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29.01.2004
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ELECTRIC EEL SHOCK

Rock'n'Roll Monster From Japan

Electric Eel Shock
Der legendäre Nirvana-Produzent Jack Endino meinte irgendwann einmal, dass es zwei Sorten von Bands gibt: Die einen tragen Tonnen von Make-Up und veranstalten eine riesige Show, während die anderen auf der Bühne ohne Rücksicht auf Verluste einfach nur die Sau rauslassen. Ein besonders quirliges Exemplar der letzteren Sorte sind zweifellos Electric Eel Shock aus Japan.

Was dem gemeinen Mitteleuropäer beim Gedanken an Japan so in den Sinn kommt, bewegt sich oft zwischen Sumo, knippswütigen Touristen, schlechten Filmen mit Tom Cruise und eigenartigen Quizsendungen, in denen Vogelspinnen Leuten übers Gesicht laufen. Klischees hin oder her, wer Electric Eel Shock live gesehen hat, der weiß, dass ihnen eine leicht bizarre Komponente nicht abzusprechen ist. So tritt Drummer Gian des Öfteren nur mit der berüchtigten Chili-Peppers-Socke bekleidet auf. Musikalisch äußert sich dieser sympathische Hang zum Skurillen, ja zum liebenswerten Sprung in der Schüssel in Texten, die bisweilen ein etwas chaotisches Kauderwelsch aus Englisch und Japanisch sind und von den ganz großen Themen handeln, die uns Menschen seither zu bewegen wussten: "Heavy Metal Mania / Master Dee Snider / Shout at me now / Heavy Metal holic / God Ozzy Osbourne / Let's talk about Heavy Metal." Und wer jetzt denkt, diese Zeilen aus dem Song "Do The Metal" wären als Parodie zu verstehen, irrt sich ganz gewaltig.

Davon, dass die selbst gewählte Bezeichnung "Rock'n'Roll Monster from Japan" den Kern der Sache trifft, konnte sich Gaesteliste.de im Rahmen der Jack Daniel's Rocknights im letzten November mit eigenen Augen und vor allem Ohren überzeugen. Nicht nur, dass die drei kleinen Japaner mit einem in jeder Hinsicht eindrucksvollen Auftritt und kompromisslosem Riffrock zwischen den MC5, Black Sabbath und Jon Spencer einen Haufen Göttinger Studenten um Kopf und Kragen rockten. Sie standen Gaesteliste.de zuvor auch Rede und Antwort und bewiesen dabei nicht nur ihren schrägen Sinn für Humor, sondern auch dass sie es - und das ist kein Widerspruch - ernst meinen.

Electric Eel Shock
GL: Sag mal Aki, was hat es eigentlich mit diesem Fisch auf sich, mit dem du in der Foto-Sektion auf eurer Homepage zu sehen bist?
Aki: Oh, den habe ich gefangen, gestern in Hannover.
GL: Gefangen?
A: Ja, da war ein Fluss gleich bei der Halle. Ich bin Hobby-Fischer und habe meine Angel immer dabei.
GL: Jetzt ernsthaft?
A: Ja! Ich schreibe sogar eine Kolumne für ein japanisches Fachblatt.

Man sollte an dieser Stelle hinzufügen, dass Akihito Morimoto, seines Zeichens Sänger und Gitarrist, tatsächlich leidenschaftlich gerne angelt und mit der Kolumne für ein japanisches Fischerei-Fachmagazin den GL.de-Redakteur nicht etwa aufs Kreuz legen wollte. Als die Angelegenheit mit dem Fisch geklärt und auch Bassist Kazuto Maekawa dazugestoßen war, konnte das Gespräch schließlich richtig losgehen.

GL: Wie habt ihr euch kennengelernt?

Kazuto: Wir, also Aki und ich, sind zusammen zur Schule gegangen und machen seit 20 Jahren zusammen Musik, in der Schule damals 80er Jahre Metal. Judas Priest! Auch die Scorpions! Hahaha! Später sind wir von Osaka nach Tokyo gezogen und gründeten dort eine neue Band, mit der wir sogar eine CD auf einem japanischen Majorlabel veröffentlicht haben. Trotzdem blieb die Sache erfolglos, die Band zerbrach. Dann haben wir beide uns einen neuen Schlagzeuger gesucht und trafen Gian in Tokyo. Das war dann Electric Eel Shock. Ungefähr vor sieben, acht Jahren.

GL: War die Band davor immer noch klassischer Heavy Metal?

K: Nein, hahaha, totally different style! Wir haben lange zusammen gespielt und mussten dann irgendwann den Stil verändern. Erst war es funky rock, wie Santana, haha, wir waren 10 Leute, mit Percussion, Background-Sängern und so.
A: Das war irgendwie gerade "in" damals. Später, nachdem wir nur noch zu dritt waren, mussten wir einfach back to the roots. Black Sabbath!

GL: War das eine bewusste Entscheidung, weil ihr nicht erfolgreich wart und nur noch Spaß haben wolltet?

K: Nein, das passierte ganz automatisch. Wenn man plötzlich nur noch zu dritt ist, muss man ganz anders spielen, vor allem lauter!
A: Als wir zu zehnt waren, hatten wir zwar auch Spaß, aber es war einfach nicht unser Stil.

GL: Gibt es denn in Tokyo so etwas wie eine Indie-Rock- oder Punk-Szene, der ihr euch zugehörig fühlt?

K: Sagen wir, es gibt viele gute Bands in Japan, aber der Mainstream ist Melodic Punk. Vor drei oder vier Jahren gab es eine gute Independent-Szene, aber mittlerweile ist die Bezeichnung "independent" nur noch ein Name, weil in Wirklichkeit die großen Plattenfirmen dahinter stehen.
A: Ja, sie nennen es nur so. Es ist eine Mode-Erscheinung. Wir sind wirklich "independent", hahaha, schließlich wissen wir eigentlich gar nicht wirklich, was in Japan im Moment los ist, weil wir das Land vor einem Jahr verlassen haben und seit dem auf Tour sind. Zwischendurch waren wir nur mal einen Monat dort.

GL: Vermisst ihr denn nichts?
A: Nein, ich mag diesen lifestyle. Es macht wirklich Spaß.

GL: Wie würdest du denn diesen Lifestyle denn beschreiben?

A: Naja... Rock'n'Roll-Lifestyle! Einfach mit dem Bus umherfahren, die Show spielen, play the rock'n'roll music, manchmal auch angeln gehen. Hahaha!
K: Wir waren in so vielen Ländern, und es sollen noch mehr werden. Wir waren schon sechsmal in den USA, auch in Honk Kong, England, Irland, Schottland, Schweden, Dänemark, Niederlande, und Deutschland. Wirklich viele. Und wir werden zusammen mit Danko Jones noch mehr von Europa sehen.
A: Yeah! Danko Jones, das sind wirklich nette Typen. Wir fühlen uns mit denen sehr wohl. Es ist eine wirklich tolle Tour mit ihnen.

GL: Freut mich zu hören. Seit ihr drei eigentlich alleine unterwegs?

A: Nein, da sind noch mehr. Meine Ehefrau, die Freundin vom Schlagzeuger, und James, unserer Manager. Wir sind zu sechst. Es ist wirklich sehr schön. Ich vermisse Japan nicht.

GL: Um nochmal auf die Independent-Labels zu sprechen zu kommen: Ihr hattet gesagt, dass es die im Prinzip nicht gibt. Ist das der Grund, weshalb ihr mit "Micro Music" euer eigenes Label gegründet habt?

K: Oh ja, so ist es.
A: Das gibt's noch?
K: Ja, auf jeden Fall! Es ist eine Art Familienbetrieb. Ein Freund von mir kümmert sich jetzt darum. Und das ist nun wirklich independent und sehr klein! Da gibt es vielleicht zwei oder drei Platten im Jahr. Absolut unkommerziell! Hahaha!
A: Ja, keine der Bands ist hat Erfolg! Aber es ist wirklich ein sehr interessantes Label.

GL: Gehen die anderen Bands musikalisch in die gleiche Richtung wie ihr?

K: Nein nein, das sind völlig verschiedene Stilrichtungen. Manche Bands machen einfach nur Noise, dann gibt's auch Dance und Techno. World Music, Lounge Music. Alles mögliche! Hahaha!

GL: Es scheint, als hättet ihr mehr oder weniger von Anfang an auf den US-Markt oder das US-Publikum gezielt. Schon 1999 seit ihr das erste Mal in den USA auf Tour gegangen. Hatte das kommerzielle Gründe?

A: Das war eigentlich just for fun.
K: Mein Bruder lebt in New York City. Er hat dort auch eine Band und irgendwann meinte er, er könnte arrangieren, dass wir im CBGB's spielen. Wowowowowow! Da haben wir natürlich nicht nein gesagt und gingen nach New York, wo wir dann auch Kontakte knüpften, so dass wir auch in anderen Städten auftreten konnten. Toronto und San Francisco beispielsweise. Aber das hatte nicht wirklich kommerzielle Gründe. Aber wir hatten keinen Erfolg in Japan, und in den USA waren die Leute viel besser drauf als in Japan. Bei den Konzerten sind die richtig abgegangen, haben sich hinterher viele CDs gekauft und so weiter.
A: Ja, in Japan sind Konzerte auch sehr teuer...
K: Japan ist sehr teuer!
A: ...so dass sich die Kids es sich nicht so einfach leisten können, zu einer Band zu gehen, die sie noch nicht kennen. Da überlegt man es sich zweimal. In den USA kosten die Tickets viel weniger. Deswegen finden wir, es ist ein gutes Land, besser als Japan...
K: Für Rock'n'Roll! Haha!
A: ...für uns. Weil uns in Japan niemand kennt!

GL: Was anderes: Wie ist es mit den Titeln eurer Alben? Das erste hieß "Maybe I Think We Can Beat Nirvana", das zweite "Slayer's Bay Blues", und jetzt "Go America". Was hat es damit auf sich? Sind es Anspielungen auf die jeweiligen Bands? Slayer?

K: Yeah! Ich liebe Slayer. Slayer is fuckin' great! Hahaha. Ich liebe sie.
A: Das Album hat aber nichts mit der Band zu tun.

GL: Aber was ist mit der Nirvana-Sache? Das Album kam 1997, also eigentlich zu spät, um Nirvana zu schlagen, oder?

K: Hahahaha! Ja, das ist eine Parodie. Der ursprüngliche Titel war "Maybe I Think We Can Beat Mike Tyson".
A: Kennst du DJ Jazzy Jeff & The Fresh Prince?

GL: Äh, ja.

K: Die hatten einen Song, der so hieß!
A: Ich mag den Song!
K: Und auf dem Cover sind unsere Mütter drauf. Wir haben uns vorgestellt, wie es wäre, wenn unsere Mütter eine Band hätten!
A: Und da war unser erster Eindruck: Hey, das ist gut, "Maybe I Think We Can Beat.... Nirvana"! Hahaha.

GL: Ist denn "Go America" eine Anspielung auf die Leningrad Cowboys?

K: Hahaha, ja, das stimmt! Das Album kam ursprünglich schon im August raus, kurz bevor wir in die USA wollten. Und da dachten wir eben: Yeah, wie die Leningrad Cowboys! Go America! Ja, ist auch eine Parodie. Also mir gefiel das!

GL: Zu guter letzt: Glaubt ihr, dass Rock'n'Roll die Welt retten kann? (Anm.: EES haben einen Song, der "Rock'n'Roll Can Rescue The World" heißt...)

K: Oh ja sicher! Wir sind hier! Wir sind hier in Deutschland. Das ist doch großartig!
A: Der Rock'n'Roll lädt uns in jedes Land ein.

Weitere Infos:
www.electriceelshock.com
Interview: -Christian Spieß-
Fotos: -Pressefreigaben-
Electric Eel Shock
Aktueller Tonträger:
Go America
(Chiller Lounge/Soulfood)
 

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