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21.06.2002
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MCLUSKY

Vollkontakt Rock

Mclusky
"Der nächste Song ist von unserem Debüt namens 'Generation Terrorists'!" - dieser kleiner Joke entstand während des beeindruckenden Konzerts des Powertrios Mclusky in Dortmund, wo die Band im Rahmen der Hurricane Festival Club Tour zwischen Heyday und Union Youth ihr bestes gegen durfte, was da heißt: Vollkontakt Rock! So kurz es auch gewesen sein mag (Spielzeit: Eine knappe halbe Stunde), es war an Intensität kaum zu übertreffen. Was die drei Herren da auf der Bühne an puren, rauhen Rock N Roll hervorbrachten, war schon beeindruckend. Aber sowas bleibt natürlich nicht ohne Folgen: Gaesteliste.de trifft backstage Bassist Jon Chapple auf einer Couch zusammengekauert, ein nasses Handtuch um seinen Kopf gewickelt, zur Kühlung eines Geschwüres, das laut eigener Aussage "bei jedem Gig ein wenig größer wird - man kann es sogar wachsen sehen!" Naja, ganz so schlimm war es dann doch nicht, aber einen guten Sinn für Humor und vor allem für Ironie besitzen Andy Falkous (guitar, vocals), Jon Chapple (bass) und Matt Harding (drums) allemal, für Post-Hardcore mit Pop-Appeal sowieso.

Mal davon abgesehen, daß Mcluskys Debüt-Scheibe eigentlich "My Pain And Sadness Is More Sad And Painful Than Yours" heißt, worin besteht denn für die Band der Hauptunterschied zum aktuellen Album? Man liest ja immer wieder von Leuten, daß das erste Album fast noch besser sei als "Do Dallas". Andy Falkous: "'Do Dallas' gibt genau das wieder, wie wir als Band sind. Beim Vorgänger hatten wir leider nicht die Möglichkeit, alles mehr oder weniger live einzuspielen, dort mußten wir die einzelnen Teile getrennt aufnehmen und daraus dann den Live-Charakter erzeugen, was einfach so nicht funktioniert. 'Do Dallas' ist natürlich das Gegenteil, dort brauchten wir nichts nachträglich zu erzeugen, denn wir haben es einfach so eingespielt und es spiegelt genau das wieder, was wir sind. Die Leute, die das erste Album besser finden, sind absolut verrückt! Sie sollten in einer sehr sicheren Einrichtung sein, sie sollten abgefahrene Zuordnungs-Test mit Bildern machen, dabei sollten Elektroden an ihren Genitalien angebracht sein. Ach, ich könnte ewig weiter machen...", lacht Sänger Andy Falkous, "aber wir sind schon stolz auf die Scheibe, aber es war damals nichts besseres machbar, denn wir hatten einfach nicht die Zeit und vor allem das Geld, um es an einem Stück einzuspielen. So brauchten wir ungefähr ein ganzes Jahr, um es aufzunehmen, weil wir immer mal wieder Pausen einlegen mußten, weil das Geld aufgebraucht war. Nunja, stolz sind wir immer noch, da gibt es einige gute Songs. Aber wie eben schon gesagt: Leute, die das erste Album besser finden, haben ein Persönlichkeits-Problem. Was manchmal auch gut sein kann: Seht euch Iggy Pop an!" Ein kleines Problem haben Mclusky momentan: Sie haben einfach nicht die nötige Zeit, um neue Songs zu schreiben. Sie sind seit einiger Zeit immer mal wieder auf Tour, haben nach wie vor ihre Dayjobs, und müssen natürlich Presse-Termine wahrnehmen. Hat man denn schonmal versucht, während der Tour Songs zu schreiben? "Nein, noch nicht, dafür passiert einfach viel zu viel, worum man sich selbst kümmern muß. Wenn wir jetzt Led Zeppelin-mäßig mit einem großen Tourbus unterwegs wären, Fuß-Stylisten hätten, jemanden, der unsere Sachen bügelt, dann vielleicht. Wir haben bisher fünf oder sechs neue Songs im Kasten, sie sind musikalisch insgesamt weniger aggressiv, textlich versuche ich, diesmal etwas genauer, fokussierter an die Sache heranzugehen, und nicht so nach dem Zufallsprinzip zu arbeiten", erläutert Andy. Könnte denn daraus auch mal ein epischer Mclusky-Song entstehen, der mal die sonst übliche 2-Minute-Grenze bei weitem sprengen würde? "Ja, sowas könnte es geben, wenn es passieren sollte, wird der Song auf keinen Fall langweilig sein. Wir spielen ab und zu Radio-Sessions, und da bekommt man ja die üblichen drei Songs, die man einspielt, und manchmal haben wir noch etwas Zeit übrig und versuchen, spontan einen neuen Song zu schreiben. So entstand z.B. neulich 'Date Celebreties Or Die', ein knapp 6-minütiges Stück, das wahrscheinlich auf dem nächsten Album zu finden sein wird. Oder vielleicht auch nicht, was dann bedeuten würde, daß wir inzwischen noch bessere Songs geschrieben haben", hofft Andy.

Die Band hat sich soweit auch mit dem Musik-Geschäft bzw. mit dem, was alles dazugehört (Interview-Tage, TV-Auftritte, etc.) schon weitesgehend abgefunden, brauchte bisher keinerlei Kompromisse - vor allem musikalischer Natur - eingehen, was auch nicht in Andys Sinne wäre: "Wenn man einen Plattenvertrag unterschreibt, muß man sich darüber im klaren sein, daß man mit einer idealistischen Punk-Rock-Haltung nicht sehr weit kommt, man würde niemals eine Platte rausbringen. Wir sind auf einem tollen Label [Too Pure], wir brauchten bisher musikalisch keinen einzigen Kompromiß eingehen, was absolut großartig ist. So wird es auch bleiben, ansonsten hören wir damit auf. Hm, vielleicht könnten Drogen von guter Qualität das ändern!" Jon: "Mit einem Zertifikat: 'Absolut kein Risiko!'" Wie gesagt, einen guten Sinn für Humor haben die Herren. Ein weiteres Beispiel gefällig? Thema "Jon stirbt nach der Show". Andy: "Wir hatten schon einige komische Situationen nach Shows, bei denen vor allem Jon zu leiden hatte. Heute ist es der Kopf. Neulich haben wir in Brighton in einem Club gespielt, wo es keine Lüftung gab, also gab es auch nicht genügend Sauerstoff. Man hätte nicht mal eine Kerze anzünden können! Und du hast ja gesehen, wie wir live spielen. Matt und ich waren komplett im Arsch, Jon war sowieso fertig, und irgendein Sanitäter schüttete ihm ein Glas kaltes Wasser über den Kopf, woraufhin er anfing, zu hyperventilieren!" Jon: "Dreieinhalb Stunden lang! Wißt ihr eigentlich, wie langweilig es ist, dreieinhalb Stunden lang in eine Tüte zu atmen?" Andy: "Es gab eine Zeit, wo wir mit dem Song 'Friends Stoning Friends' den Set beendet hatten, und wir haben den Song live mit der Zeit etwas verändert. Jon hatte sich dabei angewöhnt, sich während des Songs fünf Minuten lang das Mikro vor den Kopf zu hauen..." Jon: "...im Studio waren das Handclaps, was aber auf der Bühne recht pussy-mäßig rüberkam...also habe ich mir das Mikro vor den Kopf gehauen, fünf Minuten lang, und mit der Zeit hat sich das Muster vom Mikro auf meiner Stirn eingeprägt. Das hat vermutlich äußerst lächerlich ausgesehen..." Andy: "Ja, hat es. Er sah aus wie jemand, der etwas verstört war und nicht ganz die Bedeutung von Hinduismus verstanden hat." Gibt es denn Fotos von diesem Moment? Jon: "Leider nein, aber das beste Rock-N-Roll-Foto hat eh meine Freundin bei unserem Gig in Cornwall gemacht: Dort hatte sie einen Typen abgelichtet, der sich während unseres Gigs zweimal (!) die Nase gebrochen hatte und außerdem sein Gebiß demoliert hatte! Aber er war absolut stolz darauf, grinste - soweit das möglich war - blutüberströmt in die Kamera und nuschelte: 'Das war großartig! Ich komme auf jeden Fall wieder!'" Andy: "Cornwall ist sowieso seltsam. Dort gehen eine Menge Surfer-Typen zu den Shows, die in ihrer Freizeit von Klippen herunterspringen. Gebt ihnen aggressive Musik, einen Moshpit, und es wird zum lustigsten 3. Weltkrieg, den man sich vorstellen kann. Aber keiner wird ernsthaft dabei verletzt, denn alle sind so äußerst freundlich. Ich war früher auch oft in Moshpits, aber ich würde nicht im Traum daran denken, in Cornwall bei einem Gig nach vorne zu gehen! Wenn du dort eine amtliche Rock-N-Roll-Show spielst, werden die Leute dich mit Blut bezahlen! Was schon ziemlich cool ist..."

Mclusky
So locker sie sich auch geben, eine Sache macht vor allem Andy zu schaffen: Diese Angewohnheit vieler Leute, eine Menge Geld für eine Eintrittskarte zu bezahlen und dann die Band zu ignorieren und sich drei Stunden am Stück lauthals zu unterhalten. "Ja, sowas macht mich absolut rasend. Ich kann das einfach nicht verstehen. Wenn die Leute reden wollen, sollen die ihre Mum anrufen! Hier geht es schließlich um eine Rock-N-Roll-Show! Das ist momentan auch der Grund, warum wir 'Fuck This Band' [mit Abstand das leiseste Stück auf dem aktuellen Album] nicht live spielen, denn dort besteht die Möglichkeit, daß ich Leute reden höre, und darauf kann ich absolut nicht. Nicht bei einem Konzert. Derzeit spielen wir vorwiegend Shows, bei denen uns niemand so richtig kennt, vielleicht mal den ein oder anderen Songs gehört hat, darüber sind wir uns bewußt. Deswegen kann man auch nicht erwarten, daß uns alle Leute während des kompletten Gigs zuhören. Aber ich könnte mir erst dann vorstellen, den Song live zu spielen, wenn das Publikum das richtige ist." Leider hatte die Band an dem Abend in Dortmund den einzigen Stagediver bei ihrem Konzert nicht gesehen (sie waren gerade mit dem Song beschäftigt) - Andy: "Oh, das ist großartig. Den hatte ich gar nicht gesehen. Auf jeden Fall gibt es von uns eine Menge Respekt dafür! Ich weiß ja nicht, was die Coldplay-Fans in den hinteren Reihen davon gehalten haben, aber ich hoffe mal, daß sie es scheiße fanden! Wenn du von solchen Leuten zu hören bekommst, daß es der größte Haufen Musik-Mist war, den sie jemals gehört hätten, dann haben wir alles richtig gemacht!" Mclusky. Großartige Band, großartige Musik. So auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf dem nächsten Album, das wiederum von Steve Albini produziert werden wird. Freuen wir uns darauf!

Weitere Infos:
www.mclusky.com
Interview: -David Bluhm-
Fotos: -Pressefreigaben-
Mclusky
Aktueller Tonträger:
Do Dallas
(Too Pure/Beggars Group/Connected)
 

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