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TRICKY
 
Der Besessene
Tricky
"Musik ist für mich schon immer etwas sehr Privates gewesen", verrät Tricky im Gaesteliste.de-Interview. "Ich höre bei mir zu Hause nur sehr selten Musik, wenn noch andere Leute dabei sind, ich höre Musik, wenn ich ganz allein bin, über Kopfhörer." Kein Wunder also, dass "False Idols", das dieser Tage erscheinende neue Album des britischen Trip-Hop-Pioniers, gelassener und erwachsener klingt als seine vorangegangenen Werke. Zur Seite stehen ihm dabei gleich eine ganze Reihe Gastvokalisten, die es ihm ermöglichen, sich voll und ganz auf seine Rolle als Songwriter und Produzent zu konzentrieren. Er möchte heute einfach nicht mehr ständig im Mittelpunkt stehen. "Das wäre mir zu vorhersagbar", erklärt er. "Deshalb tauche ich nun manchmal auf meinen eigenen Tracks auf und manchmal eben nicht. Natürlich bin ich derjenige, der die Interviews gibt, trotzdem bin ich froh, dass ansonsten andere im Rampenlicht stehen."
Fast scheint es so, dass sich Tricky mit "False Idols" musikalisch an viele Tugenden erinnert hat, die sein 1995er-Solodebüt "Maxinquaye" zu einem bis heute unübertroffenen Meilenstein gemacht haben. Zumindest ist das neue Album aus einer ähnlichen Geisteshaltung heraus entstanden. "In meinen Anfangstagen war ich geradezu besessen vom Musikmachen. Irgendwann ist mir das abhanden gekommen, denn meine Karriere, die damit verbundene Reiserei und auch das Partymachen kamen mir dazwischen. Jetzt ist diese Besessenheit zurückgekehrt", erklärt Tricky. "Anders gesagt: Partys sind mir inzwischen egal, ich schreibe lieber Texte!"
Zuletzt wurde Tricky künstlerisch allerdings ein wenig gebremst. "Meine letzten beiden Alben waren nicht so gut wie das neue, weil ich einfach unglücklich mit der Gesamtsituation war", gibt er selbstkritisch zu Protokoll. Was war passiert? Vor rund fünf Jahren unterschrieb er beim renommierten Label Domino Records, ein Schritt, der sich rückblickend als fataler Fehler für ihn entpuppte, denn Tricky kam mit Labelboss Laurence Bell überhaupt nicht klar. "Für jemanden, der selbst keine Musik macht, ist Laurence ziemlich von seinem Urteil überzeugt", sagt Tricky. "Meines Erachtens hätte er sich zurücklehnen und mich den Ton angeben lassen sollen. Er ist kein Musiker, aber er tut so, als wär er einer. Er hat also gewissermaßen den falschen Job." Besonders sauer stieß Tricky ein Treffen kurz nach Vertragsunterzeichnung auf: "Laurence hatte einen Typen namens Ross dabei: ein Möchtegern-DJ, ein echter Niemand, der verzweifelt versucht, ein Jemand zu werden. Ich fragte mich gleich, warum er wohl dabei war, bis Laurence dann meinte: 'Ross kann dir helfen, dein Album fertigzustellen!' Ich hab ihn nicht gleich abgeschmettert, denn ich bin nicht so schwierig, wie die meisten Leute denken, aber ich habe gefragt: 'Wie?' Vielleicht wusste Laurence ja etwas, das mir entgangen war! Ross schaute mich an und sagte nur: 'Ich habe eine Sammlung mit 20 000 Platten!' Da wusste ich, dass beide Idioten sind! Dummerweise stand ich zu dem Zeitpunkt bereits unter Vertrag. Versteh mich bitte richtig, Domino ist ein tolles Label, wenn du Franz Ferdinand oder die Arctic Monkeys bist. Nur ich habe dort einfach nicht hingehört!" So entstanden einige der besten nun auf "False Idols" veröffentlichten Tracks sogar bereits zu Domino-Zeiten, doch Tricky hielt die Stücke zurück. "Natürlich hab ich mir damit gewissermaßen ins eigene Fleisch geschnitten, aber irgendwie war ich da wie ein bockiges Kind, ich wollte für Domino nach all der Frustration einfach nicht mehr mein Bestes geben. Bei der neuen Platte war das natürlich jetzt ganz anders."
Die erscheint in Zusammenarbeit mit K7 auf Trickys neu gegründetem Label, das ebenfalls False Idols heißt und nicht nur als Plattform für seine eigenen Werke dienen soll, sondern auch seinen Kollaborateuren in Zukunft eine Labelheimat geben soll. Bereits vor zehn, zwölf Jahren hatte uns Tricky gestanden, dass er sich von traditionellen Labels oft künstlerisch eingeschränkt fühlte. Warum also hat der Schritt in die Selbstständigkeit so lange gedauert? "Ganz ehrlich, das war mein Fehler!", gibt er zu. "Ich bin einfach davon ausgegangen, dass es da draußen noch Labelmacher vom Schlage eines Chris Blackwell gibt." Blackwell, Trickys väterlicher Freund und Mentor, gründete vor Jahrzehnten das berühmte Label Island Records und veröffentlichte nicht nur bahnbrechende, sondern auch höchst erfolgreiche Werke von so unterschiedlichen Künstlern wie Nick Drake, Bob Marley und U2, sondern eben auch Trickys erste Solo-Platten. "An Domino hab ich mich ja auch nur gewandt, weil ich als Außenstehender den Eindruck hatte, dass es ein zukunftsorientiert denkendes, wirklich unabhängiges Label ist", fährt er fort. "Es ist mein Fehler gewesen, sie nicht zu durchschauen. Das ist natürlich nicht Laurence' Schuld, ich hätte einfach meine Hausaufgaben vorher besser machen müssen." Dennoch kann Tricky den verlorenen Jahren inzwischen auch Positives abgewinnen. "Wenn die Sache mit Domino nicht passiert wäre, hätte ich mich nie selbstständig gemacht und mein eigenes Label gegründet", sagt er bestimmt. "Das war der Punkt, an dem ich die Nase voll hatte und beschloss, von nun an nur noch mein eigenes Ding durchzuziehen."
Weitere Infos:
www.trickysite.com
www.facebook.com/TrickyOfficial
Interview: -Simon Mahler-
Foto: -Aldo Belmonte-
Tricky
Aktueller Tonträger:
False Idols
(K7/Alive)
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