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JESPER MUNK
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Auf der Suche nach Balance
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Eine recht abwechslungsreiche Karriere mit vielen Höhen und Tiefen hat der Wahlberliner Musikus Jesper Munk vorzuweisen. Von den Anfängen als Straßenmusiker über die "Entdeckung" als Deutschlands neue Blues-Hoffnung, lukrative Major-Deals, Fernsehauftritte und dem Weg zurück zu den Roots als inzwischen integrative Kraft der Berliner Indie-Szene mit Beteiligung an diversen maßgeblichen Acts wie Public Display Of Affection oder Plattenbau war so ziemlich alles dabei, was das Herz eines Musikers erfreuen und/oder betrüben könnte. Nachdem sich Jesper mit dem Cover-Album "Taped Heart Sounds" den Frust der Pandemie von der Seele gearbeitet hatte, kehrt er nun, mit seinem dann sechsten Album "Yesterdaze" wieder zu seinem Kerngeschäft als Songwriter zurück und präsentiert eine - dem Titel des Albums nach leicht vernebelte - Sicht auf die Vergangenheit.
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Was hat Jesper dann an dem so entstandenen, unwirklichen, leicht psychedelischen David-Lynch-mäßigen Sound-Design mit seinen ungewöhnlich verhallten Stimmen fasziniert, das er das zum Thema seines neuen Albums machte? "Oh, so habe ich das auch noch nicht gehört - finde diese Referenz aber sehr interessant", führt er aus, "ganz ehrlich gesagt, habe ich mich beim Produzieren lange Zeit nicht ans Mischen getraut, weil ich auf dem linken Ohr fast taub bin und nur sehr wenige Höhen und Volumen mitbekomme, weil ich als Elfjähriger mal mein Trommelfell verloren habe. Das wurde zwar ersetzt - aber die Höhen gehen mit flöten. Der Tontechniker, mit dem ich bei dem Cover-Album schon zusammengearbeitet hatte, hat mich aber immer mehr ermutigt, weil er gemerkt hatte, dass ich ihm immer bei seiner Arbeit über die Schulter geschaut hat und dann hat er mir Pro-Tools beigebracht, damit ich selbst mehr machen konnte. Ganz ehrlich suche ich beim Produzieren eigentlich nur nach Balance - genauso wie beim Malen, beim Arrangement oder beim Songwriting. Vieles davon ist unterbewusst. Man sucht nach irgendetwas, bis es richtig klingt und macht das dann. Die Sache mit den Stimmen kommt eigentlich nur von dem älteren MG21-Mikrofon, das diesen nostalgischen Sound hat." Nostalgie ist auch ein gutes Stichwort, denn Jesper arbeitet bei den neuen Songs mit Referenzen auf klassische Musikformate wie z.B. Songbook-Jazz - vermeidet aber wohl den klassischen Blues - dessentwegen er ja ein Mal besonders gepriesen wurde. "Aktive Genre-Entscheidungen gab es aus meiner Sicht gar nicht", berichtet Jesper, "wenn ein Song in eine bestimmte Richtung gehen wollte, dann suchte man schon nach einer Heimat im Genre - aber es gab keine bewussten Entscheidungen in dieser Hinsicht. Ich mag so zeitlose Sachen. Wenn ich selber Musik mache, höre ich eigentlich wenig und wenn, dann am liebsten Live-Musik oder solche auf Empfehlung von meinen Freunden - wovon ich natürlich schon beeinflusst werde. Ich bin da in dieser Hinsicht irgendwie durchlässig - und isoliere mich dann oft, weil ich Angst habe zu viel beeinflusst zu werden. Aber natürlich werde ich beeinflusst - das ist ja klar."
Nochmal zum Thema altmodische, zeitlose Musik: Bei der TV-Produktion "Haus der Träume" ist Jesper ja auch als Schauspieler zu sehen - in einer Nebenrolle als Band-Musiker in den 30er Jahren. Was hat es denn damit auf sich? "Sherry Hormann, die Regisseurin der Serie, hatte mich über meine Musikvideos kennengelernt und wollte mich eigentlich für die Hauptrolle casten. Ich habe immer wahnsinnig Schiss vor dem Schauspielen - bin dann aber zum ersten Casting hingegangen, um diese Angst zu überwinden, weil das mit der Musik damals zu Zeiten von Corona gar nicht lief. Die TV-Produktionen wurden zwar schwieriger - aber im Gegensatz zur Musik nicht eingestellt. Es wurde dann aber natürlich nicht die Hauptrolle - aber es war gut, weil Sherry mir dann diesen anderen Charakter zugewiesen hat. Ich bin aber Musiker und kein Schauspieler. Wenn mir aber mal wieder etwas angeboten wird, dann habe ich nicht mehr so viel Angst davor." Wie entstanden denn die neuen Stücke? Sind die alle am Klavier geschrieben worden? "Die meisten ja", bestätigt Jesper, "auch auf dem 'Favorite Stranger'-Album habe ich viel auf dem Klavier geschrieben. Das ist eine grundsätzlich andere Herangehensweise zu schreiben als auf der Gitarre. In gewisser Hinsicht ist es sogar einfacher, weil man ein gewisses Frequenzspektrum einfach mal stehen lassen kann. Und es schafft Zeit, intuitiv zu schreiben, wenn man gerade am schreiben ist. Es umarmt einen sozusagen mit seinem größeren Frequenzbereich. Bei der Gitarre muss man viel mehr treiben. Aber ich schreibe jetzt doch wieder mehr auf Gitarre. Es soll gitarrenlastiger werden und in eine Richtung aus Shoegaze und Crooner gehen, die ich so noch nicht gehört habe. Allerdings bin ich auch nicht der belesenste Hörer." Und warum sind die Sachen dann immer zugleich auch sehr psychedelisch angelegt? "Ich finde es interessant, weil man sehr traditionelle Songs auf diese Weise sehr verändern kann. Ich würde zum Beispiel 'Greenscreen' auf dem neuen Album als sehr traditionelle Komposition betrachten und das hätte zu schnell in eine vorhersehbare Richtung führen können. Die kleinen Sounddesigns sind dann wie ein Zuckerguss und schieben auch ein bisschen."
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Neben traditionellen Musikformen kommen ja auch noch ganz andere Sachen ins Spiel. "Yesterdaze" könnte auch ein Trip-Hop-Song sein, "Tiny Heart" geht in Richtung New Wave und "Dressed" ist nur ein Jam-Session-Snippet, bei dem die Band nach dem Sound des Songs "Not To Lie" suchte. Wenn Jesper also sagt, dass er nicht auf die Genres achte - worauf achtet er denn? Nur auf den Sound, vielleicht? "Ja", bestätigt Jesper, "wobei 'Tiny Heart' aus dem Rahmen fällt. Bereits der erste Titel 'Yesterdaze' hat schon eine Drum-Machine, die nachher nicht mehr auftaucht. Und auch 'Tiny Heart' hat auch so eine Drum-Machine. Die beiden Songs sind die offensichtlichsten und am stärksten strukturierten - und deswegen stehen sie am Anfang der Scheibe. Die restlichen Songs sind dann klanglich ähnlich." Wovon singt Jesper denn auf der neuen Scheibe? Der Titel des Albums legt ja tatsächlich nahe, dass es um verschwommene Erinnerungen gegen könnte. "Es geht viel um Introspektive", erläutert er, "ich war ja immer sehr obsessiv mit Liebe und Partnerinnen und sowas und habe sehr viel Verantwortung an andere Leute abgegeben, mich zu lieben, anstatt zu lernen mich selbst zu lieben. Es ist irgendwie einfacher, andere Leute zu lieben als sich selbst. Ich glaube, es geht immer noch um dieses Thema. Es ist eine sehr introspektive Weise, Musik zu schreiben und zu erfahren - auch als Therapie." Interessanterweise sagt Jesper, dass das neue Material in einer Zeit entstand, in der sicher geglaubte Gewissheiten eben nicht mehr galten. Geht es auf "Yesterdaze" nicht auch um das Thema Unwägbarkeiten und das nicht kontrollieren können von Szenarien und Beziehungen? "Definitiv", bestätigt Jesper, "der Song 'Tiny Heart' geht zum Beispiel mit unveränderter Drum Machine in eine Richtung, die einem diese Entscheidungen abnimmt. Das ist am Ende natürlich nur eine Illusion. In der Zeit war wahnsinnig viel Unsicherheit da. Ich war zu der Zeit auch noch verheiratet mit Madeleine Rose. Zusammen in der Corona-Zeit eingesperrt zu sein, war dann total krass." Die Beziehung überlebte diese Phase denn auch nicht. Während Jesper nach der Pandemie dann noch zusammen mit Madeleine Rose in dem gemeinsamen Projekt Public Display Of Affection zusammenarbeitete, trennte sich das Paar schließlich. Offensichtlich nutzte Jesper dann das neue Projekt auch dazu, diese Erfahrungen therapeutisch zu verarbeiten. "Ich kenne es halt nicht anders", meint er fast schon entschuldigend, "was ich zum Beispiel nicht so einfach finde, ist Songs mit einer richtigen Narrative zu schreiben und der dann auch sinngemäß zu folgen. Ich schreibe lieber introspektiv und aus einer intuitiven, persönlichen Sichtweise. Es fängt bei mir oft als Mosaik an. Sobald die Worte auf die Musik passen - bei mir eben oft durch Trial & Error, weil ich schlecht im bewussten Konstruieren und Kuratieren bin und eher auf Gefühle angewiesen bin - ist es das dann."
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Wonach sucht denn der Songwriter Jesper Munk, wenn er einen Song schreibt? "Da geht es für mich immer um dieses Gleichgewichtsgefühl", führt er aus, "und das ist das, was ich am meisten aktiv beobachte, während ich ansonsten eher intuitiv arbeite. Wenn die Balance nicht stimmt, dann fühlt sich das eben nicht gut an. Mal ein Beispiel: Wenn eine Akkordfolge komplizierter wird, dann neige ich dazu, den Text simpler zu machen. Oder umgekehrt, wenn der Text komplexer wird, wird die Produktion der klanglichen Welt einfacher. Ich finde es auch wichtig, dass die meisten Leute sich beim Zuhören angesprochen fühlen und das auch mit denen kommuniziert wird, obwohl sie keine Musik machen. Ich finde auch zerebrale Musik für Musiker interessant - aber was mich am meisten berührt sind Songs, die jeder verstehen kann - und bei denen trotzdem keine Abstriche wegen einer Wirtschaftlichkeit gemacht wurden." Apropos Balance: Wie bekommt Jesper seine eigenen Ansprüche und die notwendigen wirtschaftlichen Aspekte seines Tuns in den Griff? "Ich habe wirklich das Glück gehabt, dass ich bisher meine Musik immer gut verteidigen konnte - abgesehen davon, auf einem Major Label zu sein und sich dann so unter Druck zu fühlen, dass man aus Trotz das Gegenteil von dem macht, was das Label sagt - auch wegen der Probleme mit der Autorität und diesen kapitalistischen Ansätzen. Ich habe mich nie für die Wirtschaftlichkeit gedreht. Soweit mir nicht in die Musik hereingeredet wird, gehe ich aber auch viele Kompromisse ein - wenn es etwa darum geht, Aufträge und Live-Konzerte anzunehmen, um Geld zu verdienen. Ich habe auch oft nein gesagt und idealistische Entscheidungen getroffen. Ich sehe mich auch irgendwie als Dienstleister und denke, dass jeder auf seine Art etwas hat, das er beisteuern kann. Bei mir ist es halt Musik geworden."
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Weitere Infos:
www.jespermunkmusic.de
www.facebook.com/jespermunkmusic www.instagram.com/jespermunkmusic www.youtube.com/watch?v=ANrxgfTrFxw www.youtube.com/@JesperMunkMusic/videos
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Interview: -Ullrich Maurer- Fotos: -Ullrich Maurer-
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Aktueller Tonträger: Yesterdaze (Glitterhouse/Indigo)
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