? Daniel, vermutlich bist du in den letzten Wochen oft Ähnliches gefragt worden (aber daran ist nicht ganz unschuldig, wer ein derart komplexes, vor autobiographischen Referenzen starrendes Konzeptalbum abliefert): Wie waren im wesentlichen die Reaktionen auf die schon fast schockierend offene Geschichte hinter "Remedy Lane", also die Fehlgeburt, die deine Frau erlitten hat und eure sich anschliessende Krise und Trennung?
! Generell war das Feedback überwältigend positiv. Natürlich war der eine oder andere Hörer schockiert oder pikiert, weil er diese Themen in "Rockmusik" nicht erwartet. Aber den typischen "hey baby, are you hot tonite"-Hörer sprechen wir wahrscheinlich eh weniger an (lacht). Was mich überrascht hat und was mir sehr viel bedeutet hat, sind die buchstäblich Tausende von erleichterten, begeisterten Kommentare auf unserer und auf der Webpage von Dream Theater. Viele Menschen, die ähnliches erlebt haben, wie wir, fühlten sich nach eigener Aussage wie von einem Bann befreit. Sie hatten wie von einem Tabu gelähmt einfach nie darüber sprechen können - und nun bilden sich auf diesen Internetseiten Diskussionsforen von vielen Menschen mit vergleichbaren Erfahrungen. Das gibt übrigens auch einen wichtigen Teil unserer Erfahrung wieder: Als diese Fehlgeburt passierte, fielen meine Frau und ich in ein schreckliches Loch der Stille. Wir konnten mit unserer Umwelt und miteinander nicht darüber sprechen.
? Und wie sieht diese andere noch lebende beteiligte Person deinen Entschluss, nun recht schonungslose Offenheit und Öffentlichkeit herzustellen?
! Wir haben tatsächlich vor der Veröffentlichung des Albums darüber diskutiert und gestritten, aber ich glaube, inzwischen sieht sie es ähnlich wie ich: Was es für andere gebracht hat, mit diesem Schmerz nach draussen zu gehen, war die Veröffentlichung wert. Außerdem ist diese Geschichte ja nicht buchstabengetreu autobiographisch, sondern wie meist in Literatur und Musik ein Beispiel. Aber ich habe zugegebenermaßen schon versucht, dieses Beispiel so intensiv und ehrlich wie möglich zu geben. Tatsächlich muß man sagen, daß sogar die Reaktion der Band VOR der Veröffentlichung war "Daniel, willst du das wirklich tun?" Aber inzwischen sind wir wie gesagt alle ziemlich glücklich mit den Reaktionen. Grundsätzlich fühle ich ohnehin mich wohler mit dem Ansatz, die doch ohnehin unausweichliche Vergangenheit anzugehen und zu thematisieren. Aber wie man mit dem Vergangenen umgeht, hat wohl stark damit zu tun, was für eine Beziehung man zu sich selbst hat.
? Was hast du denn für eine Beziehungskiste mit Dir selbst?
! (brummt überrascht) Das wechselt stark, ist ehrlich gesagt auch "work in progress". Aber ich habe schon den Eindruck, im wesentlichen auf einem guten Weg zu sein.
? Ich hab euch leider auf dem letztjährigen ProgPower Festival in den Niederlanden verpaßt. Wie war dein Eindruck von diesem, vom Austragungsort eher kleinen, vom Line up aber gigantischen Event?
! Der Haupteindruck, den ich davongetragen habe, ist leider, wie beschissen es mir ging. Wir sind aus den Aufnahmen zu "Remedy Lane" heraus und völlig überarbeitet mit dem Auto aus Schweden angefahren, ich wurde krank und bin vor Ort praktisch zusammengeklappt. Auf der Bühne dachte ich mal, das war es jetzt, gleich geht nichts mehr - und ich hab' danach drei Tage lang kotzend in der Ecke gelegen. Davon einmal abgesehen finde ich, daß es ein großartiges Festival ist, gemacht von phantastischen Leuten. Mit zweimaliger Teilnahme in Europa und einmal in den USA sind wir ja sozusagen ProgPower-Veteranen! (kichert)
? Und wie hast du die reine Publikumsmenge so im Vergleich zur Dream Theater-Tour erlebt?
! Weißt du, nach meiner Erfahrung wird es tatsächlich immer schwerer, einen Funken überspringen zu lassen, je größer die Konzerthallen sind. Und für die Menschen auf der Bühne sieht ab ca. 2.000 Menschen ohnehin jeder Austragungsort leider fast gleich aus.
? Wessen Idee war es bei der Transatlantic-Tour, daß der Sideman Daniel Gildenlöw am hintersten Bühnenrand, fast außerhalb der Reichweite der Scheinwerfer stand?
! Das wollte die Band so, war aber für mich auch okay. Ich habe halt meinen Job gemacht. Daß ich diesen Job hatte, hab' ich letztes Jahr übrigens per Anruf durch den Bassisten der Flower Kings erfahren [Band von Ober-Atlantiktranse Roine Stolt].
? Transatlantic sind ja so etwas wie eine "Supergroup" des Progressive Rock. Spiel bitte mal ein Gedankenspiel - wenn du eine solche Supergroup mit deinen Heroes zusammenstellen dürftest, wen würdest Du holen?