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08.08.2003
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PERNICE BROTHERS

Melodieverliebt

Pernice Brothers
Ohne die großartigen Streicherarrangements ihres letzten Albums "The World Won't End", dafür aber mit einem direkten Power-Popsound, der seinesgleichen sucht, melden sich die Pernice Brothers mit dem Album "Yours, Mine And Ours" zurück. Bevor es im Oktober endlich eine ausgiebige Europa-Tour geben soll, sprach Gaesteliste.de mit Mastermind Joe Pernice, derzeit unterwegs quer durch Amerika. "Wir sind gerade in Laurence, Kansas, und die Tour läuft großartig", berichtet uns der Mann mit der markanten Stimme. Und alleine das ist schon eine bemerkenswerte Aussage, schließlich erzählte Joe noch vor einiger Zeit, dass die allabendlichen Konzerte der Teil des Musikerjobs seien, der ihm am wenigsten läge.

"Als ich das gesagt habe, war ich es einfach noch nicht gewohnt, so lange auf Tournee zu gehen. Jetzt mag ich die Songs mehr, und die Band hat auch schon länger zusammen gespielt, und das hat uns alle mehr zusammengeschweißt." Und das, obwohl die Band aus Massachusetts auf dieser Tour mit Keyboarderin Laura Stein und Drummer Mike Belitsky gleich zwei Mitglieder ersetzen musste. Für sie sprangen allerdings alte Bekannte ein. "James Walbourne spielt sonst mit Peter Bruntnell in England. Wir sind schon seit Jahren befreundet, das hat es für ihn ziemlich einfach gemacht, zur Band zu stoßen und einfach mitzuspielen. Unser neuer Schlagzeuger ist Pat Berkery, er spielt sonst bei den Bigger Lovers. Beide sind gute Musiker, und weil die Platte ja schon fertig war, mussten sie sich einfach die Aufnahmen anhören und die Songs lernen, was ihnen ziemlich leicht gefallen ist. Beide sind aber voraussichtlich nur vorübergehend dabei."

In vielerlei Hinsicht ist dieses Album "nur" die konsequente Fortsetzung des Vorgängers "The World Won't End": Mit mehr konventionellen Rock-Rhythmen ist Joe Pernice nämlich auch auf seinem achten Album weiter auf der Suche nach dem perfekten Popsong. Rund zwei Dutzend Stücke standen ihm für "Yours, Mine And Ours" zur Verfügung, allerdings haben es nur zehn auf die fertige Platte geschafft. War der Auswahlprozess kompliziert? "Wir haben zwölf oder dreizehn Songs aufgenommen. Zwei der übrig gebliebenen werden wir vermutlich noch fertig stellen, einer hat sich einfach verflüchtigt. Die richtigen Stücke zu finden war dieses Mal allerdings leichter als je zuvor. Ich habe einfach eine Liste gemacht und bin sie durchgegangen: Ja, nein, ja, nein, nein, ja! Das war's! Hat mich keine fünf Minuten gekostet!"

Neu ist, dass die Texte durchgängig weniger depressiv sind. Musikalisch schien bei den Pernice Brothers schon immer die Sonne im Sinne der Beatles / Beach Boys / Byrds, dass sie dies nun auch textlich tut, nimmt den Amerikanern einen Teil ihrer Identität, macht sie aber unter dem Strich keinen Deut weniger sympathisch. In Amerika hat das Album zudem schon massig Vergleiche mit New Order und den Smiths inspiriert. "Es gibt bei einem Stück eine sehr direkte Hommage an New Order", verrät Joe, ohne uns den fraglichen Track namentlich nennen zu wollen. "Es gibt auch einen Song mit einer eindeutigen Smiths-Referenz, aber die hat noch niemand gefunden! Die Vergleiche mit den Smiths, die ich ohne Frage geliebt habe, kommen vermutlich aber daher, weil in Kürze mein Buch 'Meat Is Murder' erscheint." Der New Yorker Continuum Verlag plant nämlich eine ganze Reihe mit kurzen Büchern, die schlicht und ergreifend von einer einzigen LP handeln. Eine Album-Besprechung im Buch-Format also. Obwohl Joe "Meat Is Murder" als eine der wichtigsten Platten seines Lebens bezeichnet, hätte er eine Mega-Kritik nicht schreiben wollen. Also schlug er dem Verleger vor, einen Kurz-Roman zu verfassen, der von einem Jungen handelt, dessen Leben durch die Smiths-LP nachhaltig verändert wird. Erscheinen wird das Werk im Oktober - wenngleich leider wohl nur in den USA.

Pernice Brothers
Das Buch und die groß angelegte Pernice-Brothers-Tournee diesen Herbst ist allerdings längst nicht alles, was Joe in den kommenden Monaten vorhat. An anderer Stelle verriet er bereits, dass er plane, ein weiteres Album mit seinem Side-Project Chappaquiddick Skyline aufzunehmen. "Ja, die Chancen, dass wir eine weitere Platte machen, stehen ziemlich gut. Die Songs habe ich schon zusammen, und die Arbeit mit Chappaquiddick Skyline ist viel relaxter als meine sonstigen Projekte. Ob es meine nächste Platte wird, kann ich noch nicht sagen, vielleicht wird es davor noch eine Pernice-Brothers-Scheibe geben. Aber sobald wir eine Tour-Pause haben, werden wir wohl ziemlich sicher wieder ins Studio gehen." Zum Schluss hätten wir gerne noch gewusst, wie sich die nächste Chappaquiddick-Skyline-Platte wohl anhören könnte. Schließlich war die erste Arrangement-technisch ziemlich zurückgenommen. Und jetzt, wo selbst die Pernice Brothers auf ausladende Arrangements verzichten - was bedeutet das für den Sound des Side-Projects? "Ich habe keinen Schimmer! Eine Idee ist, es mehr als Kollaboration anzugehen. Ich könnte die Songs zusammen mit den anderen Jungs schreiben. Das ist ja etwas, was ich noch nie zuvor gemacht habe. Chappaquiddick Skyline soll ein Auffangbecken für all die Ideen werden, die ich nicht mit den Pernice Brothers umsetzen will. Was das genau sein wird? Your guess is as good as mine!"

Weitere Infos:
www.pernicebrothers.com
Interview: -Herbert Viola-
Fotos: -Hannah Thompson-
Pernice Brothers
Aktueller Tonträger:
Yours, Mine And Ours
(One Little Indian/Zomba)
 

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