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16.09.2002
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AIMEE MANN

Muskulös

Aimee Mann
Sie mag das alles nicht besonders. Aimee Mann sitzt da, bei ihrem ersten Interview-Termin nach der Mittagspause, und sieht aus, als würde sie am liebsten sofort wieder zurück ins Restaurant. Stocksteif, ernst, hinter einer Hornbrille versteckt. Vielleicht musste sie schon zu oft immer wieder die gleichen Fragen beantworten. Na schön: Welche Frage kann sie schon nicht mehr hören? "Am schlimmsten finde ich es, wenn ich nach der Bedeutung irgendeines Songs gefragt werde. Als ob es so einfach wäre, als ob ich dann sagen könnte, dieser Song sei über meine Beziehung, und in jenem da ginge es um eine Jugendliebe, oder was weiß ich. Solche Fragen zeigen immer bloß, dass derjenige, der sie stellt, es sich möglichst einfach machen will." Na schön, sie will nicht nach "Lost In Space" gefragt werden, ihrem neuen Album, das wunderschöne, kraftvolle Balladen über allerlei Gestrandete und Gestrauchelte enthält. Man muß sich schon seine eigenen Gedanken dazu machen, Aimee Mann kann da nicht helfen.

Dabei hätte man annehmen können, dass sie eher die Fragerei nach ihrem Stress mit ihrer alten Plattenfirma nervt. Falsch angenommen, sie gibt bereitwillig Auskunft. "Als Interscope damals 'Bachelor No. 2' nicht veröffentlichen wollte, weil es ihnen zu wenig radiotauglich war, habe ich endlich kapiert, dass man sich großen Plattenfirmen nur dann unterordnen kann, wenn man seine eigene Arbeit nicht ernst nimmt. Jedem, der seine eigenen Ideen verwirklichen will, bleibt nur, alles selbst in die Hand zu nehmen." Aimee Mann hatte Interscope daraufhin die Rechte an dem Album abgekauft und es ohne großen Promotions-Aufwand selbst veröffentlicht - mit beachtlichem Erfolg.

Aimee Mann
Den hat sie genossen und sich eine Auszeit gegönnt, lieber Zeit mit ihrem Mann verbracht, als auf große Tour zu gehen, wie es viele ihrer Kollegen und Kolleginnen machen. Sie ist niemand, der das Leben auf der Straße liebt. "Ich gebe lieber ein paar Konzerte und fahre dann wieder nach Hause. Keine Ahnung, wie die anderen diese ewigen Tourneen durchstehen. Unter Drogen, schätze ich. Wenn man immer nur im Tourbus sitzt, dreht man doch durch." Spricht so eine Vollblutmusikerin? "Das bin ich nicht. Ich sehe das als meinen Job, und ich glaube, ich mache ihn gut. Aber es gibt in meinem Leben noch wichtigere Dinge als Studios, Tourneen und Interviews. Ich kann gut damit leben, mal für eine Weile von der Bildfläche zu verschwinden." Eine der letzten Tourneen, die sie absolviert hat, nannte sich "Acoustic Vaudeville" und präsentierte sie zusammen mit ihrem Mann Michael Penn, ebenfalls ein Songwriter. Eine große Ausnahme, denn üblicherweise scheut sie die Arbeit mit ihm fast sehr, wie ein Chirurg einen Eingriff an seiner eigenen Ehefrau. "Wir leben zusammen. Stell dir mal vor, du würdest den ganzen Tag deiner Frau im Büro gegenüber sitzen. Das geht doch nicht gut."

Aimee Mann wirkt langsam entspannt. Sie hat es gleich geschafft, sie hat wieder einmal ein Interview hinter sich. Zum Abschied muss sie sich nun noch einen Kommentar zur Musik anhören. Keine Frage, denn die mag sie schließlich nicht. Also: Ihr neues Album "Lost In Space" zeigt wieder mal, was sie von anderen Songwriterinnen unterscheidet. Nämlich, dass ihre Songs deutlich mehr Muskeln haben. "Tja, so bin ich", lacht sie endlich. "Die muskulöse Aimee."

Weitere Infos:
www.aimeemann.com
Interview: -Christian Zeiser-
Fotos: -Pressefreigaben-
Aimee Mann
Aktueller Tonträger:
Lost In Space
(V2/Zomba)
 

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