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THE DUKE SPIRIT
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Aus Erfahrung gut
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"Ich bin wirklich froh, dass wir mit der neuen Platte die Harmonie und Schönheit in unserer Musik zeigen können", sagt Sängerin Liela Moss im Gaesteliste.de-Interview über das neue Album, "KIN", mit dem sich The Duke Spirit nun nach fünfjähriger Funkstille zurückmelden - und dabei klanglich durchaus überraschen können. Inzwischen setzt die vielleicht beste britische Band ihrer immer seltener auf Lautstärke und Geschwindigkeit, sondern findet gerade bei den langsameren, reduzierten Nummern mit einem gewissen Dream-Pop-Flair neue emotionale Stärke. "Bisweilen herrscht die Annahme vor, dass wir nur eine billige Rock-Band sind, du weißt schon, American Rawk!", sagt Liela lachend. "Das war allerdings nie unser Ziel. Wir haben vermutlich manchmal diesen Aspekt unseres Tuns etwas zu sehr betont, und deshalb glauben viele Menschen jetzt, dass wir nur zweidimensional sind. Die neue Platte dagegen zeigt hoffentlich, dass wir durchaus in der Lage sind, eine dritte und vierte Dimension zu eröffnen."
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Die echten Fans der Band wissen natürlich schon lange, dass das durch Gitarrist Luke Ford, Gitarrist/Bassist Toby Butler und Drummer Olly Betts komplettierte Quartett auch schon früher viel mehr war als nur ein Vertreter des Team "Rock". Schon auf ihrem allenthalben in den höchsten Tönen gelobten Debütalbum "Cuts Across The Land" von 2005 gab es neben handfestem Garagenrock auch Anleihen bei melodiösem Retro-Pop, kosmischem Blues und samtweichem Soul zu entdecken. Diese Einflüsse traten drei Jahre später auf dem Zweitwerk "Neptune" vollends zutage, bevor "Bruiser" 2011 auf einen schlanken Sound einschwenkte und die Rock'n'Roll-Seite der Band stärker betonte. Das Handgemachte mit einem Hauch von DIY umgibt die Band immer noch, trotzdem wandelt sie nun auf "KIN" bei einer Vielzahl von Liedern auf hörbar anderen Pfaden. Wie gut Liela und den Ihren die musikalische Neuausrichtung gelingt, beweist die Tatsache, dass die zerbrechlicheren Nummern wie "Wounded Wing" und "Here Comes The Vapour" hier mehr begeistern als die Rückgriffe auf alte Stärken wie "Anola" oder "Side By Side".
Die lange Pause, die The Duke Spirit vor der Veröffentlichung ihres inzwischen vierten Albums eingelegt haben, war nicht geplant. Der Band kam, wie es so schön heißt, einfach das Leben dazwischen. "Ende 2012 absolvierten wir die letzte Tournee zu 'Bruiser'. Anfang 2013 setzten wir uns dann zusammen und überlegten, was unsere nächsten Schritte sein könnten", erinnert sich Liela. "Genau in diesem Moment ereigneten sich bei einigen von uns sehr einschneidende Dinge. Meine Stiefmutter wurde sehr krank und verstarb einige Zeit später, gleichzeitig erwartete unser Gitarrist Luke die Geburt seiner ersten Tochter. Du kannst dir sicher vorstellen, dass, wenn du eh müde vom Unterwegssein bist, unter solchen Umständen irgendetwas zurückstehen muss. Wir saßen zusammen in einem Café und ich sagte den Jungs, dass ich mich einfach nicht aufs Songschreiben konzentrieren könne, denn ich wusste, das Beste, was ich damals tun konnte, war, mich um meine kranke Stiefmutter zu kümmern und sie durch ihr vielleicht letztes Lebensjahr zu begleiten. Es war schon ein wenig seltsam, denn Luke sah ja auch großen Veränderungen entgegen, wenngleich in positiver Hinsicht." Die nächsten 18 Monate waren die vier Musiker dann alle sehr auf ihr Privatleben fokussiert, bis sie vor rund anderthalb Jahren wieder neue Lust auf die alte Band bekamen. "Wir hatten uns alle an die Veränderungen gewöhnt und hatten plötzlich wieder Zeit, uns mit all den halbfertigen Ideen auseinanderzusetzen, die sich über die Zeit angesammelt hatten", erklärt Liela. "Das war ein wenig so, als wenn du die Bücher ganz oben im Regal abstaubst und denkst: 'Oh, was ist das denn, das hatte ich ja ganz vergessen!' Plötzlich verspürst du eine ganz neue Begeisterung!"
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Ganz hatten sich die vier auch in der Zwischenzeit nicht von der Musik abgewandt. Wann immer es ihre privaten Verpflichtungen zuließen, beschäftigten sie sich mit kleinen Nebenprojekten, von denen Tobys und Lielas Electronica-Duo Roman Remains das meiste Aufsehen erregte. Trotzdem waren diese Aktivitäten kaum mehr als ambitionierte Hobbys. The Duke Spirit hatten sich schließlich nicht aufgelöst, die Rückkehr war nur eine Frage der Zeit. 2015 zogen die vier dann wieder an einem Strang, doch wie haben wir uns den ersten Tag im Proberaum der Band nach so langer Pause vorzustellen? "Wir sind das Ganze in kleinen Schritten angegangen", verrät Liela. "Zunächst einmal hat Toby seine Hausaufgaben gemacht und eine Menge Ideen skizziert. Dann hat er sie mir vorgespielt und ich habe dazu gesungen. Zunächst waren wir also nur zu zweit. Luke hatte unabhängig davon auch Songs geschrieben, also stieß er irgendwann zu uns, und für ein, zwei Wochen waren wir zu dritt. Als wir dann vielleicht fünf Songs hatten, die richtig atmosphärisch waren, baten wir Olly dazu, um die Richtung festzulegen, in die wir uns letztendlich bewegen wollten. Es war richtig entspannt, die Platte auf diese Art und Weise anzugehen. Wenn wir uns alle gleichzeitig wieder an die Arbeit gemacht hätten, hätte das nur zu einem großen Durcheinander geführt, weil sich diejenigen von uns schnell gelangweilt hätten, die nicht ihre Meinung hätten kundtun können. Wenn zu viele Ideen gleichzeitig aufeinandertreffen, ist es oft unmöglich, die Persönlichkeit eines Songs herauszuschälen. Du brauchst einfach einen Einzelnen, egal, wer das ist, der die grobe Form vorgibt, und die anderen können dann ihre Ideen hinzufügen. Aus Erfahrung wissen wir, dass es uns nur frustriert, wenn wir uns alle gemeinsam auf etwas stürzen. Das ist dann nicht so, dass wir streiten oder jemand falsch liegt - aber wir wissen heute, dass wir eins nach dem anderen tun müssen. Das sind Erfahrungen, die wir über die Jahre gesammelt haben."
Die Erfahrungen halfen den Musikern auch, ohne Scheu vor Experimenten neue Wege zu gehen und die zuvor ein wenig festgefahrene Sichtweise ihrer eigenen Band zu überdenken. Das gilt auch für Lielas Texte, die nun näher an ihrem eigenen Leben orientiert zu sein scheinen als je zuvor. "Ja, das kann man so sagen", bestätigt sie. "Sie sind eine direkte Antwort auf die Veränderungen in meinem Familienleben und damit verbunden auch auf veränderte Gewohnheiten. Heute ist mir beispielsweise Meditation viel wichtiger. Ich verstehe mich selbst inzwischen auch viel besser und verstecke mich in meinen Texten deshalb weniger hinter Symbolik und Chiffren. Sie sind jetzt viel direkter."
Musikalisch dagegen schalten die Briten derweil immer öfter einen Gang zurück und begeistern mehr mit düster knisternder atmosphärischer Dichte denn mit urgewaltigen Gitarren. "Wir wollten eine Platte machen, die anders klingt. Denn um die Wahrheit zu sagen: Uns langweilte das, was wir zuvor gemacht hatten", gesteht Liela. "'Blue And Yellow Light' war der erste Song, der sich sozusagen als Fundament der neuen Ideen manifestierte. Natürlich gibt es auch einige Stücke auf der Platte, die weniger innovativ in puncto Einbinden neuer Sounds sind, aber sie gefielen uns, und deshalb beschlossen wir, sie so simpel wie möglich zu halten, anstatt sie in Drumloops oder Ähnliches zu tauchen. Das hätte womöglich so geklungen, als wollten wir jemand sein, der wir nicht sind. Der ganze Prozess hat uns keinen Schweiß und keine Tränen gekostet. Der einzige Grund, warum wir diese Richtung verfolgt haben, ist, dass dabei Sachen entstanden, die wir mochten und die uns praktisch in den Schoß fielen. Es war nicht so, dass wir daran lange hätten feilen müssen, bis wir etwas Brauchbares hatten. Wir hätten die Platte nicht gemacht, wenn das der Fall gewesen wäre, denn dafür hätte uns die Geduld gefehlt. Stattdessen fühlte sich alles sehr frisch an, alles passierte schnell. Wir sind einfach unseren Instinkten gefolgt und haben uns selbst verboten, die Dinge zu sehr zu analysieren."
Auch wenn die Band auf "KIN" immer noch unverkennbar The Duke Spirit ist, so ist doch nicht zu überhören, dass gerade die elektronische Seite von Roman Remains auch ihre Spuren hinterlassen hat. Das sieht auch Liela so: "Roman Remains haben uns gezeigt, wie toll synthetische Klänge und Programmings sein können. Früher hatte ich immer gedacht, diese Sounds seien bei The Duke Spirit fehl am Platze, aber ich habe gemerkt, dass dem nicht so ist, und inzwischen fühlt es sich vollkommen natürlich an, dass wir bei einer Nummer wie 'Blue And Yellow Light' die synthetischen und die organischen Klänge miteinander verweben oder bei 'Sonar' diese Art von Roboter-Hi-Hat-Sound verwenden. Plötzlich hatten die Klänge der Synthesizer der 70er-Jahre auch einen Platz in der Musik von The Duke Spirit. Ganz abgesehen davon haben wir Künstler wie Roxy Music, Brian Eno, Kraftwerk oder Suicide ja schon immer gemocht. Wir hatten diesen Sound zuvor allerdings aus unserer Musik ausgeklammert, weil wir dachten, unsere klangliche Palette sei gut genug. Aber je mehr wir gewachsen sind und je mehr wir in Nebenprojekten mit verrückten Sounds gearbeitet haben, desto klarer wurde uns, dass unsere Musik durchaus ein bisschen mehr Dynamik und ein bisschen frischen Wind vertragen könnte, ohne dass es eine große Sache wäre. Seitenprojekte geben dir nicht nur die Chance, neue Sounds zu entdecken, sie geben dir auch wirklich die Möglichkeit, mit ihnen zu arbeiten und sie lieben zu lernen. Am Ende fügst du so deiner Palette mehr Farben hinzu."
Unterstützung fand die Band bei Simon Raymonde, der einst bei den Cocteau Twins spielte, heute das Bella Union-Label betreibt und vor einem Jahrzehnt "Cuts Across The Land" produziert hatte. Für "KIN" kehrte er nun auf den Produzentensessel zurück. "Simon haben wir ausgesucht, weil wir ihn gut kennen und wissen, dass er eine Herangehensweise im Studio hat, die sehr entspannt ist", erklärt Liela. "Außerdem war es praktisch so, dass wir allein schon deshalb hart gearbeitet haben, weil wir ihn so sehr respektieren und ihn beeindrucken wollten. Er ist jemand, der dich bestimmte Dinge wieder und wieder machen lässt, bis du fast zerbrichst, aber dennoch ist er dabei nicht aggressiv. Er lässt dich einfach so lange an etwas arbeiten, bis die Emotionen wirklich an die Oberfläche gelangen. Schön war auch, dass wir einerseits versucht haben, diese ernste Stimmung zu kreieren, andererseits konnten wir uns in Simons Gegenwart aber auch wie echte Trottel aufführen und albern Spaß haben. Er ist nämlich sehr nachsichtig!"
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Mit der neuen Platte im Gepäck gehen The Duke Spirit nun auf Tour. Im Oktober gastieren sie - präsentiert von Gaesteliste.de - in vier deutschen Städten, und auch da soll die neue Freiheit, die die Band auf "KIN" umgibt, zu spüren sein."Es ist einfach toll, jetzt ein viertes Album zu haben, weil uns das viel mehr Möglichkeiten bei der Songauswahl bietet", freut sich Liela. "Es bedeutet, dass du nichts vortäuschen musst. Wenn du immer wieder die gleichen Songs spielst, kommst du irgendwann an den Punkt, an dem du sie fast nicht mehr hören kannst. Das fühlt sich dann an wie eine Mogelpackung, und wo ist da noch der Sinn? Jetzt haben wir eine größere Auswahlmöglichkeit und können unser Konzertprogramm damit viel interessanter gestalten - wenn ich jetzt etwas singe, dann ist meine Begeisterung echt und nicht geheuchelt."
Überhaupt hat sich die Band für die kommende Gastspielreise einiges einfallen lassen. Das Quartett wird dabei nämlich nicht nur um den obligatorischen Live-Bassisten ergänzt. "Auf der Tour wird uns eine Pianistin begleiten, die auch wunderschön singt. Deshalb wird es auf den Konzerten mehr Harmoniegesang als je zuvor zu hören geben. Die Konzerte sollen dadurch dramatischer, schöner und erhebender sein", verrät Liela, bevor sie für die Fans der "alten" Duke Spirit lachend hinzufügt: "Gleichzeitig wird es natürlich auch die überschwänglichen Punkrock-Momente, den berühmten Schlag in die Fresse geben!"
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Weitere Infos:
thedukespirit.com
www.facebook.com/thedukespirit twitter.com/dukespirit
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Interview: -Carsten Wohlfeld- Foto: -Pressefreigabe-
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Aktueller Tonträger: KIN (Ex Voto Records/Alive)
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