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DOWNPILOT
 
Jenseits von Stift und Papier
Downpilot
"The Forecast" ist nicht nur das neue, inzwischen siebte Downpilot-Album, es ist auch das bisher am feinsten ausgearbeitete, mutigste Werk des amerikanischen Tausendsassas Paul Hiraga. Von ihm praktisch im Alleingang eingespielt, macht er sich dabei mit spielerischer Leichtigkeit den Laurel-Canyon-Folk und Baroque-Pop der 60er- und 70er-Jahre zu eigen und streift bisweilen sogar den Britpop der 90er, ohne nur ein Abziehbild seiner Vorbilder zu sein. Dass die Platte bereits als "Reise durch die Dekaden" bezeichnet wurde, ist aber nicht allein den Inspirationen Hiragas geschuldet. "Inzwischen bin ich an einem Punkt, an dem auch ich Musik verteilt über mehrere Jahrzehnte gemacht habe", sagt er im Gaesteliste.de-Interview. "Das steckt alles in mir, das muss ich gar nicht erzwingen."

"Leaving Not Arriving" nannte Paul Hiraga einst sein Debütalbum als Downpilot, auf dem er ein Gefühl von Rastlosigkeit vertonte, bevor er sich in der Folge auch Themen wie der Unausweichlichkeit des Wandels, der Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen und der Ungewissheit der Zukunft widmete, dabei aber auch immer wieder die faszinierende Schönheit der Natur in den Fokus rückte. Mit "The Forecast" zeigt der in Seattle heimische Sänger, Songwriter, Produzent und Multiinstrumentalist nun, wie man sich inhaltlich und klanglich treu bleiben kann, ohne nur auf der Stelle zu treten. Im Mai stellt er die neue Platte auf einer von Gaesteliste.de präsentierten Deutschland-Tournee auch live vor.
GL.de: Paul, es ist tatsächlich immer wieder beachtlich, wie mühelos deine Songs, ganz besonders auf den letzten beiden Platten, klingen. Liegt das daran, dass du mit jeder neuen Platte dem Prozess mehr vertraust, anstatt einer konkreten künstlerischen Vision nachzujagen?

Paul Hiraga: Manche Songs haben viel Arbeit gekostet, aber es ist immer wieder seltsam, wie mühelos einige von ihnen sind, bisweilen erreichen sie mich auf geradezu magische Art und Weise. Der Titeltrack war ein Beispiel dafür, alles geschah sehr plötzlich und in ein paar Stunden war alles aufgenommen. Das hat mich ziemlich verblüfft. Ich denke, die Stimmung dieses Moments der Schöpfung einzufangen, ist eine wichtige Energie, die sich auf der Aufnahme niederschlägt.

GL.de: Setzt du auch sonst auf Spontaneität?

Paul Hiraga: Ich lege nicht wirklich ein Thema für die Alben fest, bevor ich anfange, ich vertraue darauf, dass die Songs mich schlussendlich leiten. Zu viel Nachdenken hilft mir nicht, mein Schreiben ist heutzutage automatischer geworden, eine Art Bewusstseinsstrom, denn wenn ich so schreibe, bin ich normalerweise überrascht oder sogar verwirrt von dem, was sich auftut.

GL.de: Hat das auch einen Einfluss auf die Aussage der Texte?

Paul Hiraga: Ich denke, ich suche meistens nach etwas, das irgendwie emotional Wirkung zeigt, es muss nicht einmal wirklich Sinn ergeben. Normalerweise bevorzuge ich Texte, die nicht linear sind, das lässt dem Publikum mehr Raum, sie sich zu eigen zu machen. Ich denke, dass ich in meinem eigenen Schreiben versuche, es von einem weniger kontrollierten Ort kommen zu lassen. Ich bin vor Jahren auf diese Idee gekommen, als ich Keith Richards Autobiographie las und er sagte, er würde einfach die Mikrofone aufstellen, den Toningenieur das Band anschalten lassen, und dann einfach die Worte fließen lassen. Manchmal kommt man so auf Dinge, die man mit Stift und Papier nie erreichen würde, und normalerweise ist eine Wahrheit darin vergraben.

GL.de: Deine von Gaesteliste.de präsentierte Tournee durch Deutschland findet Anfang Mai statt. Wie hängen Live-Auftritte und die Arbeit im Studio für dich zusammen und was ziehst du aus ihnen für dich persönlich?

Paul Hiraga: Heutzutage baue ich Songs oft Stück für Stück auf, während ich sie schreibe, ohne darüber nachzudenken, wie ich sie auf die Bühne bringen werde. Wenn also das Album herauskommt und die ersten Shows stattfinden, kann es wirklich schwierig sein herauszufinden, wie ich es in den Live-Kontext übersetzen kann, besonders wenn ich solo spiele. Aber es ist eine spannende Herausforderung, und die Lieder auf der Bühne zum Leben zu erwecken, ist immer voller Überraschungen.

GL.de: Wie sieht der perfekte Auftrittsort für dich aus?

Paul Hiraga: Man kann nie wissen! Einige meiner besten Shows waren in den beschissensten Clubs, und einige der Auftritte in den schönsten Theatern fühlten sich irgendwie lahm an. Es kommt wirklich auf die Chemie zwischen allen Elementen einer bestimmten Nacht an - dem Raum und der Akustik, den Menschen, der Stimmung aller. Aber ich liebe besonders die Kreativität von Veranstaltungsorten, die an den unmöglichsten Orten aus dem Nichts entstehen, nur für eine Nacht voller Musik. Einer meiner Favoriten war die industrielle Waschküche einer psychiatrischen Klinik, die die Veranstalter vollständig in einen magischen Aufführungsort verwandelt hatten.

GL.de: Deine vergangenen Tourneen hatten viele Highlights (und einige unvermeidliche Tiefpunkte): Hast du besonders unerwartete Höhepunkte im Kopf, die dafür gesorgt haben, dass du trotz vieler Zweifel am Ende doch immer wieder zurückgekommen bist?

Paul Hiraga: An manchen Abenden fallen die Höhen und Tiefen zusammen: Ich hatte eine Show in Bayern in einem Lokal namens Blues Bar (oh, oh!), inclusive des ortsansässigen Großmaul-Besoffenen, der die ganze Zeit direkt vor mir tanzte und sang. Aber nach der Show kam ein junges Mädchen mit einem selbstgemachten Heft mit Zeitungsausschnitten der Berichte über mich zu mir und bat mich, es für ihre beste Freundin zu signieren, die nicht zur Show kommen konnte, und sie sagte, es sei ihr wirklich wichtig, weil meine Musik war Soundtrack zu ihrer Freundschaft sei. Das war so süß und unerwartet!
GL.de: Was macht dich derzeit als Musiker besonders glücklich?

Paul Hiraga: Ich war zuletzt Bandleader bei einigen der größten Benefizkonzerte in Seattle und durfte dabei mit einigen sehr bekannten Musikern von R.E.M., Pearl Jam, The Dandy Warhols, Sleater-Kinney und mit Dave Matthews zusammenarbeiten, und auch mit einer Reihe jüngerer Künstlerinnen und Künstler, mit denen ich sonst wohl nicht in Kontakt gekommen wäre. Das ist schon etwas anderes, als mit meiner eigenen Band zu spielen, aber mir gefällt die Unterstützerrolle und ich kann auf meine jahrelange musikalische Ausbildung zurückgreifen, um vielseitig Rock, Soul, Jazz oder was auch immer zu spielen. Das ist eine nette Abwechslung, und ein wenig fühlt es sich so an, als wenn sich in meinem musikalischen Leben der Kreis schließt.


Zu den Tourdaten geht es hier!



Weitere Infos:
downpilot.com
www.facebook.com/people/DOWNPILOT/100063452560445
www.tapeterecords.de/artists/downpilot
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Peter Hilgendorf-
Downpilot
Aktueller Tonträger:
The Forecast
(Tapete/Indigo)
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