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ROBERT FORSTER
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Keine Predigt, bitte!
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Der plötzliche Tod Grant McLennans bedeutete zwangsläufig auch das Ende der Go-Betweens. Denn obwohl Robert Forster gelegentlich betont hatte, dass er die Go-Betweens durchaus als Band betrachte (zumindest nach dem Comeback, in der Form mit Adele Pickvance und Glenn Thompson), sagte Grant McLennan, dass die Go-Betweens eben nur er und Robert seien - egal, wer da sonst noch beteiligt wäre. Nach einer angemessenen Pause legt Robert Forster nun ein neues Album vor, das das Erbe der "besten Band der Welt" (Gaesteliste.de-Forum) in würdevoller und angemessener Weise vertritt. "The Evangelist" ist nicht nur Roberts gelassenste, ja fast heiterste Scheibe überhaupt geworden, sondern es spielen auch Adele und Glenn darauf mit und obendrein gibt es auch drei Tracks mit Material, an dem Grant noch vor seinem Tode arbeitete, und das Robert nun einfühlsam ergänzte. Ironie des Schicksals: Damit enthält diese Scheibe mehr Grant / McLennan-Kompositionen als alle, die zu Lebzeiten Grants entstanden, denn als Songwriter arbeiteten die beiden Querköpfe erstmals auf "Too Much Of One Thing" zusammen.
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Es muss also auf jeden Fall eine recht delikate Aufgabe gewesen sein, dieses Album zu konzipieren - die Robert aber augenscheinlich mit leichter Hand löste, oder? "Oh ich hatte ein ganz spezielles Sounddesign im Kopf", verrät Robert, "mit dem Produzenten Mark Wallis, mit dem ich auf '16 Lovers Lane' und dem letzten Go-Betweens-Album 'Ocean's Apart' zusammen gearbeitet hatte, habe ich im Vorfeld noch nie so viel diskutiert. Go-Betweens-Alben hatten immer diese Tendenz, sich quasi wie von selbst einzuspielen, aber bei diesem Album hatte ich eine ganz klare Idee davon, was ich machen wollte. Marks Sound ist normalerweise ziemlich dicht und künstlich und ich wollte dieses Mal einen organischen, natürlichen Sound. Wir haben uns gegenseitig Scheiben vorgespielt, um herauszufinden, wie wir das gewünschte Ergebnis hinbekommen können." Nun klingt "The Evangelist" aber in keiner Weise reduziert. "Nun, für Mark Wallis ist das schon sehr reduziert. Er kommt von der englischen Schule. Aber mir gefällt es sehr, denn ich wollte schon ein gewisses Maß an Glanz, für das Mark ja steht - aber ich wollte weniger Material einspielen als bislang." Ein Beispiel dafür ist z.B. die Geige auf dem Track "It Ain't Easy", die ziemlich in den Hintergrund gemischt wurde, dem Stück aber dennoch eine ganz eigene Note verleiht. "Ja, das war eine seiner Ideen und darüber haben wir am meisten gesprochen. Ich mag es - einige Leute aber nicht." "It Ain't Easy" ist eine der Nummern, die mit Material von Grant entstanden. Wie ist Robert diese Aufgabe angegangen? "Als Grant starb, arbeiteten wir schon seit ungefähr zwei bis drei Monaten an Material für die nächste Go-Betweens-Scheibe. Wir haben uns alle zwei Wochen getroffen und zusammen gespielt. Er hatte ungefähr sechs Songs, die sehr gut waren, aber er arbeitete in den letzten Jahren so, dass er die Texte immer zuletzt schrieb. So hatte er also noch keine Texte - aber er hatte schon Refrains und die Titel und einige Zeilen von 'Demon Days'. Die Songs kannte ich aber, da wir zusammen daran gearbeitet hatte. Ich suchte mir also die Songs aus, von denen ich dachte, dass ich sie auch singen konnte und schrieb die Texte dazu. Damit hatten wir in den letzten Jahren sowieso begonnen - z.B. bei 'Finding You' von 'Oceans Apart', zu dem die Textzeilen von mir und der Refrain von ihm stammten und natürlich 'Too Much Of One Thing'. Es war also nicht ganz so seltsam für mich." Heraus kam jedenfalls dabei ein sehr sympathischer, persönlicher Nachruf auf Grant und einer, wie er ihn sich wohl selbst gewünscht hätte.
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Was aber macht Robert Forster zu einem Evangelisten? Und was tut ein moderner Evangelist überhaupt? "Also, ich habe zusammen mit Adele im letzten Jahr ein Demo gemacht", berichtet Robert, "und wann immer ich dieses anderen vorspielte und die Songtitel erwähnte, sagten alle immer sofort, dass 'Evangelist' ein guter Album-Titel sei. Ich dachte zunächst, dass er ein wenig zu übertrieben sei, aber jetzt mag ich ihn. Was es bedeutet, ist, dass im Prinzip jeder Singer-Songwriter eine Art Evengelist ist, der seine Botschaft an den Mann bringen will. Er teilt sich anderen mit und damit hat dies dann auch eine Bedeutung." Nun predigt ein Evangelist aber doch auch. "Das stimmt wohl, aber das ist eine Interpretation, von der ich mich ein wenig fernhalten möchte. Zu Lehren und zu Predigen ist nicht mein Ding. Aber ich stehe vor den Leuten und performe." "Evangelist" ist dabei noch der schlüssigste Titel. Auch wenn Roberts Texte eigentlich immer weniger rätselhaft waren als jene Grants, buchstabiert er doch selten etwas klar und deutlich aus. So nimmt er bestimmte Bilder als Ausgangslage für seine Geschichten - wie z.B. "Pandanus" - eine Plamzenart aus Australien. "Das kam daher, dass ich den Song in einem Strandhaus schrieb und in dem Song ging es auch um das Leben am Strand. Das Haus, in dem ich mit meiner Familie wohnte, hieß auch 'Pandanus'. Es ist ja nun so, dass ich meistens wahre Namen und Bilder verwende und recht wenig erfinde. Denn ich finde, es gibt auch so genug was fantastisch oder seltsam oder gut ist, über das man schreiben kann." Das letzte Stück auf der neuen Scheibe, "Ghost Town", ist eine Piano-Ballade. Das ist für Robert aber doch etwas Neues, oder? "Das ist schon etwas Neues", zögert er, "es ist ein sehr seltsamer Titel. Diesen Song habe ich als Letztes geschrieben - bis dahin sollte die Scheibe nur neun Songs haben. Normalerweise schreibe ich Songs nicht so kurzfristig, da ich dann immer zu gehemmt bin. Dieser Song kam aber praktisch wie von selber. Ich war selbst überwältigt davon. Für mich war das erstaunlich. Es war dann nur so, dass der Song mit mir an der Gitarre nicht funktionierte und er noch nicht fertig war. Ich hatte drei verschiedene Texte geschrieben. Im Studio stand ein Piano und ich setzte mich hin, um den Text zu Ende zu schreiben. Mark sagte, dass das gut klänge und wir versuchen sollten, es mit einem Piano aufzunehmen. Er schlug vor, ein Demo aufzunehmen, was wir dann unserem Keyboard-Spieler geben sollten. Mark hat mich also beim Spielen aufgenommen und ich habe mir aus den Texten die besten Parts herausgesucht. Nach sechs Minuten war der Song fertig. Das war einer der unglaublichsten Momente, die ich je im Studio erlebte. Wir hatten den ganzen Song in einem Take fertig - obwohl das gar nicht geplant war." Man beobachtet hier also quasi einen Song im Entstehen. "Das war ein glücklicher Umstand, ja - und es war Marks Idee. Das macht eben einen guten Produzenten aus!" Jedenfalls ist das der erste Song, auf dem wir Robert Forster Piano spielen hören.
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Als Gitarrist hingegen, hält er sich auf diesem Album sehr zurück. Hat das vielleicht auch mit dem Respekt vor Grants Gitarrenspiel zu tun, das Robert stets bewunderte und das er auf diese Weise auch gar nicht ersetzen wollte? "Zum Teil ja", räumt er ein, "es war aber auch so, dass ich diesen transparenten, sparsamen, akustischen Sound wollte. Obwohl ich persönlich das gar nicht als sparsam bezeichnen würde. Ich mag nur keine großen Pop-Produktionen. Was ich mag, ist Buddy Holly oder die Talking Heads. Es darf nicht zu unscharf sein." Robert kennt sich da sicherlich aus, denn seit einige Zeit arbeitet er auch als Rezensent für eine Zeitung, nicht wahr? "Ja, das stimmt - aber das hat mich nicht wirklich beeinflusst. Ich habe schon vorher Musik angehört und tue das auch weiterhin. Und ich kann mir aussuchen, über was ich schreibe, was ein großer Luxus ist. Ein Album, das mich irgendwie beeinflusst hat, ist Neil Diamonds letzte Scheibe '12 Songs', die ich rezensiert habe. Das hätte ich mir aber auf jeden Fall angehört, denn ich mag Neil Diamond und Rick Rubin, der das Album produziert hat, sehr. Ich liebe Rick Rubins Produktion und - ehrlich gesagt - wäre er mein Lieblingskandidat gewesen. Aber ich bin auch glücklich, mit dem, was Chris Walla getan hat." Da Robert in der glücklichen Lage ist, den Nachlass der Go-Betweens verwalten zu können, sei abschließend noch die Frage erlaubt, ob es denn in Zukunft weitere Go-Betweens-Scheiben geben wird? "Ich denke schon", zögert Robert, "im Moment ist die Rede davon, eine Zwei-Alben-Anthologie in Form einer Best-Of-Sammlung aufzulegen. Mal sehen, was daraus wird. Ich weiß aber nicht wann. Es gibt noch zwei Songs, die Grant begonnen hat, die ich sehr gut finde und die ich gegebenfalls noch verwenden könnte. Vielleicht indem ich sie jemanden anderen gebe, denn ich kann diese nicht singen. Ich wollte mich aber bei 'The Evangelist' auf drei Songs in dieser Art beschränken, da es ja kein Go-Betweens-Album sein konnte und sollte." Dann dürfte es - nicht nur für die Fans - von Interesse sein, wie Robert das Erbe der Go-Betweens auf der nächsten Tour verwalten wird. Festlegen wollte er sich noch nicht - denn unter anderem will er erst einmal die Reaktion auf seine neue CD abwarten - aber es ist davon auszugehen, dass Grant McLennan durch Robert zumindest noch eine kleine Weile weiterleben wird.
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Weitere Infos:
www.robertforster.net
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Interview: -Ullrich Maurer- Foto: -Pressefreigabe-
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Aktueller Tonträger: The Evangelist (Tuition/Alive)
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