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12.09.2003
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PRETTY GIRLS MAKE GRAVES

Ego-Versammlung

Pretty Girls Make Graves
Bands, die sich nach einem Song der Smiths benennen, können eigentlich nichts falsch machen. Wenn sie dabei auch noch großartigen Indie-Rock zelebrieren, haben sie schon gewonnen. Im Fall von Pretty Girls Make Graves aus Seattle trifft dies alles zu. Nach einer Reihe von Singles und EPs ist im vergangenen Jahr das Debüt "Good Health" erschienen, inzwischen sind Andrea Zollo (Gesang), Nick Dewitt (Drums), Derek Fudesco (Bass, Gesang), Nathan Thelen (Gitarre) und J Clark (Gitarre, Keyboards) auf dem Matador Label gelandet und konnten auf der neuen Scheibe "The New Romance" alles das ausleben, was ihnen am besten liegt: Vielseitigkeit, Abwechslung, Überraschung. Bis es allerdings soweit war, mussten einige Hindernisse überwunden werden - vor allem im Hinblick auf die verschiedenen Egos der einzelnen Band-Mitglieder.

"Einige Leute sagen, dass wir jetzt erwachsener klingen, weniger chaotisch. Wir legen jetzt mehr Wert auf den Song an sich, als auf unsere individuellen, egoistischen Bedürfnisse, wo sich jeder in der Vordergrund spielen will; da ist weniger 'ich, ich, ich', viel mehr 'wir, wir, wir'. Wir sind ja noch eine relativ junge Band, und bei dem ersten Album kannten wir uns alle noch gar nicht so richtig, wir wussten nicht, wie wir am besten zusammenarbeiten könnten. Drei oder vier Monate nachdem wir uns zusammengefunden hatten, waren wir auch schon auf Tour, wir hatten unsere erste EP aufgenommen, bevor wir überhaupt mal auf der Bühne gestanden haben. Das ging alles sehr schnell. Bei der neuen Platte hatten wir einfach die Zeit, uns besser kennenzulernen, vor allem, was das Songwriting betrifft. Wir haben uns mehr um die Arrangements gekümmert, und nicht so sehr darum, was jeder Einzelne von uns so drauf hat", erzählt Nick Dewitt im Gaesteliste.de-Interview. "The New Romance" heißt das neue Album, und obwohl das Artwork in keinem Zusammenhang mit dem Titel steht, sagt es doch einiges über die Band bzw. über den aktuellen Zustand der Band aus. J: "Wir hatten vor einiger Zeit einen anderen Titel für das Album: 'Race'. Dieser hatte natürlich einen größeren Bezug zum Foto auf dem Cover [auf dem ein Pferdekopf zu sehen ist], aber er hat dann irgendwie doch nicht um Inhalt der Platte gepasst - also haben wir uns darauf geeinigt, das Album nach dem Song 'The New Romance' zu benennen. Dieser Titel sagt mehr darüber aus, wo wir uns als Band befinden und wie wir uns fühlen." Nick ergänzt: "Vor allem auch das Gefühl gegenüber der Vergangenheit - vor einem Jahr hätte sich die Band beinahe aufgelöst, wir konnten einfach nicht mehr miteinander umgehen. Die Ironie des Titels ist, dass er im Prinzip alles über die Band aussagt." Phil Ek, der Produzent der neuen Platte (er hat in der Vergangengeit u.a. auch mit Built To Spill, Modest Mouse und Les Savy Fav gearbeitet), dürfte dann sicherlich einiges an Arbeit damit gehabt haben, die verschiedenen Egos der Band zusammenzuhalten. J: "Er hatte einiges zu tun, das stimmt schon, aber das hat er klasse gemacht. Er ist schon vor dem eigentlichen Aufnahme-Prozess zu uns in den Proberaum gekommen, und hat bereits dort mit uns zusammen an den Songs gearbeitet. Wir haben auch einige seiner Ideen aufgenommen, und das war alles sehr hilfreich für uns. Er hat sich zwar nicht wirklich am Songwriting-Prozess beteiligt, aber er hat uns ab und zu mal vorgeschlagen, den ein oder anderen Chorus oder einen von den extra Schrei-Parts wegzulassen - was sich letztendlich als gute Entscheidung herausgestellt hat, denn Andreas Vocal-Parts sind dadurch viel besser geworden."

Pretty Girls Make Graves
Der Unterschied zu den älteren Songs lässt sich deutlich am "Schrei-Anteil" festmachen - waren die Songs aus den Anfangstagen der Band noch recht chaotisch und in erster Linie einfach laut, wurden die Arrangements für "The New Romance" in vielen Bereichen erweitert, und klingen, wie bereits festgestellt, erwachsener. So kommen u.a. vermehrt Keyboards und Samples zum Einsatz. "Ich spiele zwar vorwiegend Gitarre, aber eben auch Keyboard, und ich fand die Idee gut, dass wir anstelle von zwei Gitarren - was teilweise recht durcheinander klingen kann - mal das Keyboard einsetzen sollten, um einfach mehr Variationen bei der Instrumentierung auszutesten", erklärt J. Nick: "Ja, das wollen wir auch in Zukunft weiter ausbauen, es könnte von Violinen bis hin zum kompletten Orchester reichen, oder auch Slide-Gitarren - aber kein Scat-Gesang, keine Tuba! Klar kann das auch zum Overkill werden, aber wir werden hoffentlich genug Verstand haben, um das alles geschmackssicher umzusetzen." Sind die einzelnen Egos zusätzlich auch noch Perfektionisten? Nick: "Ich war vorher ein großer Perfektionist, aber ich habe das bei dem neuen Album sehr zurückgeschraubt - und darüber bin ich auch sehr glücklich, denn ich habe erst neulich herausgefunden, dass meine Favoriten in der Musik im Grunde die fehlerhaften sind, die irgendwie daneben sind - diese kleinen Dinge sind es dann, an die ich mich gerne erinnere, und natürlich auch an die Überraschung. Das macht es alles menschlich und charmant." Und vor allem liebenswert. Genau wie Pretty Girls Make Graves.

Weitere Infos:
www.prettygirlsmakegraves.com
www.matadorrec.com/pretty_girls_make_graves/
Interview: -David Bluhm & Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Pretty Girls Make Graves
Aktueller Tonträger:
The New Romance
(Matador/Beggars Group/Zomba)
 

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