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14.06.2004
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TIM BOOTH

Vom James-Frontman zum Serienmörder

Tim Booth
"Die Dinge laufen großartig für mich", erzählt Tim Booth, als ihn Gaesteliste.de Anfang Mai in Köln traf. "Meine Lebensgefährtin bringt in zwei Wochen ein Kind zur Welt, und ich bin im neuen 'Batman'-Film als Serienmörder zu sehen. Außerdem schreibe ich gerade an einem Script fürs Fernsehen, und dann kommt noch mein neues Album heraus. Wie könnte es mir da schlecht gehen? Ich bin im Moment sehr zufrieden. Manchmal fast auch schon ein wenig überwältigt - aber das im positiven Sinne!" Seiner Band James hat Tim Booth nach fast zwanzig Jahren Ende 2001 endgültig den Rücken gekehrt, doch die Musik lässt ihn noch nicht ganz los. "Bone" heißt seine neue Solo-Platte, auf der der aus Manchester stammende Sänger musikalisch ein wenig mehr wagt, ohne dabei zu vergessen, dass seine alte Band als Vertreter des großen Popsongs in die Geschichte eingegangen ist.

Tim Booth
War es wirklich das Gefühl der Erleichterung, das überwog, als er James verließ, oder schwang auch ein wenig Zukunftsangst mit? Schließlich waren James zumindest in England kommerziell gesehen eine sichere Bank und füllten regelmäßig Riesenhallen wie die Wembley Arena. "Als ich die Band verließ, hatte ich das Gefühl, das Richtige zu tun. Ich hätte den Schritt schon einige Male zuvor wagen könne, aber ich hab sie stets verpasst, und dann musst du auf die nächste Gelegenheit warten, die vielleicht erst ein paar Jahre später kommt. Was ich dabei gefühlt habe? Ich denke, ich war schon erleichtert, denn die Trennung von James bedeutete für mich, dass ich die anderen Dinge angehen konnte, die ich zuvor immer zurückgestellt hatte. Die Angst kam erst ein Jahr später dazu, als mir langsam aber sicher das Geld ausging. Da dachte ich schon: 'Uih, und nun?' Ich fühlte mich wie ein Fischer, der drei Angeln gleichzeitig auswirft. Eine für die Schauspielerei, eine für die Musik und eine für das Schreiben. Alles lief ganz gut, und - um im Bild zu bleiben - überall bissen sie an, aber nichts drängte sich richtig in den Vordergrund. In letzter Zeit sind alle Dinge wieder etwas mehr in Bewegung geraten. Zuerst die Musik, deshalb widme ich mich der nun verstärkt."

Obwohl Booth auch in diesem Jahr seine schreiberischen und schauspielerischen Ambitionen weiterverfolgen will, steht "Bone" nun erst einmal im Mittelpunkt seines Interesses. Im Juli und September sind zwei kürzere Tourneen mit seiner neu formierten Band The Individuals geplant, ein Zeichen dafür, dass ihm auch nach dem Ende von James die Musik weiterhin sehr wichtig ist und das Album nicht nur ein persönlicher Gag für ihn ist. Booth will, dass die Platte erfolgreich wird und stimmte deshalb auch dem Vorschlag seines Labels zu, das Werk unter seinem eigenen Namen zu veröffentlichen, obwohl er sich viel lieber hinter einem Bandnamen versteckt hätte.

Dabei ist "Bone" natürlich nicht das erstes Soloalbum des Briten. Bereits 1996 arbeitete er mit Angelo Badalamenti (und Bernard Butler) zusammen und veröffentlichte das Album "Booth And The Bad Angel". Damals war er ja noch fest in seine alte Band integriert, während jetzt seine Solowerke seine einzige Möglichkeit sind, seine musikalischen Ideen umzusetzen. Machte das einen Unterscheid bei der Herangehensweise? "Gute Frage, aber das hat überhaupt keinen Unterschied gemacht! Angelo hatte vor unserer Zusammenarbeit damals nur die Julee-Cruise-Platte, gemacht und in genau die Richtung wollte ich auch gehen. Was mir damals nicht klar war: Er wollte viel mehr von meinem Rock-Ding auf der Platte habe. Weil er der bessere Musiker ist, hat er letzten Endes die Oberhand behalten. Wäre es nach mir gegangen, wäre das Album damals eine Crooner-Platte im Julee-Cruise-Stil geworden. Angelo allerdings wollte unbedingt eine Pop-Platte machen."

Tim Booth
Im Vergleich zu seinen Platten mit James fällt auf, dass die neuen Songs viel mehr Groove haben, wenngleich der Einsatz des Gesangs und die Struktur klar auf Booths Vergangenheit verweisen. Was inspirierte ihn denn dazu, sich mit Lee "Muddy" Baker einen Produzenten zu suchen, der auf groovigere Sachen spezialisiert ist? "Ich denke, das hat damit zu tun, dass ich in den letzten Jahren einige Kurse in Bewegungstechnik gegeben habe. Dabei geht es darum, wie Menschen durch das Tanzen eine andere Bewusstseinsebene, einen Trance-Zustand, erreichen können: Getting high without drugs! Eigentlich mache ich diese Kurse schon seit Jahren, aber stets 'undercover', solange ich noch in James war. Um die Leute dazu zu bringen, sich zu bewegen, braucht man natürlich die richtige Musik. Also hörte ich mir Tausende von Songs an, die Menschen dazu verleiten würden, sich so zu bewegen, wie sie es für gewöhnlich nie tun würden. Von James konnte ich dafür nicht viel verwenden, denn auf dem Gebiet waren wir nie besonders gut. Die Auswahl hat mir sehr viel Freude gemacht, schließlich bin ich von Natur aus ein Tänzer. Ich liebe das Tanzen! Deshalb machte es letzten Endes auch Sinn, dass meine Songs diesen ganz bestimmten Groove haben, ohne gleich Dance Music zu sein."

Während Booth in den Anfangstagen seiner inzwischen rund zwanzigjährigen Karriere als Musiker gerne alles unter Kontrolle hatte, lernte er in den letzten zehn Jahren auch das Kollaborieren mit anderen Künstlern zu schätzen. Kein Wunder, standen ihm dabei doch stets Größen wie Brian Eno, Angelo Badalamenti oder nun eben Lee "Muddy" Baker zur Seite. "Wenn du mit großen Künstlern zusammenarbeitest, ist es natürlich immer ein Geben und Nehmen. Mit Angelo war es immer eine Freude, und bei der neuen Platte war es nicht anders. Ich liebe James, aber die Atmosphäre bei der Arbeit war dort immer sehr gespannt. Es gab so viele Leute mit unterschiedlichen Vorstellungen, deshalb fehlte der Band oft das Spielerische. Die neue Platte dagegen entstand in einer Umgebung, die sehr spielerisch war, und ich denke, dass kann man zumindest einigen Songs auch anhören."

Weitere Infos:
www.timbooth.co.uk
www.oneofthethree.co.uk
Interview: -Simon Mahler-
Fotos: -Sonja Niemeier-
Tim Booth
Aktueller Tonträger:
Bone
(Sanctuary/Rough Trade)
 

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