiv und frisch daherkommt. Die erwähnten Bands tun genau das. Cryptopsy ist eine unglaublich gute Band aus Kanada, die Instrumentenbeherrschung bis an jedes Extrem geführt hat.

? Wie habt Ihr das Progpower-Festival erlebt? Ihr wart mit Abstand die härteste Formation auf dem Billing...
! Progpower Europe 2001 war exzellent! René [R. Janssen, Organisator des Festivals und Labelchef von DVS Records, d. Red.] hat einen super Job gemacht. Wir konnten vor einem großartigen Publikum spielen und ausserdem ein paar wirklich coolen Bands begegnen. Klar waren wir die heftigste Band, aber das Publikum schien sehr offen zu sein und hat uns wirklich sehr ermutigt. Tatsächlich war das Festival sogar das Highlight dieses ziemlich erfolgreichen Jahres für uns. Es herrschte so ein... familiäres Gefühl.

? Wie läuft es für Euch, bei einem kleineren, aber enthusiastischen Label wie DVS Records zu veröffentlichen?
! Naja, erstens muß man ja irgendwo anfangen und zweitens hat René von DVS uns die Musik machen lassen, die WIR wollten. Nicht viele Labels waren in Versuchung, eine Band mit einem derartigen Stilmix wie uns zu signen. Inzwischen geht uns ja offensichtlich ein recht guter Ruf voraus. Aber René hat uns mit der ganzen Europa-Tour, die vieles ermöglicht hat, schon unglaublich geholfen. Das war das beste, was der Band bislang zugestossen ist.

Into Eternity
? Ihr kommt aus ... *blättert verzweifelt* ... "Saskatchewan". 'Tschuldijung, wo ist das?
! Entspann' Dich, Du bist nicht der Einzige, der nicht weiß, wo und was das ist. Unsere Stadt liegt im Mittelwesten von Kanada und hat ca. 200.000 Einwohner. Von denen interessiert sich kaum jemand für Metal. In der ganzen Stadt gibt es nur ZWEI harte Bands! Darum waren wir auch so glücklich, auf dem Progpower Festival zu spielen: Jeder, der da war, schien zu verstehen, was wir tun...

? Wie sieht es mit der Szene für harte Musik in Kanada generell aus (Unsereinerwelcher kennt so aus der Hüfte ja gerade mal Neil Young, Rush, Bruck Cockburn und die Barenaked Ladies)?
! Kanada hat ja nur 30 Millionen Menschen, also ist der entsprechende Markt sehr klein. Trotzdem gibt es einige coole Metal Acts wie Annihilator, besagte Cryptopsy, Quo Vadis, Heavenly, Martyr, Heavens Cry und andere.

? Was sind Eure Pläne für die nahe Zukunft?
! Im Moment üben wir gerade wie die Jecken und schreiben neues Material. Danach sind wieder Tourneen in Kanada, USA und natürlich Europa geplant. Auch ein neuer Plattendeal scheint gerade möglich. Die Zukunft sieht eigentlich ziemlich rosig aus. All das wäre aber nie möglich gewesen ohne all die coolen Radiostationen, Webzines und Zeitschriften, die uns unterstützt haben. Danke dafür!

? Danke für das Gespräch.

Weitere Infos:
www.intoeternity.com
Interview: -Klaus Reckert-
Fotos: -Pressefreigaben-
Into Eternity
Aktueller Tonträger:
Dead Or Dreaming
(DVS/Zomba)
 

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