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NIKKA COSTA
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There's A Time For Every Star To Shine
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Nikka Costa's Karriere verlief bisher eher ungewöhnlich, ja bizarr: Geboren wurde sie in Tokio als Tochter des Produzenten Don Costa. Dieser ist zuständig für eine Menge Frank Sinatra Produktionen - so ist es denn nicht weiter verwunderlich, daß Sinatra Nikka's Patenonkel wurde. Nikka wurde die Musik quasi in die Wiege gelegt: Ihre erste Scheibe (mit Musical-Tunes und Standards - die allerdings in den USA nie erschien) nahm sie im Alter von neun Jahren auf. Da war sie allerdings bereits lange im Geschäft: Auf der aktuellen CD "Everybody Got Their Something" ist eine Passage zu finden, wo sie als 4jährige (!) einen Blues (!!) trällert.
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Als ihr Vater während der Arbeiten zur zweiten Scheibe (mit 10) verstirbt, kommt die Karriere ins stocken. Nikka überlegt sich dann irgendwann, daß das alles so nicht weitergehen kann, nimmt eine Auszeit, zu deren Ende sie eine obskure Rock-Scheibe für ein deutsches Label aufnimmt. Nach einem vergleichsweise normalen Abschnitt inkl. Schulausbildung heiratet sie irgendwann, zieht nach Australien, veröffentlicht dort eine CD, mit der sie vergleichsweise große Erfolge feiert und legt jetzt, Mitte 20 und nach vier inoffiziellen Anläufen, ihr "ordentliches" Debüt vor. Wer soviel Vorarbeit geleistet hat, darf eine gewisses Selbstverständnis an den Tag legen. Nikka Costa - ca. 1,65 groß, rothaarig, trotz Erkältung nett zurechtgeschminkt - läßt keinen Zweifel daran, daß sie genau weiß, was sie will, kann, darf, soll und wie sie z.B. auf Leute wirkt. Trotzdem kommt sie eher unbefangen und auf die unplumpe, freundliche Art rüber, die eher schöne Personen meistens draufhaben. Von Überheblichkeit keine Spur. Sympathisch auch, daß sie bei "anspruchsvolleren" Fragen wie wild an ihrem Daumengroßen Halbedelstein-Ring herumspielt.
Beginnen wir mal mit was Anspruchslosem: Wie war das denn mit der neuen CD? "Musikalisch hat das mit meinen alten Scheiben nichts zu tun", meint Nikka hierzu, "da war ich ja eine vollkommen andere Person. 'Everybody' ist am ehesten so was wie die große Schwester von meiner australischen Scheibe, die auch bereits Ansätze in der Richtung von 'Everybody' bot." Musikalisch bewegt sich Nikka zum Glück nicht in der Erwachensenen-Musik-Sinatra-Nische, sondern eher im Bereich Rhythm'n'Blues. "Ich liebe schwarze Musik, ich liebe Funk, ich liebe Soul", beschreibt Nikka die Zusammensetzung. Obwohl sich die Scheibe genretechnisch nach allen Seiten offenhält: Neben o.a. Stilen gibt es Rock, Blues, Pop und vor allen Dingen Funk. Es muß eine tierische Frickelei gewesen sein, dieses Album zusammenzustellen. "Wir wollten eine Verbindung zwischen organischen, altmodischen und modernen Sounds herstellen. Das hat eine Menge Arbeit erfordert - Re-Writes, verschiedene Versionen etc. Zuletzt haben wir es alles in Pro-Tools gepackt und dort fertiggestellt", beschreibt Nikka den Prozeß. Was so einiges erklärt. Das Album klingt weniger steril als - sagen wir mal - die Alanis-Morissette-Elaborate - einfach deswegen, weil es ungezwungener daherkommt. Fast alle Instrumente wurden z.B. von versierten Musikanten live eingespielt (darunter solche Koryphäen wie Pino Palladino am Baß oder Billy Preston am Clavinet). Daneben bietet es aber doch jede Menge Schnickschnack, der sich besonders durch vielschichtige, z.T. extrem experimentierfreudige Vocals (z.T. verzerrt oder ziemlich extrem abgemischt), jede Menge Details und besonders exzellente Schnittechnik auszeichnet. Wie hat man denn da ein Ende der Bastelei finden können? "Du hast offensichtlich schon mal mit Pro-Tools gearbeitet", grinst Nikka, "da muß man mit dem Gefühl gehen. Du kannst zwar Außenstehende fragen, dann wirst Du aber nie fertig - weil es so viele verschiedene Meinungen gibt. Im Grunde gilt: Weniger ist mehr." Und wie kam die Sache mit den verzerrten Vocals zustande? Der Opener, "Like A Feather" (auch die aktuelle Single) z.B. ist eine knochentrockene Funk-Nummer mit Telefon-Vocals. Ist so was nicht wagemutig? "Mag sein", gesteht Nikka ein, "aber andererseits läßt dich das doch auch hinhören und macht das Stück interessanter, nicht?" Das ja, es ist halt nur erstaunlich, daß jemand mit Nikka's Stimme und Reputation so an den Rand des Möglichen geht.
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Es scheint sogar, daß diese Scheibe nicht - wie R'n'B Scheiben heutzutage eigentlich grundsätzlich - um die Stimme herum aufgebaut ist, sondern um den Song. "So habe ich mir das noch gar nicht überlegt", meint Nikka, "wir haben eigentlich sehr viel mehr Wert darauf gelegt, einen Fluß, einen Rhythmus in die Scheibe zu bringen - deswegen gibt es auch zwei kleine Songfragmente, die die verschiedenen Teile miteinander verbinden. Was mir jedoch wichtig war, ist - verzerrte Stimmen hin oder her - daß man trotz allem erkennen kann, daß diese Person da singen kann. Außerdem drucken wir die Texte auf dem Booklet ab." Und diese haben es in sich. Nikka kommt mit allerlei interessanten Aphorismen zu Tage und hat durchaus auch was zu sagen. "Ja, die Texte sind mir schon sehr wichtig", gibt sie zu, "ich stelle mich zwar nicht auf die Kanzel um zu predigen, möchte aber schon etwas mitteilen. Die Kunst dabei ist, vage genug zu bleiben, damit der Hörer auch noch etwas hereininterpretieren kann, und trotzdem eine Botschaft 'rüberzubringen." Eine Sache, die Nikka ganz gut gelingt. Wie gesagt: Es kommen ganz nette Bilder vor. Z.B. in "Tug Of War". Da geht es um ein Tauziehen zwischen Seele und Herz. Ist das nicht ein bißchen seltsam - gemeinhin ziehen ja verschiedene Partien am Seil. "Wieso seltsam?", kontert Nikka, "ist Dir das denn noch nie passiert? Und im Übrigen: In meinem Falle sind Seele und Herz definitiv verschiedene Persönlichkeiten." Und was hat es mit der Feder in "Like A Feather" zu tun? "Das kommt aus der östlichen Mythologie. Ja, auch ich hatte meine Yoga Klassen", gesteht Nikka, "es geht darum, daß eine Feder herumgewirbelt wird. Wenn man sie aber in Ruhe läßt, fällt sie ganz sanft nach unten. Das bedeutet in etwa, daß - egal ob man mit etwas hadert - z.B. damit das Flugzeug verpaßt zu haben oder so was - es trotzdem passiert. Also kann man sich - wie eine Feder - damit abfinden, und der Sache vielleicht auch noch etwas Positives abgewinnen." Ist das nicht eher Theorie? "Versuch es einfach mal", schmunzelt Nikka, "jeder ist seines Glückes Schmied. Das ist der erste Schritt dazu." In dem Zusammenhang: Was hat denn die Rede Jesse Jacksons im Hintergrund "Corner's Of My Mind" zu bedeuten? "Die stammt aus der Zeit mit Martin Luther King", erläutert Nikka, "Jesse redet da von Musik. Das paßte ganz gut zur Stimmung des Songs. Ich finde, daß eine Rede immer irgend etwas hoffnungsvolles, etwas kämpferisches, etwas positives ausdrückt. Das ist auch mein Leitmotiv: Nie aufzugeben, weiterzumachen, nach vorne zu kommen."
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Musikalisch passiert auf "Everybody" recht viel. Um das live alles umzusetzen, ist Aufwand nötig: Die Band besteht z.B. aus sieben Personen + Nikka - und kein Instrument (darunter Trompete, Saxophon, Turntable, bis zu drei Gitarren und Sampler) bleibt ungenutzt. Die Nikka Costa Live-Performance setzt - im Gegensatz zur CD - voll auf Power, die mit faszinierender Punktgenauigkeit - inkl. Improvisationen - an den Mann gebracht wurde. Ein zufällig anwesender Musiktheoretiker brachte es auf den Nenner: "Klingt ja wie Mother's Finest". Das kann man nachvollziehen, wird der Sache alleine aber auch wieder nicht gerecht. Denn Nikka bietet außer der Power auch ordentliche Songs - auch wenn das im Energie-Dauerfeuer ein wenig zu kurz kommt. Immerhin: Bei einigen Balladen greift Nikka zur akustischen Gitarre, was zu Inseln der Ruhe im ansonsten eher Fun(k)-betonten Ambiente gerät. Nikka's Performance ist dabei bereits voll auf den amerikanischen Markt ausgerichtet. Durch Mundpropaganda gelang es ihr, bereits vor der Veröffentlichung der Scheibe interessante Live-Slots zu landen (z.B. beim Sundance Festival). So gehören - neben dem unbestreitbaren musikalischen Können - vor allen Dingen große Posen und Gesten zum Beiwerk der Live Show. Nikka's Show ist eher für Stadien als für kleine Clubs gemacht. Und bei der Zugabe schließlich zeigte Nikka mit einer A Capella vorgetragenen Jazz Ballade eine weitere Seite ihres Talentes. "Ich will auf jeden Fall mal eine Jazz-Scheibe aufnehmen", erklärt sie das. Zum Schluß noch die Standardfrage, was denn am Musizieren am meisten Spaß bzw. Mühsal macht: "Am meisten Spaß macht es, wenn die Scheibe fertig ist, und Du sie Dir zum ersten mal mit Freunden anhörst. Das ist wie eine Geburt - diesen Moment kann man nicht wiederholen. Und was am schwierigsten ist, ist Ideen zu einem Song zusammenzufügen und diese dazu passend zu machen." Mal schauen, was draus wird, kann durchaus sein, daß Nikka Costa das nächste große Ding darstellt.
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Weitere Infos:
www.nikkacosta.com
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Interview: -Ullrich Maurer- Fotos: -Ullrich Maurer-
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Aktueller Tonträger: Everybody Got Their Something (Virgin)
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