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02.04.2003
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DAN BERN

Was du hörst, ist da!

Dan Bern
Die neue CD des US-Barden Dan Bern, die dieser mit seiner Band, der International Jewish Banking Conspiracy einspielte, heißt "Fleeting Days". Entgegen diesbezüglicher Vermutungen handelt es sich hier aber - anders als bei des Meisters brisanten EPs - nicht um ein sozialpolitisches, sondern um ein emotionales Statement. "Weißt du, diese Songs kommen alle von einem sehr düsteren Ort", meint Dan mit nachdenklicher Stimme, "es war für mich immer schon so, dass die Tage für mich eher flüchtig erschienen. Mein Motto war stets 'Carpe Diem' - 'Nutze den Tag'. Es handelt sich bei den neuen Songs vorwiegend um Liebeslieder. Es geht darum, Dinge zu verlieren, es geht um Dinge, die sich ändern. 'Flüchtige Tage' summiert das für mich irgendwie." Und ist nicht die Liebe selbst auch ein flüchtiges Ding? "Ja klar, besonders wenn sie wieder weg ist", stimmt Dan zu, "wenn du verliebt bist, dann fühlt es sich an, als sei es für immer. Blickst du dann zurück, wenn alles vorbei ist, erkennst du, was für eine kurze Zeit das gewesen ist. Ich denke, es ist am besten, wenn man sich dessen bewusst ist - auch oder gerade wenn man verliebt ist."

Das, was Dan hier eher analytisch schildert, wird im zentralen Track der Scheibe, "Closer To You", eindrucksvoll zu Gehör verbracht. Dieser Song weicht auch musikalisch sehr von dem ab, was Dan ansonsten so zu bieten hat. Ja, es scheint, als sei dieses schleppende, musikalisch desolate Stück der Soundtrack eines Verdammten. Wer ist denn dieser bemitleidenswerte Typ? Dan schmunzelt: "Jeder Charakter auf dieser Scheibe ist irgendwo auch eine Reflektion meiner selbst. Dieser Song ist nun ganz besonders düster. Es geht um eine Beziehung, der quasi keine Möglichkeit gegeben wurde, zu passieren. Es geht um dieses Sehnen, dass es eines Tages doch noch klappen möge, obwohl klar ist, dass das nicht bald passieren wird. Der Refrain ("Closer To You") drückt dieses aus, während der Typ in den Strophen doch eher die Schwierigkeiten analysiert. Er bemüht sich. Es ist kein 2-stündiger Film, es ist ein 4-minütiger Song über den Versuch, eine Distanz zu überbrücken." Wenn auch "Closer To You" einer der dunkelsten Songs sein dürfte, die Dan jemals geschrieben hat, heißt das nicht, dass der Mann auf dieser CD seinen Witz über Bord geworfen hat. Zwar gibt es nicht unbedingt ein neues "Tiger Woods", aber doch jede Menge Ironie zwischen den Zeilen. Besonders, wenn es um die Damen geht. "Die Mädels in den Songs, z.B. 'Jane' sind meist Zusammensetzungen von mehreren Personen. Ich mag zwar jeder einzelnen erzählt haben, dass ich den Song nur für sie geschrieben habe - ha, ha - aber es sind in Wirklichkeit drei. Hier geht es ganz einfach um diesen fröhlichen, leichtherzigen Zustand, in dem du dich befindest, wenn du jemandem nahe bist, den du magst. Dann fühlst du dich gleich wieder 12 Jahre alt. Das kommt auch in der Musik zum Ausdruck." In diesem Falle handelt es sich um ein Up-Tempo Rockabilly Stück. Es fällt auf dieser Scheibe überhaupt auf, dass Bern hiermit offensichtlich weg möchte vom verträumten akustischen Bob Dylan Image. Der erste Track hört sich sogar an, wie seine Version von Bruce Springsteen. "Nun, ich weiß nicht, ob es meine Version ist", überlegt Dan, "der Anstoß lag vielleicht bei Bruce. Die Scheibe, die der Typ da in der ersten Strophe hört, ist eine von Bruces Scheiben. Es ist nicht die neue, 'The Rising', sondern eine ältere, von der ich nicht sagen möchte, welche ich meine. Das ist aber nur der Beginn. Du musst ja mit etwas anfangen, wenn du eine Geschichte erzählen willst. Es geht darum, dass der Typ aufwacht und etwas hört, womit sein Tag beginnt. Die Scheibe, die er hört, wurde von jemandem zurückgelassen, der jetzt nicht mehr da ist. Auch hier geht es also um Verlust - deshalb auch 'Baby, Bye, Bye'."

Was sich an diesen Song anschließt, klingt wie ein Streifzug durch die gesamte musikalische Historie der USA - vom Rock über den Rockabilly bis hin zum Gospel. Ein gutes Beispiel ist z.B. der Song 'Graceland'. "Der entstand nach einem Besuch in 'Graceland'", erinnert sich Dan, "ich habe mich tatsächlich angestellt, um mir das Haus anschauen zu können. Ich war ganz aufgeregt und mir war durchaus bewusst, dass Paul Simon und Marc Cohn ihre Graceland-Songs schon geschrieben hatten. Der Song macht sich zwar ein wenig darüber lustig, aber letztlich ist es meine Hommage an Elvis. Es mag ein wenig kitschig erscheinen, aber es war wirklich großartig. Bis dahin hatte ich immer nur seine Musik gemocht und ihn als amerikanisches Idol akzeptiert. Es war mir jetzt zwar zunächst ein wenig peinlich, aber als ich dann da war und in diese Welt eintauchen konnte, wurde mir noch mal sein Einfluss auf nahezu jedes amerikanische Unterhaltungsgenre bewusst. Es wurde mir auch klar, dass Elvis einen großen Einfluss auf alle Leute hatte, von denen ich selbst beeinflusst wurde." Ist diese Erkenntnis vielleicht auch der Grund, warum die Scheibe musikalisch ein wenig traditioneller geraten ist, als Dans bisherigen Werke? "Ich denke, eine Menge von dem Zeug, ist das, was ich eh schon immer mache. Aber es war bisher noch nicht auf den Platten zum Tragen gekommen. Meine Scheiben waren eher immer auf die Texte ausgerichtet und musikalisch eher folky", erläutert Dan, "das werde ich auch weiter machen. Aber diese Mischung aus Rock, Rhythm'n'Blues und Pop wie auf der neuen Scheibe liegt mir auch am Herzen. Und diese Scheibe, in dieser Art zu diesem Zeitpunkt machen zu können, war mir wirklich sehr wichtig. Ich fühlte, dass ich diese Scheibe einfach machen musste, damit ich auch weiterhin Songs schreiben könnte. Ich musste mir praktisch innerlich Luft machen, um weiter kreativ sein zu können." Das heißt, 'Fleeting Days' ist Dan Berns Hommage an seine Einflüsse? "Vielleicht mehr in den Songs", schränkt Dan ein, "wenn du es aber hören kannst, dann ist es da. In 'Graceland' ist es offensichtlich. Wenn du aber in den anderen Songs heraus hörst, dass ich die Beatles gehört habe, dann ist es auch da..."

Dan Bern
Es ist jedenfalls der rechte Zeitpunkt, eine solche bandorientierte Scheibe mit Fleisch auf den Rippen zu machen, denn im Mai will Dan Bern auch endlich auch einmal mit der ganzen Band auf Tour zu uns kommen. Da gibt's dann die volle Dröhnung. Wie schon angedeutet: Politische Töne wird man auf 'Fleeting Days' nicht finden. Dafür hat Dan ja seine EPs. Die letzte, "The Swastika EP", enthält z.B. neben dem Titeltrack - in dem Dan anprangert, dass die Nazis die wahre Bedeutung des Hakenkreuzes als Glückssymbol pervertierten - auch den schon von den Live-Konzerten bekannten 'Talkin' Al Kida Blues', in dem sich Dan auf humoristische Weise mit 9-11 auseinandersetzt. Das hat aber seinen Grund. "Wenn ich diese EPs nicht machen könnte, gingen diese Songs wohl verloren", erklärt Dan, "wenn du eine CD machst, und viel Zeit und Geld da rein steckst, dann möchtest du auch, dass diese eine ganze Zeit lang gültig ist. Du wirst dann nicht Songs draufpacken, die an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden sind, die den Leuten momentan vielleicht etwas sagen, aber eben später nicht mehr. Ich verwende also meine EPs um Songs zu veröffentlichen, die sich an zeitnahen Themen orientieren." D.h.: es wird eine Fortsetzung vom "Al Kida Blues"-Thema geben? "Definitiv, ich habe zuletzt viel über das geschrieben, was gerade jetzt passiert." Wieviel Arbeit ist es denn, die Balance zwischen Lachen und Weinen zu wahren - was ja gerade bei politischen Songs sehr schwierig sein dürfte? "Das passiert einfach so von selbst, weil das die Art ist, wie ich selbst auch die Dinge betrachte", überlegt Dan, "manchmal artet es einfach in schwarzem Humor aus. Du musst diese Dinge einfach so betrachten, weil es sonst unerträglich wäre. Viele Komiker - Lenny Bruce, die Marx Brothers - haben den Humor dazu verwendet, Ideen zu präsentieren, mit denen sich die Leute ansonsten nicht beschäftigt hatten." Nun ist es ja weithin so, dass einem die politische Korrektheit zu diktieren sucht, wie weit man hierbei gehen darf, über was man Witze machen darf und über was nicht. Wenn man einen Charakter namens Al Kida ins Spiel bringt, lehnt man sich heutzutage ja schon recht weit aus dem Fenster. Gibt es denn etwas, was Dan Bern nicht machen würde? "Ich denke, es hat immer auch mit dem Timing zu tun", erklärt Dan, "z.B. habe ich den 'Al Kida Blues' ja sieben Monate nach 9-11 geschrieben - nachdem ich mich eine ganze Zeitlang ernsthaft und respektvoll mit dem Thema auseinandergesetzt habe. An diesem Punkt fühlte ich indes, dass es notwendig war, ein bisschen die Luft raus zu lassen - und darauf hinzuweisen, dass die Nachwehen dieses Ereignisses von gewissen Parteien und Kräften in nicht eben konstruktiver Weise verwendet wurden." War Dan Bern denn von den Ereignissen nach 9-11 überrascht? "In gewisser Weise nicht", gibt er zu, "die Leute an der Macht tendieren dazu, alles in ihrem Sinne auszunutzen. Deshalb bin ich nie darüber überrascht, wie zynisch die Leute sein können. Andererseits ist es aber doch immer wieder erstaunlich zu sehen, dass es tatsächlich auch passiert."

Weitere Infos:
www.danbern.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Dan Bern
Aktueller Tonträger:
Fleeting Days
(Cooking Vinyl/Indigo)
 

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