12.01.2005 http://www.gaesteliste.de/texte/show.html?_nr=893 |
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ELENI MANDELL |
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Der Nachmittag ist die neue Mitternacht |
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Wer Eleni Mandell vielleicht nur von ihrer letzten Scheibe, "Country For True Lovers", her kennt, könnte leicht den Eindruck gewinnen, dass sich die Songwriterin ganz und gar der Traditionspflege verschrieben hat. Doch Eleni Mandell hat wesentlich mehr Facetten zu bieten, als die Reinheit ihrer zugegebenermaßen authentisch anmutenden Fingerübung in Sachen Country Musik annehmen ließe. Eleni zeigte noch auf dem Vorgängerwerk, "Snakebite", dass sie als bekennender Fan (und persönliche Bekannte von) Tom Waits oder Chuck E. Weiss auch ein Herz für - sagen wir mal - schräge Töne hat. Auf der letzten Tour bewies sie dann, dass sie auch eine gewisse Ader für den Jazz hat. Dies wird auf der neuen Scheibe, "Afternoon", nochmals verdeutlicht, deren Erstauflage die nicht weiter dokumentierte Jazz-EP "Maybe Yes" beiliegt.
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Neben einigen Standards, wie z.B. dem selten gegebenen "Detour Ahead", oder "I'm Through With Love" glänzt sie hier jedoch mit bemerkenswert stilecht nachempfundenen, aber selbst geschriebenen Stücken. Womit wir bei der Songwriterin Eleni Mandell wären. Obschon sie sich auch beim Material der neuen Stücke zu einem unbestimmt nostalgischen Grundton hinreißen lässt, profiliert sie sich hier - wie auch auf den vorangegangenen Werken - als elegante, eigenwillige und auch eigenständige Songwriterin - eben mit einem Herz für die Vergangenheit. Soweit so gut - aber warum heißt die neue Scheibe denn "Nachmittag"? Der Nachmittag als solcher ist ja doch irgendwo eine unverbindliche und auch unterrepräsentierte Tageszeit. "Nun, die Scheibe ist nach dem Song 'Afternoon' benannt", verrät Eleni, "und dann gibt es auch diesen inhaltlichen Faden, der sich durch das Album zieht. Es geht um das vage Tageslicht. Ich möchte fast sagen, dass der Nachmittag die neue Mitternacht ist. Es ist aber so, dass, wenn du zuviel über die Texte oder die Songs sagst, es das dann für den Zuhörer verderben kann. Man soll besser seine eigene Vorstellungskraft verwenden. Der Song 'Afternoon' handelt zum Beispiel von Sex. Es geht darum, dass es nicht dunkel sein muss, damit man sich sinnlich fühlen kann. Es kann zu jeder Zeit des Tages passieren." Nicht nur die Texte, sondern auch die Musik wird durch einen roten Faden zusammengehalten. Ist das also ein Konzeptalbum? "Nicht wirklich", schränkt Eleni ein, "es hat sich eher zufällig so ergeben. Ich habe mich nicht hingesetzt um Songs in einer bestimmten Art zu schreiben. Das Stück 'Yellow Light' handelt zum Beispiel vom Leben in meiner Heimatstadt Los Angeles. Hier erwähne ich bestimmte Tageszeiten. Auf 'Just A Dream' passiert ähnliches. Und natürlich auf 'Afternoon'. Ich mache das aber nicht absichtlich. Mir selbst ist es auch erst nachher aufgefallen. Es ist so, dass ich fortwährend schreibe. Dann vergeht ein Jahr oder so und ich bemerke, dass ich 20 Songs rumliegen habe und dass es besser wäre, eine neue Scheibe zu machen." Woher kommt den der Americana-Retro Stil? "Nun, mein Plan ist eigentlich immer nur der, wie ich selber zu klingen", räumt Eleni ein, "ich setze mich dann mit der Band und dem Produzenten hin, so dass die Technik stimmt und man alle Stimmen hören kann und dann geht es los. Ich wollte kein weiteres 'Themen-Album' wie die Country-Scheibe machen. Ich denke, ich bin mit dieser Scheibe wieder zu meinem eigenen Ding zurückgekehrt."
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Wenn man den Sound der neuen Scheibe mit dem der Live Shows vergleicht, so fällt auf, dass Eleni - und ihre Band, mit dem genialen Multi-Instrumentalisten Josh Grange - ziemlich perfekt und kompakt zusammenspielt. "Alle meine Scheiben - außer der ersten - entstanden in einem Live Setting", verrät Eleni, "ich bin mit den Jungs ja auch eine Weile getourt. Also war es folgerichtig, mit ihnen auch aufzunehmen, um so den Live Sound einzufangen." Die Scheibe ist übrigens bei Mark Olson und Victoria Williams zu Hause entstanden. "Das ist eine Verbindung, die Josh Grange, der ja auch bei den Creekdippers spielt, aufgetan hat. In dem Zirkel gibt's eine Menge gemeinsamer Bekannter, wie Don Heffington, der auf der Country-Scheibe spielt oder Danny Frankel - das sind alles nette Leute und es ist eine schöne Gegend dort in Joshua Tree. Es hat mir Spaß gemacht, die Wachtelfamilien zu beobachten, die dort überall herumkrabbeln und die Echsen und die Kaninchen." Das hat man ja auch nicht so oft bei Aufnahmesessions. Ist denn die Umgebung wichtig beim Einspielen einer Scheibe? "Nicht wirklich", überlegt Eleni, "es ist eher so, dass das leben in L.A. einen gewissen Einfluss auf meine Musik hat. Ich habe zeitlebens gegen den L.A. Mainstream angekämpft und das formt sicherlich die Persönlichkeit. Dann spielt der Ort, an dem die Songs dann eingespielt werden keine so große Rolle mehr." Wie geht Eleni denn einen neuen Song an? "Nun, ich fühle immer, wenn etwas für mich richtig ist. Wenn die Musiker ihre Beiträge leisten, dann produziere ich sie zum Beispiel gewissermaßen, indem ich das zulasse. Wenn es am Simpelsten ist, ist es für mich immer am Besten. Der Stil der Songs entwickelt sich während der Aufnahmen. Ich gebe den aber nicht vor, sondern ich sage statt dessen: 'Stellt euch vor, euer Haar brennt und ihr steckt um fünf Uhr in einem Stau.' Auf diese Weise entstehen die Stücke." Und wie kam die Jazz-EP zustande? "Nun, die EP entstand als eine CD, die ich auf Tour verkaufen wollte. Ich habe gar keinen Jazz-Background außer dem, dass ich damit aufgewachsen bin. Ich habe mir Gershwin und Hammerstein angehört, als ich jung war. Die Cover-Versionen habe ich danach ausgesucht, was sie bei mir auslösten. 'Detour Ahead' hört man nicht so oft - das hat mich dazu hingezogen. Es ist außerdem ein sehr anspruchsvoller Song. Ich bin ja alles andere als perfekt, und es war eine große Herausforderung. Ich liebe die Hammond Orgel, und das war ein Grund, sie hier zu verwenden. Vier der Stücke habe ich selber geschrieben. Was die alten Songs betrifft, so frage ich mich und meine Musiker immer, warum die Sachen früher so viel besser waren, als das, was heute geschrieben wird. Und die Antwort ist die, dass alles was die Musiker damals machten, Musik zu spielen gewesen war. Damals gab es ja noch kein Fernsehen oder so was. Und so hatten die damals mehr Zeit für die Musik. Die Songs sind einfach großartig, klug und melodisch interessant. Es ist ziemlich einfach: Sie sind einfach gut. Wenn ich Jazz-Stücke schreibe, dann könnten die Songs selber auf jeder meiner Scheiben sein. Für diese EP haben wir sie nur traditioneller arrangiert. Irgendwie passt aber alles immer wieder zusammen. Der rote Faden, der alles zusammenhält, bin ich und meine Stimme." Gibt Eleni eigentlich die Rhythmen für ihre Songs vor? "Ja, das stimmt", antwortet sie, "ich kenne zwar nur ein paar Rhythmen, aber meine Art Gitarre zu spielen ist rhythmisch. Ich mag 6/8tel und 3/4tel Rhythmen. Das Komische ist: Die Ramones haben nur 4/4tel Stücke geschrieben und das hat nie jemand hinterfragt. Wenn du was anderes machst, wollen alle immer wissen, warum du das tust. Ich weiß es selber nicht. Es zieht mich halt an." Und wie entstanden dann die fertigen Songs? "Meist schreibe ich Musik und die Texte zusammen. Ich werde von Worten inspiriert, ich werde vom Leben inspiriert. Es fängt immer mit einem Wort an. Meine erste Scheibe hieß z.B. 'Wishbone' - das ist so ein Wort. Dahinter verbirgt sich eine Geschichte - eben über einen Wunschknochen. Damit begann alles. Es kommt nie vor, dass ich mit der Musik anfange. Ich denke übrigens nicht darüber nach, wie die Worte klingen, sondern ich fühle mich von der Bedeutung von Worten angezogen. Nun gut: Wenn sie nicht richtig klingen, verwende ich sie natürlich nicht."
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Was ist denn am Schwierigsten beim Stücke schreiben? "Hm, ich denke, alles einfach zu halten", überlegt Eleni, "ich bin ziemlich gut darin geworden, es einfach zu halten. Früher war ich nämlich wortreicher. Das ist eine Herausforderung, mehr mit weniger Worten zu sagen. Das gilt auch für die Musik. Wenn ich hier aber simpel sage, meine ich, nicht 'zugeschüttet'. Ich habe als Kind mal ein Geschichte über einen Schmied gelesen, der einen Löffel machte. Je verzierter der Löffel wurde, desto billiger wurde er, weil es soviel schwieriger ist, etwas einfaches zu machen. Ich glaube, das gilt auch für die Musik. Sich zurückzuhalten und dennoch etwas rüberzubringen, ist schwierig. Ach ja: Und mich nicht zu wiederholen ist natürlich auch eine Herausforderung. Ich mache das zum Beispiel so, dass ich anstatt über schlechte Freunde, lieber über gute schreibe." Und was ist für Eleni das beste beim Musik machen? "Das, was am meisten Spaß macht, ist, wenn du etwas schreibst und stolz bist, dass es funktioniert. Das ist das beste Gefühl der Welt - selber etwas erschaffen zu haben. Und wenn du dann andere Leute einbeziehst und es wächst und interaktiv wird, weil andere Musiker beteiligt sind, das ist dann unglaublich. Und die Krönung ist, wenn du es live vorträgst und das Publikum involviert wird." Gibt es denn eine musikalische Vision, die Eleni verfolgt? "Ich glaube, ich arbeite sehr intuitiv. Es kommt alles aus meinem Bauch und meinem Herzen. Ich denke nicht allzuviel darüber nach. Ich bin nicht gut genug ausgebildet, um das mathematisch analysieren zu können." Nun, es scheint doch so, dass Elenis Musik im Laufe der Zeit "normaler" geworden ist, oder? Die schrägen Töne der ersten Scheiben fehlen doch heutzutage ganz. "Also was man auf der neuen Scheibe vielleicht heraushören kann, ist, dass ich eine Menge Soul-Musik aus den 60s gehört habe, als ich diese Scheibe schrieb. Dadurch klingt die neue Scheibe vielleicht ein wenig poppiger. Ich habe zu einem bestimmten Zeitpunkt beschlossen, nicht seltsam sein zu wollen um des seltsam sein willens. Ich wollte nicht eine Spinett oder ein Mellotron verwenden, weil andere das vielleicht nicht taten. Ich wollte mich mit meiner Einfachheit wohlfühlen. Und das würde ich als Aufwachsen bezeichnen. Ich wüsste nicht, was ich anderes dazu sagen sollte. Die schrägen Momente von damals waren ja auch ehrliche Momente. Und Spuren davon kannst du auch heute noch hören. Das ist mit 'Snakebite' noch verwandt. Aber es soll kein Selbstzweck sein. Ich mag Songs und Melodien und Worte. Und ich sagte ja, dass ich mich nicht wiederholen will. Das wäre nämlich zu einfach..."
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Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer- |
Aktueller Tonträger: Afternoon (Trocadero/Indigo) |
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