Matthew: Das bezieht sich auf eine Periode in den USA, den 20ern, einer Zeit voller Hedonismus, Kunst-Liebhaberei und so. Anthony fühlte, daß die letzten paar Jahre sein "Jazz-Age" waren. Das ist so eine Art F. Scott Fitzgerald-Ansatz, weißt Du.
Hm. Jeder andere empfindet diese Zeiten alles andere als Jazzig. Die Rede ist von Slackertum, Generation X, ja Generation Y. Wo gibt's denn da Referenzen zu Hedonismus und Kunstliebhaberei?
Anthony: Das ist so: Ich spreche hier nicht über die Gesellschaft als solches. Zeit hat viel mit Wahrnehmung zu tun. Viele Leute sind heutzutage auf Fernsehen, Zeitungen, Unterhaltung etc. angewiesen. Das erinnert mich an diese Zeit des "Jazz-Age". Es geht da eher um mich, mein Leben. Ich versuche so ehrlich zu sein, wie möglich. Für mich waren also die letzten Jahre sowas wie meine 20er.
Geht es nicht bei Jack überhaupt um die Kunst der Wahrnehmung?
Anthony: Genau. Jemand sagte mal, daß die Definition von Genie sei, daß es nicht darum ginge, wie man die Wahrheit wahrnimmt, sondern wie man durch seine Persönlichkeit Zugang zu dieser Wahrheit findet. Nicht, daß ich uns als Genies sehe - bei weitem nicht. Genies sind Leute, die den Lauf der Welt verändern. Aber der Punkt ist...wie war noch mal die Frage? Ach so, ja: Ich hoffe, daß das mit der Wahrheit bei uns zum Vorschein kommt. In der Kunst geht es immer auch darum, ehrlich zu sein. Deshalb überstehen richtige Kunstwerke auch die Zeiten. Nimm die Odyssee: Aus irgendeinem Grund trifft es die Psyche des Menschen, weil es ehrlich ist.
Und daran kann man Kunst ja auch erkennen, fehlt diese Ehrlichkeit, dieses Ursprüngliche, bleibt nur noch Technik und Handwerk zurück.
Anthony: Genau, es bleibt nur die Kosmetik. Und Kosmetik ist vergänglich. Wenn Du jemanden nur wegen des Aussehens heiratest, wird das mit ziemlicher Sicherheit nicht von Bestand sein.
Andere Frage: War irgend jemand überrascht, wie das Album klingt? Immerhin scheint dies eine besonders gelungene und logische zweite Platte geworden zu sein.
Matthew: Ja schon. Ich war überrascht, wie professionell das alles klingt - nicht so sehr über die Musik.
Anthony: Ich war - um ehrlich zu sein - gar nicht so sehr überrascht - leider. Und das ist es auch, was ich an dem Album kritisieren würde. Da fehlt mir was.
Das wäre auch meine Kritik gewesen. Die Elemente der Neugierde, des Ausprobierens fehlen irgendwie. Das Album klingt unglaublich selbstbewußt.
Anthony: Vielleicht ein bißchen zu selbstbewußt. Alles hat seinen Platz, alles ist stimmig. Es ist nun so, daß ich mir ziemlich sicher bin, über das, was ich singe - ansonsten würde ich es nicht tun. Darin liegt das Selbstbewußte wahrscheinlich.
Matthew: Und das letzte Mal warf man uns vor, daß die Band auf dem letzten Album sehr unsicher spiele. Dessen waren wir uns auf diesem Album natürlich bewußt und so waren wir froh, daß wir einen Produzenten hatten, der wußte, wo's lang ging. Das letzte Mal waren wir zu vorsichtig.
Anthony: Das erste Album war irgendwie liebenswürdiger. Weißt Du, wenn jemand sich umständlich anstellt, herummacht, ist er doch gleich irgendwie liebenswürdiger. Das Problem dabei ist, daß Du das nicht nachmachen kannst, nicht fälschen darfst. Du darfst nie weniger machen, als das, was Du kannst. Andererseits betrügst Du dich selbst.
Die Songs auf dem Album sind nicht sehr neu. Wie kommt das?
Anthony: Ja, "Lolita" ist vielleicht der neueste. Und der ist schon ein Jahr alt. Unsere Plattenfirma hat da ein paar Fehler gemacht und wir konnten nicht früher ins Studio gehen. Wir sollten jetzt eigentlich unser drittes Album aufnehmen. Wir sind also ein Jahr zu spät. Aber ich will da nicht drauf rumreiten. Ich habe auch schon ein paar neue Stücke geschrieben, aber am liebsten würde ich die Sache auf mich zukommen lassen, sich entwickeln lassen - eben wegen des Überraschungsfaktors.
Der Sound auf der Platte ist doch etwas zupackender, kräftiger, als auf "Pioneer Soundtracks" - besonders die Gitarren. Wie kam das?
Matthew: Zeit. Wir hatten mehr Zeit. Die Gitarren, die Du auf der letzten Platte hörst, waren meist die Basis-Tracks. Wir hatten keine Zeit, etwas zu doppeln oder neu aufzunehmen. Diesmal haben wir alle Tricks aufgefahren. Gitarren gedoppelt, Effekte eingesetzt etc.
Zum Glück dominieren die Gitarren nicht alles, sondern lassen genügend Platz für die anderen Instrumente. Aber ansonsten gibt's viele potentielle Hits. Und vielleicht die eine oder andere Referenz in die eine oder andere Richtung? "Pablo" erinnert doch irgendwie an Bowie's "Suffragette City", oder...?
Anthony: Absolut. Es ist wichtig für uns, zu zeigen, daß wir auch Spaß haben und es nicht wichtig für uns ist, besonders originär daherzukommen.
Matthew: Deshalb machen wir es auch so offensichtlich. Als uns auffiel, daß es da Ähnlichkeiten gab, haben wir diesen Effekt sogar noch ein wenig verstärkt.
Zurück zu den Inhalten. Da gibt es - neben den betont persönlichen Texten Anthonys - Anspielungen auf Pablo Picasso ("Pablo"), Nabokov ("Lolita"), Hemingway's "Love & Death" - große Namen, also, gelassen ausgesprochen. Was ist die Funktion dieser Elemente?