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TRICKY
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Wieder berappelt!
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"Vulnerable" heißt das neue Tricky-Album, aber es ist mehr als nur das nächste musikalische Werk des kleinen inzwischen in Los Angeles heimisch gewordenen Engländers. Deshalb gehört zu dem 11-Song-Album auch noch eine DVD mit Videoclips, Konzertaufnahmen und einer Dokumentation, die unterstreichen soll: Tricky ist nicht nur Musiker, sondern Künstler. "Zu viele Künstler denken, es gehe nur um die Musik, aber wenn man das glaubt, hat man eine Karriere, die keine zwölf Monate dauert", sinniert Tricky beim Gespräch mit Gaesteliste.de im edlen Ambiente des Kölner Hotels im Wasserturm. "Manche denken, Erfolg bedeutet, in den Charts zu sein, aber das ist falsch. Wirkliche Macht ist es, wenn du wie Kate Bush sieben Jahre lang keine neue Platte machst, aber wenn dann endlich eine neue erscheint, Leute wie ich sie trotzdem sofort kaufen."
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Etwas Ähnliches würde der kleine Brite mit dem Hang zur Exzentrik natürlich auch gerne für sich beanspruchen können. Mit "Vulnerable" kommt er der Sache wieder ein Stückchen näher. Die Beats und Grooves sind anspruchsvoll, aber nicht kompliziert, die Melodien eingängig, aber nicht abgegriffen, die Stimmung ist positiv, aber nicht überschwänglich. Ob es daran liegt, dass er am gleichen Tag Geburtstag hat wie Wolfgang Amadeus Mozart, oder an seiner Einsicht, dass es Sinn macht, sich den heutigen MTVIVA-Trends wieder etwas mehr anzunähern, weil es auf lange Sicht nichts bringt, gegen eine Mauer (sprich: den Sound, den offensichtlich Millionen von Menschen hören wollen) anzurennen? Fest steht jedenfalls, dass die Mischung aus Kunst und Kommerz, die Tricky für dieses Album gefunden hat, besser funktioniert als alles, was er seit seinem einflussreichen Debüt "Maxinquaye" aus dem Jahre 1995 versucht hat. Passend dazu präsentiert er sich auch bei seinen Interviews inzwischen erstaunlich aufgeräumt. Tricky, heute 35 Jahre alt, ist erwachsen geworden und hat nicht nur musikalisch viel gelernt. "Irgendwann zu 'Maxinquaye'-Zeiten saß ich im Auto auf dem Weg zum Heathrow Airport, und es regnete ein wenig. Auf der Überholspur fuhr ein Typ auf einem Motorrad direkt neben mir, unter hinter ihm stand eine Werbetafel mit dem größten Poster meines Gesichts, das ich je gesehen habe. Der Typ schaute mich an, dann schaute er zum Poster herüber, aber er konnte nicht eins und eins zusammenzählen! Da wurde mir bewusst: Das alles ist nicht real! Zwischen Öffentlichkeit und Privatleben gibt es eine klare Trennung, und das war gerade ein Paradebeispiel dafür!"
Trickys positive Sicht der Dinge ist auch auf dem neuen Album spür- bzw. hörbar. Die Single "Anti-Matter" verdient die Bezeichnung Popsong eher als alles andere, was Tricky bisher gemacht hat, und auch die Tatsache, dass er ausgerechnet die vielleicht fröhlichste The-Cure-Nummer ("Love Cats") covert, spricht Bände. "Na ja, im Vergleich zum Original ist meine Version ja geradezu düster", schränkt Tricky ein. "Trotzdem bleibt es natürlich ein wirklich hübscher Song. Aus dem Text spricht die wahre Liebe! Versteh mich nicht falsch, die Musik zu dem Song ist brillant, und The Cure sind einfach die perfekte Band, aber mir geht es immer zuerst um den Text eines Stücks. Zeilen wie 'We can have each for dinner / we can have each other for tea' oder 'We're so wonderfully wonderfully wonderfully wonderfully pretty / Oh you know that I'd do anything for you' - das pustet mich wirklich weg!", erzählt uns Tricky mit echter Begeisterung in der Stimme. "Und genau das war der Grund, warum ich den Song covern wollte!"
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Glücklicherweise hat Tricky - der dieses Mal sogar seine Pressefotos selbst geknipst hat! - inzwischen mit dem Epitaph-Sublabel Anti eine Plattenfirma gefunden, das mit ihm in dieser Hinsicht auf einer Wellenlänge liegt. Aber selbst der Umgang mit den Vertretern von Plattenfirmen, die ganz andere Vorstellungen haben als er, bereiten Tricky heute bisweilen Freude. "Ich hatte letztes Jahr einige Treffen mit Labelvertreten, die bis auf eines alle grausam waren", erinnert er sich. "Die Ausnahme war dieses seltsame Meeting mit einem Typen von Sony Music. Das war einer der ehrlichsten Menschen, die ich je getroffen habe. Wir saßen zusammen unter einem J-Lo-Poster, und er schaute mich an und sagte: 'Tricky, um ehrlich zu sein - ich habe von deiner Musik keinen Schimmer! Aber du siehst klasse aus, du siehst aus wie ein Rockstar, du siehst aus wie jemand, mit dem ich gerne zusammen abhängen würde! Ich würde dich gerne unter Vertrag nehmen, lass uns mal schauen, ob sich unsere Vorstellungen decken!' Natürlich taten sie das nicht, denn ich verkaufe nicht so viele Platten wie J-Lo und könnte demnach nicht ähnlich viel Geld für Sony scheffeln, aber das Gespräch war dennoch unglaublich erfrischend!"
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Weitere Infos:
www.trickyonline.com
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Interview: -Carsten Wohlfeld- Foto: -Tricky-
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Aktueller Tonträger: Vulnerable (Anti/SPV)
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