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THE POSIES
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Nach der Tour ist vor der Tour
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"Nach dem Spiel ist vor dem Spiel" lautet eine alte Fußballerweisheit. Für The Posies könnte man in abgewandelter Form sagen: "Nach der Tour ist vor der Tour", denn nach einem Kurzabstecher in unsere Gefilde im August, einer Hand voll Supportshows für Teenage Fanclub im Oktober und einer europaweiten Gastspielreise, die erst wenige Tage vor Weihnachten in Zürich zu Ende ging, stehen The Posies im Januar schon wieder auf der Matte und spielen - präsentiert von Gaesteliste.de - gleich acht weitere Konzerte in Deutschland in Schorndorf, Regensburg, Saarbrücken, Frankfurt, Köln, Berlin, Hamburg, und natürlich Münster, bei denen wir wieder die volle Rockpower erwarten dürfen: Durch die Luft gewirbelte Gitarren, Hechtsprünge, von der Gitarre gerupfte Saiten und Abstecher ins Publikum, wenn die Band einige Nummern umringt von den Zuschauern spielt. Und natürlich grandiose Songs, von "Suddenly Mary" über "Dream All Day" und "Solar Sister" bis hin zu "You're The Beautiful One" und "Conversations" aus dem feinen aktuellen Album "Every Kind Of Light".
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Dabei war im September 1998 eigentlich alles zu Ende. Das letzte gemeinsame Album, in Anlehnung an das genau zehn Jahre zuvor entstandene Debüt "Failure" ironischerweise "Success" betitelt, war veröffentlicht, die Farewell-Tournee absolviert, neue Ziele als Solisten klar abgesteckt. Doch ziemlich schnell wurde den beiden Protagonisten des Quartetts aus Seattle, Jon Auer und Ken Stringfellow, klar, dass ihre Band mehr war als nur die Summe der einzelnen Teile. Gerade einmal 18 Monate dauerte die Trennung, und schon im Februar 2000 in der Showbox zu Seattle gab's die Reunion - wenngleich zunächst nur als Duo und in akustischer Form. In der zweiten Jahreshälfte 2000 kam es sogar zu einer Welttournee zu zweit, bei der viel Alkohol konsumiert und viele Posies-Lieder gespielt wurden. "Ja, bei dem Konzert in der Showbox wurde das Konzept geboren - nicht, dass es ein neues wäre", erinnert sich Jon Auer beim Treffen mit Gaesteliste.de. "An dem Abend brachte uns unser Freund Sean Haskins eine Flasche Tequila auf die Bühne, und das ebnete den Weg für die Acoustic-Posies-Tour." Und Ken Stringfellow ergänzt: "War es nicht sogar sein Geburtstag? Die Feierlaune unseres Promoters hat sich also praktisch einfach auf uns übertragen. Auf der Tour haben wir dann jeden einzelnen Posies-Song gespielt und sogar ein paar neue geschrieben!" Dabei kam es auch zu einigen richtigen Marathonkonzerten. In Stockholm standen bzw. saßen die beiden für dreieinhalb Stunden auf der Bühne, was "Bruce Springsteen zur Ehre gereicht hätte", wie Stringfellow lachend meint.
Anfang 2001 erschien dann die EP "Nice Cheekbones And A Ph.D.", mit fünf neuen Songs, die zu zweit an einem Off-Day der Europatournee in Barcelona aufgenommen worden waren. Pünktlich zur Veröffentlichung gab es dann die erste Posies Band-Tournee seit zweieinhalb Jahren. Rund zehn Shows in Spanien, mit dem alten Bassisten Joe Bass und dem neuen Schlagzeuger Darius Minwalla, der zuvor auf Jons Solosachen gespielt hatte. "Auf der Tour stellte sich dann heraus, dass wir in Zukunft nicht mehr mit Joe Bass zusammenarbeiten wollen würden", erinnert sich Auer, und Stringfellow ergänzt: "Abgesehen von den Leeds- und Reading-Festivals im Sommer 2001. Matt [Harris] war damals schon in der Band, wir hatten eine US-Tour mit ihm gespielt und auch Benicassim. Aber Matt stand für Reading und Leeds nicht zur Verfügung, also mussten wir Joe Bass reaktivieren, obwohl wir ihm zuvor gesagt hatten, dass wir seine gottverdammte Fresse nie mehr sehen wollten [lacht]. Er spielte diese beiden letzten Konzerte mit uns und hat uns dafür ganz schön bluten lassen - und das nicht nur finanziell."
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Kurz nach Darius Minwalla stieß also Matt Harris als Bassist zur Band, und das lief nicht ganz problemlos ab. "Ich denke, anfangs war es eine ziemliche Herausforderung für Darius, bei den Posies einzusteigen und gleich für die erste Tour 40 Songs zu lernen", sagt Auer. "Ich glaube, er hatte seine Hausaufgaben bis ein, zwei Tage vor der Tour nicht richtig gemacht. Und Matt war so mit Oranger beschäftigt, dass er anfangs auch nicht immer alle Songs kannte, die wir spielen wollten." - "Ich kannte die Musik der Band zuvor überhaupt nicht", gibt Minwalla zu bedenken. "Ich denke, für mich war es einfach eine große Sache, mit einer so respektierten Band überhaupt auf Tournee gehen zu dürfen - und dann auch noch in Spanien! Mir war das gar nicht so richtig bewusst, bis wir nach dem Soundcheck zur ersten Show in Sevilla zum Essen gingen und sich, als wir zurückkehrten, eine Schlange von ungefähr vier Blocks gebildet hatte. Da bekam ich es schon ein wenig mit der Angst zu tun. Was die Perspektive angeht: Abgesehen von ein paar Problemen mit Joe Bass hatte ich schon das Gefühl, dass es weitergehen würde. Jon und Ken schienen viel Spaß zu haben, wieder gemeinsam zu spielen, und ich denke, auch mit mir zusammen. Und das, obwohl einige der Shows nicht ganz optimal gelaufen waren, aber sie hatten mir ja auch 40 Songs in zwei, drei Wochen zu lernen gegeben, und es gab nur zwei Proben." Und auch Harris wurde ziemlich ins kalte Wasser geworfen. "Nachdem ich gefragt worden war, ob ich die Tournee im Juli 2001 mit ihnen spielen wollte, sollte ich für eine Probe nach Seattle kommen, um Jon und D. kennen zu lernen", erinnert er sich. "Mit Ken hatte ich zuvor auch nur einmal kurz gesprochen - und da war er betrunken bei einem Spiel der Mariners [lacht]. Dass ich zur Band stoßen würde, hatte in erster Linie Barbara [Mitchell, die damalige The Posies-Managerin] arrangiert. Die Probe musste ich dann absagen, weil Oranger einige Shows mit Guided By Voices spielen sollten, aber ich versprach ihnen, dass ich die 35 Songs alle lernen würde. Also verbrachte ich die ganze Zeit auf der GBV-Tour damit, die Posies-CDs zu hören und all die Songs zu verinnerlichen. Dann gab es eine einzige Probe - und wir gingen auf Tour! Das erklärt vermutlich, warum es nicht ganz so gut war, wie es hätte sein können. Ich kannte die Band vorher auch nicht, nur 'Dream All Day' hatte ich wohl mal gehört und 'Suddenly Mary'."
Ohne große gemeinsame Probenmöglichkeiten blieb Minwalla und Harris nichts anderes übrig, als sich intensiv mit den alten Platten zu beschäftigen und so ihre Parts zu lernen. "Ich hab die Kopfhörer aufgesetzt und einfach zu den Platten gespielt", sagt Minwalla. "Ich hatte das Gefühl, dass alles gut läuft, und nur bei einer Hand voll Songs hatte ich einige Probleme, aber als wir uns dann zur Probe trafen, fühlte ich mich ziemlich verloren. Zu den Platten mitzuspielen ist eine Sache, schließlich hörst du ja das Schlagzeug von den Aufnahmen, und manchmal hörst du dich durch die Kopfhörer selbst schlecht und denkst, das bist du. So oder so war ich ziemlich nervös, aber es war eine 'Friss oder stirb'-Situation, denn die Tour würde stattfinden - und zwar mit mir in der Band! Die Tour lief recht gut, bis auf zwei Abende nach ungefähr einer Woche, bei denen ich einen ziemlichen Mist fabriziert und einige Songs ziemlich kaputt gespielt habe. Ich sag mal so: Ich hoffe, dass ich diese Blicke von Ken und Jon nie wieder zu sehen bekommen werde [lacht]!" - "Mein 'Ohr' dafür, Sachen einfach herauszuhören, ist definitiv besser geworden, seitdem ich für die Posies 80 Songs lernen musste", lacht Harris. "Ich habe allerdings auch lange Zeit Musik studiert, Klassik und Jazz, und ich liebe es, mich hinzusetzen und Songs zu sezieren. Das ist halbwegs einfach für mich. Ob auch erfolgreich? Das ist eine andere Geschichte!"
Die Konzerte im Januar sind bestätigt, einige Festivalauftritte im Sommer dürfen wir wohl noch erwarten, vielleicht sogar die Veröffentlichung eines weiteren Livealbums, doch wie sehen die Pläne der Band darüber hinaus aus? "Wir schauen einfach, wie es läuft", sagt Stringfellow. "Das haben wir schon immer so gehalten. Verschiedene Leute - das Management, das Label und wir - haben alle verschiedene Ideen und Konzepte, wie unsere Zukunft aussehen könnte. Ich bin mir sicher, dass wir irgendetwas finden, das... passiert!"
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Weitere Infos:
www.theposies.net
www.jonauer.com www.kenstringfellow.com
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Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -David Belisle-
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Aktueller Tonträger: Every Kind Of Light
(Rykodisc/Rough Trade)
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