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04.03.2005
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THE ORGAN

Melancholie in schön

The Organ
In letzter Zeit hatte es eine recht große Schwemme an Bands gegeben, die sich Sound- und auch Style-mäßig an den frühen 80er Jahren orientiert haben - viele Bands waren klasse, einige allerdings gingen nur als alberne Kopien durch und schon bald war man ob es Angebots übersättigt. Doch wenn man die Musik von The Organ hört, dem weiblichen Quintett aus Kanada, dann weiß man wieder, warum man eigentlich diese lebenslange Bindung eingegangen ist, die sich Liebe zur Musik nennt. Aber eine Warnung vorab: The Organ sind - wie sie selbst mal sagten - traurige Mädchen, die traurige Musik machen.

Im Jahre 2001 fanden sich Katie Sketch (vocals), Jenny Smyth (organ), Debora Cohen (guitar), Ashley Webber (bass) und Shelby Stocks (drums) in Vancouver, Kanada, zusammen, um schon früh eine eigenproduzierte EP namens "Sinking Hearts" zu veröffentlichen - darauf zu finden waren sechs Stücke voller Melancholie, Enttäuschung, verlorener Hoffnung, verpackt in recht minimalistische Sound-Konstrukte. Die Live-Shows waren ähnlich introvertiert, die Band stellte nicht sich, sondern ihre Songs in den Vordergrund. 2003 war es dann soweit, dass The Organ einen Co-Deal sowohl mit Mint Records als auch mit 604 Records beschlossen, um kurz danach ihr Debüt "Grab That Gun" in ihrer kanadischen Heimat und Amerika zu veröffentlichen (Das Album ist hierzulande momentan leider nur per Import bzw. über das Internet erhältlich). "Grab That Gun" musste allerdings zweifach eingespielt und gemixt werden - den ersten Versuch hatte die Band gemeinsam mit Kurt Dahle von den New Pornographers unternommen, allerdings ist das Ergebnis laut Aussage der Band einfach zu flach, zu glatt poliert geworden. Also wurde beschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen - sehr hilfreich war dabei, dass Sängerin Katie Sketch in der Vergangenheit als Studio-Technikerin gearbeitet hatte und somit wusste, wie man zu dem gesuchten Ergebnis gelangen würde. "Es gibt definitiv alte und neue Songs auf dem Album", erzählt Katie im Gaesteliste.de-Interview. "Einige Stücke waren zweieinhalb Jahre alt, andere wiederum wurden gerade geschrieben, als wir im Studio waren. Es ist also schon so etwas wie eine Zusammenstellung aus all den vergangenen Jahren. Vielleicht ist das ja auch der Grund, warum so viele Debüts von Bands so großartig sind - in der Zeit, in der Bands Geld für einen Studio-Aufenthalt ansparen, können sie in Ruhe Songs schreiben, und dann einfach nachher die besten für das Album heraussuchen." So finden sich auch direkt vier Songs der "Sinking Hearts"-EP auf dem Debüt wieder, allerdings in neuen Versionen.

Eine neue Band muss sich natürlich viele Vergleiche gefallen lassen - bei The Organ liest man immer wieder die Worte The Smiths, Joy Division, The Cure, Siouxsie, Debbie Harry, Chrissie Hynde, New Order, und natürlich findet man Elemente aus all diesen Bands in der Musik wieder - z.B. erinnern die Bass-Läufe sehr an Joy Division, Johnny Marrs Gitarren-Sound lugt bei Songs wie "Memorize The City" oder auch "Love, Love, Love" um die Ecke, und Katies Texte und Art des Vortrags derselben sind schon sehr Smiths-lastig, aber nicht -lästig. (Der Song "Steven Smith" ist dazu auch noch eine wunderbare Morrissey-Hommage.) "Die Vergleiche gehen mir aber nicht auf die Nerven - ich verstehe, warum sie existieren müssen. Vielleicht bin ich in zehn Jahren komplett darüber hinweg", meint Katie augenzwinkernd. Ihre Texte behandeln größtenteils recht traurige Themen, meist geht es um Enttäuschung, Sehnsucht, Schmerz, Verlangen, Verlust. "Ich habe ernsthaft versucht, über 'leichtere' oder schönere Dinge zu schreiben, aber ich war nie mit dem Ergebnis zufrieden", erzählt Katie. Unschöne Dinge in Songtexten zu verarbeiten, ist eine beliebte Methode - allerdings wird man auf diese Weise wiederum ständig an diese Situationen erinnert. "Auf jeden Fall! Zum Beispiel gibt es Tage, da geht es mir gut und meine Texte bringen mich dazu, mich so zu fühlen, als ob ich mich über nichts aufrege, was mich wiederum zu einem völligen Fake werden lässt. Ich bin jedoch der Meinung, dass dies zu 99% allen Künstlern passiert. Wir lernen, es aufzusaugen. Glücklicherweise - oder vielleicht ist es doch das Gegenteil - liege ich in der Regel auf der gleichen Wellenlänge mit meinen Texten." Diese Stimmung überträgt sich auch direkt auf den allgemeinen Sound von The Organ. Leicht bedrückt, aber dennoch genügend Drive, um nicht im Selbstmitleid steckenzubleiben. "Meistens setze ich mich mit Debora hin und wir spielen mit einem griffigen Gitarren- oder Bass-Riff herum. Um dieses Riff herum bauen wir den Song auf. Der Gesang kommt immer zuletzt - ich denke, wenn die instrumentale Version eines Songs schon zwingend genug ist, dann wird durch den Gesang noch mehr zu der Geschichte hinzugefügt. Der Gesang kann keinen Song retten, wenn die Instrumente Mist spielen."

The Organ
Da The Organ aus Kanada stammt, musste Gaesteliste.de die Lieblingsfrage an Bands aus diesem Land stellen - gibt es irgendetwas typisch Kanadisches in der Musik von The Organ? "Da bin ich mir nicht so sicher", zweifelt Katie. "An der Simon Fraser University hatte ich damals einen Kurs belegt, der sich 'Kanadische Populäre Musik' nannte. Der Professor war davon überzeugt, dass sämtliche kanadische Pop-Musik einen unverkennbaren kanadischen Sound besitzt. Er versuchte uns davon zu überzeugen, aber ich konnte da einfach nicht zustimmen. Kanadier kommen von überall her - deswegen gibt es auch so viele Einflüsse, aber ich rede hier nicht von bad fusion. Es gibt aber einige kanadische Rock-Bands, die ich mit einem bestimmten kanadischen Sound in Verbindung bringe, z.B. The Tragically Hip, 54-40, vielleicht Sam Roberts. Aber wir klingen definitiv nicht wie eine dieser Bands!" Das hat ja auch zum Glück bisher niemand behauptet. The Organ befindet sich momentan in Australien, wo dieser Tage das Album erscheinen wird, Ende März geht es weiter nach England. Konzerte hierzulande sind leider momentan noch nicht in Sicht. Die Hoffnung stirbt zuletzt, und The Organ sind jeden Cent wert.

Weitere Infos:
www.theorgan.ca
Interview: -David Bluhm-
Fotos: -Pressefreigaben-
The Organ
Aktueller Tonträger:
Grab That Gun
(Mint/604 Records/Import)
 

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