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10.03.2003
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THE KILLS

Dreckig und böse

The Kills
The Kills sind vor allem eines: dirty. Aber genau das macht sie so anziehend! Sie sind jung, laut und ungehobelt und bringen genau das Maß an Respektlosigkeit mit, das man heute braucht, wenn man nicht als Spielball der großen Plattenfirmen enden will. Ohne besonders originell zu sein, verarbeiten sie in ihrer Musik Einflüsse von The Velvet Underground, The Jesus And Mary Chain oder Sonic Youth und geben sich dabei wie die Royal Trux des neuen Jahrtausends. Die Amerikanerin VV (alias Alison) und ihr englischer Partner Hotel (Jamie für seine Freunde) spielen den Blues, in der bösen, großstädtischen Variante, bei der Songtitel wie "Fried My Little Brain" oder "Fuck The People" nicht wirklich ironisch gemeint sind. Passend dazu heißt ihr Debütalbum auch "Keep On Your Mean Side".

Nachdem die zwei anfangs ihre Songs durch einen Ozean getrennt aufgenommen haben, leben sie nun beide in London, obwohl sie letztes Jahr des Öfteren mit dem Gedanken gespielt haben, nach New York überzusiedeln. "Die britische Musikszene der letzten zehn Jahre kannst doch komplett vergessen. Deshalb fühle ich mich, soweit es die Musik angeht, der britischen Tradition nicht besonders verbunden. Als VV nach London kam, war dort nicht viel los", erinnert sich Hotel beim Treffen mit Gaesteliste.de in Köln. "Es gab einfach keine Band, die dich völlig umgehauen hätte, noch nicht mal eine, mit der wir gerne zusammen auf der Bühne gestanden hätten. Keine einzige! Das war allerdings gleichzeitig auch eine tolle Herausforderung, weil wir das Gefühl hatten, dass dies genau der richtige Zeitpunkt sei, um etwas Neues anzufangen." Alles andere als neu ist dabei das Equipment, das die beiden benutzen. Entstanden ihre frühen Aufnahmen noch mit Vierspurgeräten und zweckentfremdeten Telefonmikrofonen, achten die beiden auch jetzt strikt darauf, dass ihre Aufnahmen ohne digitale Hilfsmittel entstehen. Der Analog-Studiotempel Toe Rag in London war für die Aufnahmen des Debütalbums deshalb ebenso erste Wahl wie Produzent Liam Watson, der früher Bands wie The Headcoatees oder Television Personalities betreut hat und in letzter Zeit für die White Stripes oder die Datsuns am Mischpult stand. Dass "Keep On Your Mean Side" bei einem Indielabel erscheint, muss man da kaum erwähnen. Es stellt sich aber die Frage, wie sinnvoll die in der Vergangenheit bereits mehrfach gehörte Äußerung der Kills ist, sie würden nie und nimmer bei einem Major unterschreiben. Solche Aussagen können einem bekanntlich in einigen Jahren schwer um die Ohren fliegen, oder? "Ich habe aber auch immer gesagt, dass ein Grund dafür, warum die Linken und die Liberalen nicht die Rolle spielen, die sie spielen könnten oder sollten, der ist, dass sie auf archaische, altmodische Methoden zurückgreifen", erwidert Hotel. "Die Welt dagegen hat sich verändert und du musst dich anpassen. Auf diesem Hintergrund muss man auch unser Statement sehen. Natürlich wissen wir nicht, was in zehn Jahren ist. Ich denke nicht, dass wir je bei einem Major unterschreiben werden, weil ich einfach nicht an das glaube, was damit zusammenhängt, aber ich will mich auch nicht groß zanken, denn letztendlich gibt es ja vermutlich nur drei Großunternehmen, die irgendwie in allen anderen Plattenfirmen die Finger drin haben. Wenn du das als Band umgehen willst, bleibt dir nur die Alternative, dich in einem Schuppen im Wald zu verstecken." Interviews also nicht nur als Mittel zum Zweck, Platten zu verkaufen, sondern wirklich mit inhaltlichen Hintergedanken? "Für uns sind Interviews eine Chance, das rüberzubringen, was uns wichtig ist, weil wir wissen, dass wir mit unseren Überzeugungen heute schon fast Außenseiter sind", ist sich Hotel sicher. "Wir wollen bei einem Indie-Label unter Vertrag sein, wir wollen die volle künstlerische Kontrolle behalten, wir wollen auch weiterhin die Master-Tapes unserer Aufnahmen besitzen, deshalb haben wir selbst mit den Indies nur Lizenzdeals. Ich möchte eine Musikszene sehen, in der solche Dinge wieder wichtig sind. Wie populär wir wohl sind, ist dagegen etwas, über das wir nie nachdenken."

The Kills
Wie wichtig ihnen die Integrität der Band ist, bewiesen die zwei schon vor der Veröffentlichung ihres ersten Tonträgers, der "Black Rooster EP" letzten Herbst. Letzten Sommer, keine sechs Monate nach ihrem ersten Konzert in England, gingen die Kills nämlich auf eine selbst gebuchte und selbst finanzierte dreimonatige USA-Tournee. War das mehr ein Abenteuerurlaub, oder verdient diese Achterbahnfahrt wirklich den Ausdruck "Konzertreise"? "Es war schon ein völliges Abenteuer, aber dennoch ging es immer zuerst um die Musik", erklärt uns VV. "Wir wollten einfach die Erfahrung machen, wie sich das anfühlt, wenn du nach Amerika kommst und von Küste zu Küste Konzerte spielst, ohne dass dich jemand kennt. Wir haben so viel Zeit investiert, das Ganze zu buchen, dass wir gar keine Zeit hatten, und darüber Gedanken zu machen, was alles schief gehen könnte. Wir haben einfach die Koffer gepackt und sind nach einem Konzert in London ins Flugzeug gestiegen. Als wir ankamen, mussten wir tausend kleine Dinge tun, die nötig sind, um in den USA auf Tour gehen zu können, und wir sind wie verrückt durch die Gegend gehetzt, weil wir nur einen Tag hatten, um alles zu organisieren. Und das Durcheinander hat für die kompletten drei Monate angehalten!" Hotel ergänzt: "Wir hatten keinen Schimmer, was alles über uns hereinbrechen würde. Jeder Tag war eine neue Erniedrigung. Als wir die Konzerte gebucht haben, konnten wir nicht absehen, ob überhaupt jemand kommen würde, ob es auch nur eine Seele interessieren würde, dass wir auf Tour sind. Jeder einzelne Tag war wie: 'Fuck, we're playing in New York! Fuck, we're playing in Ohio! Und der Laden ist voll!' Es war schon ziemlich verrückt."

Weitere Infos:
www.thekills.tv
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigabe-
The Kills
Aktueller Tonträger:
Keep On Your Mean Side
(Domino Records/Zomba)
 

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