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SUZAN KÖCHER'S SUPRAFON
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Die Perspektive des Kopfkinos
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Seit die Solinger Musikerin Suzan Köcher 2019 zusammen mit Partner Julian Müller endgültig zum Bandprojekt Suzan Köcher's Suprafon umfirmierte und das zweite Album "Suprafon" veröffentlichte, ist die Welt ja um einige Krisen reicher geworden. Kein Wunder also, dass die Arbeiten am nun vorliegenden, dritten Album "In These Dying Times" sich dann etwas hinzogen. Pandemie, Ukraine-Krieg, Gaza-Krise und anderen Unbilden - die sich dann tatsächlich auch auch inhaltlich ansatzweise widerspiegeln - kamen einfach dazwischen. Und dann waren da ja auch noch einige andere Projekte, an denen Suzan und Julian parallel arbeiteten und eine bandinterne Umbesetzung. Nun präsentieren Suzan Köcher's Suprafon mit neuer Rhythmusgruppe und frischen Song- und Soundideen das dritte gemeinsame Album "In These Dying Times".
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Was waren denn die einzelnen Gründe dafür, dass das Album erst jetzt erscheint? "Seit dem letzten Album vor fünf Jahren ist ja viel passiert", führt Suzan Köcher aus, "zum einen war da natürlich die Pandemie zu nennen, die uns ja auch in die Tour hinein geraten ist - und zum anderen hatten wir einen Besetzungswechsel (mit Janis "Piet" Rosanka am Bass und Dale Lohse an den Drums) und dementsprechend hat es etwas länger gedauert, bis wir an neuen Songs arbeiten konnten. Deswegen sind die Songs für uns persönlich teilweise auch ein wenig älter. Die Singe 'Sleepless Strangers' habe ich zum Beispiel in der ersten Quarantäne-Phase geschrieben. Wir haben dann aber im Studio eigentlich das gemacht, was wir wollten - wie immer also eigentlich." "Sleepless Strangers" entstand ja bereits während der Pandemie - ist das dann auch ein Song über die Pandemie? "Im weitesten Sinne", zögert Suzan, "es geht um Eskapismus - und das ist dann auch schon das, was mit der Pandemie zu tun hat. Ich habe den Film 'Alphaville' von Jean Luc Godard gesehen, in dem ja Anna Karina mitspielt und ich fand die Filmszenen so faszinierend, dass sie mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gegangen sind. Ich habe dann versucht, meinen eigenen französischen Film, der in meinem Kopf war, aufzuschreiben und mit Hilfe von Julian zu einem Song zu bringen. Es ist dann aber kein Song über den Film 'Alphaville', sondern einer über einen eigenen Film, den ich mir in meinem Kopf überlegt habe. Das Video dazu habe ich erstmals auch selbst gemacht. Ich habe den Camcorder meines Vaters im Keller gefunden und wir haben bei uns die Bude ein bisschen umgestellt und versucht, meinen Film dann auch mit den Mitteln, die wir hatten, im Video umzusetzen."
Die neue Scheibe scheint sogleich politischer wie auch persönlicher ausgefallen zu sein als die beiden Vorgänger-Alben. Ist es so, dass die Texte dieses Mal wichtiger waren, als bislang? "Ja - 'The Trip' und 'Seventeen' sind etwa schon sehr zentrale Stücke auf der Platte, mit denen ich gar nicht so viel zu tun hatte und die eher von Suzan ausgingen", erläutert Julian. Was hat es denn damit auf sich? "Der Song 'The Trip' kam eigentlich aus mir heraus", führt Suzan aus, "das ist ein Song, den ich schon sehr lange schreiben wollte. Das ist einer der Songs, die sehr persönlich sind. Ich traue mich auf dieser Platte nämlich, persönlicher zu werden als bisher. Ich wusste schon seit vier oder fünf Jahren, dass ich diesen Song schreiben wollte - das fiel mir dann aber doch schwerer als ich dachte. Das Riff stammt von Julian und ich verarbeite in dem Text da eine bestimmte Sache, die mir widerfahren ist." Hat der Song vielleicht ein klassisches Blues-Thema? Denn in dem Text kommt der Teufel vor - dem man im klassischen Blues ja öfter mal seine Seele verkauft? "Also wenn du den Vergleich nehmen wollte, würde ich eher sagen, dass es um einen Schicksalsschlag geht und ich eher keinen Pakt mit dem Teufel eingehen möchte", meint Suzan, "es geht um einen Traum, in dem der Teufel vorkommt und ich möchte lieber aus diesem Traum aufwachen." "Das ist aber ganz interessant mit deiner Interpretation, denn das ist jetzt das erste Interview, das wir zur neuen Scheibe machen und wir haben bisher nur untereinander über die Songs gesprochen", fügt Julian hinzu, "wir müssen uns da thematisch also auch erst reindenken - und manchmal ist es ja auch so, dass man selbst auch erst hinterher begreift, worum es in diesem oder jenem Song geht."
In der Welt der Singer/Songwriter ist das ja oft so, dass die Künstler sagen, mit ihrer Musik ihr Leben verarbeiten zu wollen und so eine Art Autotherapie durchlaufen, durch die sie sich selbst besser kennen lernen. Ist das denn bei einer psychedelischen Rockband auch so? "Absolut, absolut", pflichtet Suzan bei, "es ist ja auch sehr spannend, welche Assoziationen andere Leute zu den Songs haben. Manchmal fällt mir durch die Assoziation mit anderen auf, was ich eigentlich über die Songs denke. Das beste Beispiel ist der Song 'Seventeen', den ich über jemanden anderes geschrieben habe - aber über eine Erfahrung, die ich mit 17 gemacht habe. Letztendlich kann man das aber auch so sehen, dass ich da ins Gespräch mit meinem 17-jährigen 'Ich' gehe. Das ist mir aber erst ziemlich spät - im Prozess der Platte - aufgefallen. Das war dann für mich ein 'Aha-Moment' wo ich ein bisschen Gänsehaut bekommen habe." Wenn man über persönliche Sachen schreibt, kann man ja nicht hemmungslos alles herauslassen, oder? "Genau - ich kann keine Namen und Details nennen", bestätigt Suzan, "man muss dann alles verschlüsseln. Das ist aber auch ein total unbewusster Prozess. Deswegen nehme ich in einigen Songs auch definitiv andere Perspektiven ein - was auch spannend ist und Spaß macht. Aber am Ende schreibst du dann doch über dich selbst. Du kannst jede Perspektive einnehmen, die du willst - aber am Ende offenbarst du auch immer Dinge von dir; das geht gar nicht anders."
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Wie kommen dann Songs wie "Maybe I'm A Lemon" zustande? "Das Wichtige ist dabei, dass wir - auch bei den Blackberries - bei einigen Songs mit einem irischen Texter namens Michael Cummins zusammenarbeiten", räumt Julian ein, "und der Text stammt von ihm. Wir interpretieren dann diesen Text genauso wie du. Für mich geht es in diesem Text um Selbstfindung - also die Frage, ob ich eine Lemon oder eine Pineapple bin. Ich habe Michael aber noch nie nach der Bedeutung seiner Texte gefragt. Ich finde das zwar spannend, dass man über Texte reden kann, sie aber dann ja doch für jeden etwas anderes bedeuten kann. Und manchmal ändert sich die Bedeutung ja auch selbst für einen. Es gibt Songs von mir selbst, die mich heute gar nicht mehr so viel bedeuten wie zu der Zeit, wo ich sie geschrieben habe - und andere, die nach wie vor aktuell sind. Ich finde es dann spannend, die eigenen Assoziationen zu verwenden und dann fühlt es sich auch so an, als wäre der Text von einem selber." "Meine Assoziation zu 'Maybe I'm A Lemon' ist - wie du auch gesagt hast - diese Selbstfindungsthematik", führt Suzan aus, "und dass die im Text angesprochenen Ambivalenzen in einer Person existieren können. Und irgendwie geht es dabei für mich um eine selbstbewusste Attitüde, die mich empowert. Wir hatten sogar erwogen, den Song zum Titeltrack zu machen - haben uns dann aber doch für 'In These Dying Times' entschieden." Wie kommt es denn eigentlich, dass die neue Platte auf vielen Ebenen konkreter und zugänglicher wurde, als die letzte Scheibe? "Die neue Scheibe ist einfach songorientierter", erklärt Julian und Suzan ergänzt: "Für mich sind das regelrechte Pop-Songs. Wir haben beide schon immer Songs geliebt. Ob das die Melodien oder interessante Texte waren. Wir haben auch beide keine Angst vor Pop-Musik. Bei dieser Platte hatten wir soviel Raum, dass wir uns den auch genommen haben. Bei den ersten beiden Platten war das noch nicht so. Auf der neuen Scheibe nehme ich wesentlich mehr Platz ein in dieser Hinsicht. Ich habe ja auch gelernt, was ich möchte und bin dann dieses Album mit einer riesigen Vision angegangen. Ich habe weniger das getan, was Julian oder Jens gesagt haben, sondern habe mir überlegt, was mich gerade inspiriert und mir im Kopf rumgeht. Ich habe dann mehr Raum des gemeinsamen Nenners eingenommen - und vor so etwas muss man auch keine Angst haben."
Was war es denn, was Suzan inspiriert hat? "Musikalisch war das für diese Scheibe tatsächlich dieses Indie-Ding wie ganz stark die Shout Out Louds oder Alvvays und ich hatte auch wieder eine ganz starke Fleetwood Mac-Phase und habe mich auf eine ganz andere Art und Weise neu in Stevie Nicks verliebt. Das war auch ein ganz starker Einfluss." Nun - die Art von Popmusik, die dabei heraus kam, hat natürlich immer noch nichts mit kommerziellem Wegwerf-Pop zu tun, sondern strahlt eine klassische Zeitlosigkeit aus, die nicht alleine ans Hier und Jetzt gebunden ist. "Ja, ich denke auch, dass die neue Scheibe präziser ist als die letzte und letztlich auf einen Nenner bringt, was die Band im Kern so ausmacht", fasst Julian das zusammen, "wir haben die Aufnahmen auch erst nach der Umbesetzung eingespielt. Es hat zunächst etwas länger gedauert, bis die neuen Musiker - Janis 'Piet' Rosanka, der auch bei den Blackberries Bass spielt und Dale Lohse - die neuen Songs draufgeschafft hatten, ging dann aber recht schnell, was das Einspielen der Live-Tracks betraf." "Ja, aber es ist teilweise absurd, wie lange wir an den Songs gearbeitet haben", wirft Suzan ein, "das hängt damit zusammen, dass wir auf pedantische Art und Weise präzise waren - wie Klaus Fiehe bereits ein Mal in einem Stück über die Single 'Seventeen' ganz richtig festgestellt hat - und dass wirklich die kleinsten Schläge genau überlegt sind. Wir beide haben uns da schon ordentlich ins Zeug gelegt - aber nicht auf eine verkrampfte Weise." "Ja - das ist ja immer das Ding", meint Julian, "wir wollen alles schon sehr präzise haben - aber man sucht dabei immer das 'Perfekte Unperfekte'." "Ja - du kannst ja alles handwerklich perfekt machen - aber am Ende zählt halt das Gefühl", gibt Suzan zu bedenken, "und das ist auch das allerwichtigste an einem Song."
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Noch eine Sache: Es gibt eine Connection zwischen Suzan Köcher's Suprafon und dem kanadischen Songwriter Jerry Leger. Wie kam diese denn zustande? "Jerry hat 2017 seine erste Deutschland-Show in unserem geliebten Solingen gespielt", berichtet Suzan, "und wir waren komplett baff, so einen Sänger mit seiner Band und unserem kleinen Heimatort zu sehen. Wir sind dann ins Plaudern gekommen und uns ausgetauscht. Seitdem ist er immer wieder mal hier und übernachtet dann auch bei uns. Da sind wir irgendwann auch enger geworden." "Wir waren dann auch mal mit den Backberries auf der Canadian Music Week", ergänzt Julian, "und dann ist da ein Austausch entstanden, so dass wir auch die kommende Jerry Leger-Platte mit ihm aufgenommen haben - ich habe co-produziert und Gitarre gespielt und Suzan hat alle Harmonien gesungen. Ich hatte auf der letzten Tour dann auch bei ihm Gitarre gespielt. Die Scheibe kommt vermutlich dann im nächsten Jahr raus." Es gibt dann tatsächlich sogar noch mehr Projekte, an denen Julian und Suzan arbeiten und die in der Zukunft noch das Licht der Welt erblicken werden - sofern es Zeit und Muße gibt, diese zu Ende zu führen. Bis dahin sind Suzan Köcher's Supfrafon aber erst einmal mit dem Album "In These Dying Times" auf Tour.
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Weitere Infos:
suzankoecher.com
www.facebook.com/suzankoecher www.instagram.com/suzankoecher www.youtube.com/c/SuzanKöcher/videos
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Interview: -Ullrich Maurer- Foto: -Suzan Köcher's Suprafon-
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Aktueller Tonträger: In These Dying Times (Unique/Schubert/Rough Trade)
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