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10.09.2003
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FRANK BLACK & THE CATHOLICS

Der Herr der Tränen

Frank Black & The Catholics
"Zeig' mir deine Tränen" nennt Charles Thompson alias Frank Black seine neue Scheibe. Das assoziiert, dass der Mann was vom Leiden und Weinen versteht. Das neue Werk - dieses Mal vergleichsweise reich an obskuren Geschichten und eher arm an verschrobenen Charakteren - ist denn auch eine Spur düsterer und salziger als seine letzten Werke. Allerdings nur ein wenig, denn stilistische Ausflüge in Genres wie Glam-Rock, besten Pixies-Sound oder andererseits auch Jazz, Blues & Country sorgen musikalisch für farbenfrohe Tupfer und eher positive Energien. "Das liegt in der Natur der Country-Musik", begründet Frank dieses, und erläutert, warum er letztlich in diese Richtung tendiert, "ich denke, das hat mit dem Alter zu tun. Erst heutzutage ist es mir z.B. möglich, mich dem Jazz zu öffnen. Ich habe das als junger Mann erfolglos versucht, aber heutzutage klingt John Coltrane ziemlich gut für mich. Und was den Country betrifft: Da möchte ich, wie bei aller kontemporären Musik, lieber das Original hören, lieber Hank Williams, oder Johnny Cash als das, was in den Charts zu hören ist. Diese zeitgenössischen Experimente sind für mich nahezu unhörbar. Ich fühle mich gleichzeitig ein wenig schuldig, wenn ich das sage, denn die Leute heute machen heute auch ihr Ding und das ist okay, aber mein Ding ist es nicht."

Frank Black als Traditionalist? Wer hätte das gedacht? Doch schon bei einem früheren Gespräch verriet uns der Mann, dass es ihm nicht mehr darum ginge, Dinge neu zu erfinden, sondern lediglich darum, sich selbst zu amüsieren. Eine Einstellung, die von vielen Songwriterkollegen so nicht geteilt wird, die meinen, man müsse sich selbst ständig neu herausfordern. "Das ist eine Position, die ich nachvollziehen kann", räumt Frank ein, "aber erstens ist schon alleine eine herausfordernde Vorstellung, mich amüsieren zu wollen - es ist nämlich nicht einfach, mich zu amüsieren und zweitens sehe ich meine Herausforderung im Bezug auf das Songwriting darin, mich emotionell immer mehr zu öffnen und immer persönlicher zu werden. Nicht bei jedem Song, aber immer öfter. Besonders auf der neuen Scheibe ist dies so. Nicht nur wegen meiner diesbezüglichen Bemühungen, sondern wegen meiner Lebensumstände." Hier und in Bezug auf die Tränen des Albums orakelt Frank dann seltsam herum, ohne direkt auf den Punkt zu kommen. "Nun, auf eine Weise kann dich das Leben zuweilen mit richtig akutem Schmerz konfrontieren - im Gegensatz zu Schmerz, den du durch andere Leute wahrnimmst. Oder Schmerz, der dir vor langer Zeit passiert ist. Und das war in diesem Fall eine Inspirationsquelle. Alles auf dem Album passierte, während ich es aufnahm." Wobei er dann zunächst nicht damit herausrückt, worin konkret dieser Schmerz bestand. Ändert sich denn durch diesen Prozess die Wahrnehmung als solche? Z.B. in Bezug auf die von Frank kreierten Personalities, die seine Songs bevölkern? "Ich weiß nicht", überlegt Frank, "nimm z.B. 'Nadine' - das ist ein Charakter, aber der Song ist eher über mich und meine Interaktion mit dieser Nadine und ihrem Einfluss auf mich. Das habe ich aber schon immer so gemacht." Und warum heißt dieses Album denn "Show Me Your Tears"? "Gar nicht mal so sehr wegen des Schmerz-Faktors", räumt er ein, "wir haben ein paar Stücke nicht auf das Album genommen und einer davon heißt eben 'Show Me Your Tears'. Es geht in diesem Song gar nicht um Schmerz. Wir hatten uns aber als Spiel überlegt, den Titel eines Songs als Albumtitel zu nehmen, der sich nicht auf der CD befand. Es stellte sich dann aber heraus, dass die emotionale Stimmung des Albums ganz gut zu diesem Titel passte."

Ein musikalischer Aspekt, warum die Songs auf dieser Scheibe ein wenig morbider sind, als das, was Frank für gewöhnlich abliefert, könnten auch die Gäste sein, die dieses Mal mitwirkten: "Ich arbeitete an dem 'Mirror-Man' Projekt von David Thomas (Pere Ubu) mit - trug dort einige der Monologe vor", erzählt Frank, "dabei habe ich auch Van Dyke Parks getroffen. Er ist ein Freund unseres Produzenten Stan Ridgeway, der auch bei 'Mirror Man' mitmachte. Van Dyke spielt auf meinem Song 'Manitoba' mit und Stan spielt alle Mundharmonika-Parts auf der neuen Scheibe. Keine Blues-Harmonika, sondern eine 'Chuckwagon'-Harmonika, eine Country-Harmonika. Das Saxophon auf 'The Snake" spielt dieser Typ von der Blues Band The Kidney Brothers, David Thomas Lieblingsband. Und dann sind noch die Pale Boys, David Thomas' anderer Band dabei - und Joey Santiago..." Nun, das sind ja eine Menge Misanthropen auf einen Haufen. Hat denn Frank selbst vielleicht auch einen Teil dazu beigetragen? Indem er z.B. mehr auf dem Piano geschrieben hat? "Ich versuche das immer", räumt er ein, "aber ich bin nicht so gut, was ein wenig frustrierend ist. Öfters beginne ich Stücke auf dem Piano, wechsle dann aber aus Gewohnheit zur Gitarre - wie z.B. bei 'Everything Is New'. Ich muss aber einräumen, dass mich das Komponieren auf dem Piano öfters auf neue Ideen bringt, auf die ich ansonsten nicht gekommen bin. Ich wünsche mir selbst, ich würde es öfter machen." Und was hat es mit den Geschichten auf sich, die Frank auf der neuen Scheibe zum Besten gibt? Worum geht es z.B. in dem seltsam anmutenden Song "Manitoba"? "Es geht um dieses kleine Mädchen, das in Manitoba lebte, und das von den Lichtern eines Feuerwehrautos fasziniert wurde. Sie hatte so was vorher noch nie gesehen und sie folgte den Lichtern des Autos, verirrte sich und war mehrere Tage verschwunden. Sie wurde dann gefunden, aber sie wurde nicht richtig behandelt - das war in den 40ern - und wurde stumm durch diese Erlebnisse. Sie kam in eine Institution, in der sie heute noch lebt. Es geht dabei um die Tante eines Freundes von mir." Das ist nun wahrlich eine interessante, wenngleich auch seltsame Geschichte. Wie kommt man denn auf die Idee, aus so etwas einen Song zu machen? "Mich interessierte die Dramatik dieser Geschichte", verrät Frank, "und das ist schon etwas besonderes, denn normalerweise schreibe ich mir Geschichten nicht auf, die mir Leute erzählen, um da nachher einen Song daraus zu machen." Jedenfalls ist es eine Geschichte, die durchaus mit Schmerz (und vermutlich auch Tränen) zu tun hat. Ein anderer Song wird da schon konkreter: "New House Of The Pope". "Ja, das ist die alte Geschichte von der Frau, die dich nicht mehr liebt, weswegen du dich dann schlecht fühlst. Es geht aber auch um meinen Lieblingswein, 'Chateauneuf du Pape' es ist eine Wortspielerei."

In der Info zur Scheibe empfiehlt Frank den Konsum dieser CD wechselseitig mit einer Flasche Scotch und einer Flasche Rotwein zu unterstützen. Was konkret ihn dazu bewog, Songs etwa mit dem Titel "Horrible Day" oder "When Will Happiness Find Me Again?" zu schreiben (und sich obendrein in Therapie zu begeben), rutscht ihm dann eher in einem Nebensatz heraus, als er nämlich - nach dem Artwork befragt - damit herausrückt, dass dieses von seiner "zukünftigen Ex-Frau" (wie er es formuliert) gestaltet wurde. Nun, wenn Frank Black Songs als Katalysatoren von Stimmungen und Befindlichkeiten betrachtet, wie er an anderer Stelle sagte, dann hätte er sich zumindest mal die Therapie schenken können, denn in dem Tempo, in der er arbeitet, ist er wohl in der Lage, jede Lebenskrise innerhalb kürzester Zeit verarbeiten zu können.

Weitere Infos:
www.frankblack.net
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Pressefreigaben-
Frank Black & The Catholics
Aktueller Tonträger:
Show Me Your Tears
(Cooking Vinyl/Indigo)
 

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