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14.04.2005
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HERMAN DÜNE

Wahlverwandschaften

Herman Düne
Gaesteliste.de trifft Herman Düne vor dem Auftritt in München im Backstageraum des Substatnz-Clubs, einer Art Besenkammer im Keller gleich gegenüber der Damentoilette, zwischen jeder Menge Gerümpel bei einem Snack. Sandwichs und Obst, Zigaretten und Kaffee, es ist der zweite Abend der Tournee. Neben den Brüdern André und David, die aus Schweden stammen, und dem Franko-Schweizer Neman, der seit einigen Alben am Schlagzeug sitzt ist noch Diane Cluck mit von der Partie. Die junge Singer / Songwriterin aus dem New Yorker Antifolk Umfeld hat auch auf dem letzten Album "Mas Cambios" gesungen und wird den Konzertabend mit einem Soloauftritt eröffnen und dann als dritte Stimme mitsingen.

Die Brüder André (mit starkem französischen Akzent) und David sehen nur eventuell wie Brüder und so gar nicht wie Skandinavier aus. Danach zu fragen hätte aber wohl keinen Sinn, denn Herman Düne lieben es, mit ihrer Identität zu spielen. Alleine der Name der Band ist etwas irreführend und ihren ersten Auftritt machten die beiden unter Vorspielung falscher Tatsachen klar. Sie hatten von einer Auftrittsgelegenheit in einer pakistanischen Kunstgalerie erfahren und einfach behauptet, sie wären eine pakistanische Band und sind damit ziemlich gut angekommen. Es gibt noch mehr derartige Geschichten. "Das ist doch lustig. Als wir einmal auf einem größeren Festival gespielt haben, habe ich behauptet, wir wären Sonic Youth. Ich meine, wir drei sehen überhaupt nicht aus wie Sonic Youth, von der Musik will ich gar nicht sprechen. Das war ein großes Festival und ich bin auf die Bühne und meinte: 'Hi, wir sind Sonic Youth. Ich bin Thurston Moore.' Ich stellte meinen Bruder André als Kim Gordon vor und Neman als Steve Shelly. Und viele Leute haben das geglaubt. Irgendjemand fragte mich: 'Wo ist Coco? Du weißt schon, die Tochter von Kim.'"

Die nächsten fünf Wochen werden die vier durch Europa reisen. Neben Auftritten in Deutschland, Tschechien, Frankreich und Großbritannien führt ihre Route durch Skandinavien und die Benelux-Länder. 36 Tage, 36 Konzerte. Julie Doiron, die auf dem neuen "Not On Top"-Album Bass spielt und singt, konnte leider nicht mitkommen, ihre eigenen Projekte und ihre drei Kinder standen einer gemeinsamen Tour im Weg. Das Gespann ist ohne Tourmanager in einem kleinen Van unterwegs. "Neman und David fahren, André ist als Navigator für die Karten und Adressen zuständig und Diane kocht Tee", erklären die Musiker, die eigentlich ständig auf Tour sind, und nein, das ist nicht zu stressig. "Wir touren lieber nonstop. Nach unserer Erfahrung sind freie Tage nicht Tage, an denen wir uns ausruhen, sondern Tage, an denen wir Zeit verschwenden und nicht wissen, was wir tun sollen. Aus irgendeinem Grund halten wir nie in Städten, wo wir gerne halten würden, sondern an unbekannten Orten, wo wir niemanden kennen und wir ziehen ziellos durch die Straßen."

Wer Herman Düne live gesehen hat, weiß die spontanen Qualitäten der Formation zu schätzen, dafür gibt es eine einfache Erklärung von David: "Wir konnten überhaupt nicht proben, weil André jetzt in Berlin lebt. Gestern war der Tourstart in Köln und das war auch das erste Mal, dass wir zusammen mit Diane gespielt haben." André ergänzt: "Normalerweise sind unsere Konzerte ziemlich improvisiert, weil wir beide jeweils Stücke spielen, die die anderen noch nicht kennen. Da nun Diane mitsingt und sie nur die Stücke der letzten beiden Alben kennt, wird es dadurch etwas weniger improvisiert sein." Zuviel Gradlinigkeit darf aber niemand erwarten. "Wir haben für unsere Auftritte nie einen Plan. Gestern in Köln war das Publikum sehr ruhig und wir sind die Songs ruhiger angegangen als auf dem Album. Das ist immer anders, je nachdem wie wir uns fühlen. Wir überraschen uns selbst."

Eine wirklich angenehme Überraschung ist das aktuelle Album "Not On Top", auf dem die Wahlverwandten einen weniger improvisierten und durchweg ziemlich eingängigen Stil entwickeln. Songs mit Hitqualitäten interpretiert von einer echten Band und wesentlich fokussierter als der Vorgänger. "Das war so geplant. Unsere früheren Alben klangen eigentlich überhaupt nicht so, wie wir live klingen. Das lag an den Umständen, unter denen die Aufnahmen entstanden sind. 'Mas Cambios' haben wir z.B. live bei einem Freund auf Coney Island aufgenommen. Wir hatten aber nicht unsere eigenen Instrumente dabei und das war dann nicht wirklich unser Sound. Diesmal wollten wir unbedingt unseren Sound auf Platte bringen, nicht zuletzt weil uns oft Leute sagen, dass sie unsere Platten mögen, aber dass wir live besser klingen."

Das neue Album klingt nicht nur besser - immerhin zehn Tage haben HD im Studio in Leeds, UK, mit Aufnehmen und Abmischen verbracht - sondern auch wesentlich heiterer. "Wir waren bei den Aufnahmen echt entspannt und wir hatten die ganze Zeit jede Menge Spaß", erläutert David. "Nicht dass die Sessions zu früheren Alben besonders schwierig gewesen wären, aber hier war alles besonders leicht. Ich höre das in den Aufnahmen und es ist schön, dass die Leute das auch hören können." Die Platte gewährt aber vor allem auch einen Eindruck von den musikalischen Wurzeln und Einflüssen der Musiker. Noch mehr als die letzten Veröffentlichungen klingt "Not On Top" auf eine erfischende Art und Weise nach dem Hippie-Rock Sound der 1960er Jahre und es gibt jede Menge entsprechender Leadgitarreneinlagen. "Ja genau, das wollte ich unbedingt so haben. Ich liebe unsere Gitarren. Mein Bruder André hat diese Silver von 1961 und ich habe eine alte Gibson SG. Also wollte ich mehr Gitarrenparts auf das Album bringen. Wir hören eigentlich die ganze Zeit die Musik dieser Zeit und wir wollten auch insgesamt mehr von diesem Sound." Wer die CD kauft macht sicher nichts falsch, der wahre Adept wird aber sicher auf die Schallplatte zurückgreifen, die in Mono und unter Vermeidung jeglicher Digitaltechnik aufgenommen wurde. "Das Vinyl ist unterschiedlich gemixt und gemastert. Ich glaube, auf Vinyl klingen wir noch mal besser", erklärt Neman.

Weitere Infos:
www.hermandune.com
www.hermandune.net
Interview: -Dirk Ducar-
Foto: -Pressefreigaben-
Herman Düne
Aktueller Tonträger:
Not On Top
(Track And Field Organsiation/Cargo)
 

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