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PROPAGANDHI
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Älter, hässlicher, besser.
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Jüngst ist ihr neues Album "Potemkin City Limits" erschienen und Propagandhi haben eindrucksvoll bewiesen, dass mit ihnen auch nach fast fünfjähriger Schaffenspause weiterhin zu rechnen ist. Und das, obwohl sie einen neuen Sänger haben. Denn für Chris Hannah steht nun ein gewisser Glen Lambert mit der Gitarre in der Hand am Mikro.
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Stop, natürlich nicht. Glen ist schließlich Chris und Chris ist Glen. Das hört man deutlich, warum also der Gag? Gaesteliste.de fragte bei Glen / Scott nach und der tat überrascht: "Welche Witze? Was meinst du? Ich bin Glen." Gut, wir haben gelacht, seine Mitstreiter haben im Gespräch mit den Kollegen vom Waste Of Mind verraten: "Stimmt, wir haben uns die Geschichte nur ausgedacht. Chris hatte einfach absolut keinen Bock mehr auf dieses ganze Promotion-Zeug, das zum Veröffentlichen einer Platte dazu gehört. Deshalb hat er einfach so getan, als ob er nicht mehr dabei ist und sich den Namen Glen Lambert gegeben." Nun, nennen wir ihm also bei seinem richtigen Namen und sagen Chris. Hallo Chris, was ist in den letzten Jahren passiert? "Ich bin älter und hässlicher geworden", lautet seine Antwort. "So hässlich wird man nicht in zwei Jahren, das braucht seine Zeit. Wir mussten also warten, bis wir hässlich genug geworden sind und das dauerte vier Jahre." Was für ein Scherzkeks und danke für die Auskunft. Das Interview wurde per eMail geführt, Nachhaken und Zwischenfragen sind so leider nicht möglich. Wir bitten dieses zu berücksichtigen. Aber wie seine Kollegen schon sagten: Chris hat keine Lust auf Promotion. Und darum schreibt er auf die Frage, ob man nach so langer Zeit eigentlich Angst hat, dass die Fans einen vergessen: "Ich habe keine Angst, aber es ist schon möglich. Vielleicht ist es sogar wahrscheinlich."
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Die neue Platte ist trotzdem gut. Sie klingt eindeutig nach Propagandhi, nur gehen es die Kanadier auf "Potemkin City Limits" eine Nummer rockiger an und verzichten fast vollständig auf ihre Hardcore-Böller, die sie in der Vergangenheit so häufig und gerne gezündet haben. Für Chris ist diese kleine Wandlung ein natürlicher Prozess: "Es ist lediglich die Fortsetzung von dem, was wir zuvor gemacht haben. Wir hatten auch keinen Masterplan oder ähnliches, schließlich schreiben wir unsere Songs nicht nach einem ausgeklüngelten Plan, sondern lassen sie einfach entstehen. Wenn wir dann genügend haben, schmeißen wir sie zusammen auf ein Album." Weit mehr Gedanken haben sich Polit-Punker über den Titel des Albums gemacht und siehe da, Scott wird informativer: "Im Englischen bezeichnet der Ausdruck 'Potemkin Village' etwas, das eigentlich eine Fasade ist. Er basiert auf der Geschichte von Grigori Potemkin und seinem Bestreben, Kaiserin Katherina II. zu imponieren, indem er entlang der Wolga an den Stellen falsche Städte aufbaute, wo die Kaiserin vorbei kam. Und 'Potemkin City Limits' soll nun andeuten, dass wir vielleicht an einem Punkt in der Geschichte angelangt sind, an dem Irreführungen und Täuschungen ihren absoluten und kranken Höhepunkt erreicht haben. Wie es aussieht, sind wir in der Endphase der Menschlichkeit angelangt, verhalten uns aber trotzdem nicht anders und denken, alles wäre okay."
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Natürlich singen Propagandhi nicht über Liebe, Sex oder Alkohol, sie singen über Themen, die sie interessieren. Politik, Rassismus, Sexismus. Doch während Anti-Flag, eine ähnlich radikale Band mit ähnlichen Idealen, den Texten eine weitaus höhere Bedeutung im Vergleich zur Musik einräumen, sieht Chris das etwas anders: "Ich weiß nicht genau, was mir wichtiger ist, aber ich denke schon, dass es die Musik ist. Politische Texte machen aus Musik schließlich nicht gleich politische Kunst. Politische Kunst ist eine sehr subjektive Geschichte und auch wenn es sicher Beispiele für Gegenteiliges gibt, ist sie nicht zwingend nur durch offensichtlich politische Texte oder Bilder erkennbar." Das wird auch Grund sein, warum die Kanadier auch nicht öffentlich anpragern oder predigen, sondern ihre Message meist zwischen den Zeilen verstecken. Und doch hoffen sie auf Wirkung. "Ich kann nur für mich sprechen und ich bin mir auch nicht sicher, in wie weit Musik die Dinge ändern kann, aber für mich war sie als Kind eine der wenigen Möglichkeiten Sachen zu erfahren. In der Schule, zu der ich ging, das Fernsehprogramm, das ich sah und in der Gesellschaft, in der ich aufwuchs, zeigten mir nicht die verschiedenen Möglichkeiten, wie man die Welt sehen kann. Und vielleicht geht es anderen ja ganz ähnlich." Die letzte Frage beantwortete Scott dann zwar wieder äußerst knapp, aber ebenso erfreulich. Wann werdet ihr nach Deutschland auf Tour kommen? "Irgendwann nächstes Jahr. Sicher." Mehr wollten wir nicht hören.
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Weitere Infos:
www.g7welcomingcommittee.com/propagandhi
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Interview: -Mathias Frank- Fotos: -John Schledewitz-
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Aktueller Tonträger: Potemkin City Limits (Fat Wreck Chords/SPV)
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