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READYMADE & SPORTFREUNDE STILLER
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Ein weinendes und ein tanzendes Auge
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Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit? Nein! Die Idee ist nicht mehr ganz neu, aber immer noch nicht umgesetzt? Schon eher! Kurz vor Weihnachten stehen Readymade und Sportfreunde Stiller zusammen in Münster, Frankfurt und München eben nicht nur auf dem Plakat, sondern auch wirklich gemeinsam auf der Bühne, wenngleich auch nur für einen Song. Denn nur einfach ihren Streifen herunter zu spielen und zusammen hinter der Bühne ein paar Bier zu trinken, war den Jungs aus Wiesbaden respektive München zu wenig. Also werden sie auf der "Ready, Sport - Go!" nicht nur zusammen mit Nightliner unterwegs sein und im Bus ohne Frage die Nacht zum Tage machen, sondern auf der leider bereits so gut wie ausverkauften Mini-Tour auch ihre gemeinsame Single, die Ultravox-Coverversion "Dancing With Tears In My Eyes" vorstellen.
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"Die Idee hatten wir schon länger", erklärte Readymade-Bassist Chris Adelhütte der Gästeliste, als wir die Bands im Düsseldorfer Skyline-Studio bei den Aufnahmen zu besagtem Stück besuchten. "Irgendwann war mal im Gespräch, dass wir den Song zusammen mit Naked Lunch und Miles aufnehmen, aber es stellte sich heraus, dass der Song für den Sänger von Naked Lunch zu hoch war und er ihn einfach nicht singen konnte. Als sich dann die Tournee mit den Sportfreunden ergab, haben wir lange nach einem geeigneten Stück gesucht, das wir zusammen würden spielen können, bis dann irgendwann wieder der Ultravox-Song in die Diskussion gebracht wurde. Allerdings hätten wir nie gedacht, dass die Sportfreunde da mitmachen würden."
So kann man sich irren. Und die Version, die die beiden Bands aufgenommen haben, kann sich wahrlich hören lassen. Gelingt ihnen doch die Gratwanderung, die tollen Pop-Qualitäten des Originals zu erhalten, ohne den eigenen Stil völlig aufzugeben und zu nah am doch recht sterilen 80er-Jahre-Synthi-Sound der Ultravox-Version hängen zu bleiben. Allerdings waren die Bands selbst erst nach dem Mixing vollends davon überzeugt, dass das Experiment gelungen ist. Denn auch wenn sie ihre Bedenken nicht konkret äußerten, die fast schon verzweifelte Suche von Readymade-Drummer Udo Maßhoff nach dem richtigen Snare-Klang ("Jetzt mal Butter bei die Fische, das ist Rock N Roll hier"), bei der er am liebsten gleich den Schlagzeugsound von Placebo oder Led Zeppelin gesampled hätte, und der mehrfach geäußerte Wunsch von Sportfreund Peter Brugger, der Song müsse "trashiger, und weniger nach HIM" klingen, ließ doch vermuten, dass sich die Bands vorher nicht hundertprozentig klar waren, wie das Ergebnis klingen sollte. Und wer will es ihnen verdenken, immerhin haben die meisten Gruppen schon genug damit zu tun, einen eigenen Sound zu finden, geschweige denn einen für zwei zusammen. Klar war nur, dass es kein Cover à la "Billie Jean" (The Bates) werden sollte, also nicht einfach eine 20 bpm schnellere Punkversion eines x-beliebigen Hits, und dieses Etappenziel haben Readymade und die Sportfreunde mit "Dancing With Tears In My Eyes" allemal erreicht.
Ergänzt wird der gemeinsame Song auf dem Tournee-Tonträger übrigens mit zwei weiteren Coverversionen: Die Sportfreunde spielen eine eingedeutschte Version des Readymade-Meisterwerks "It Could Be Nice" ("Wie die Welt sich dreht"), und die wiederum spielen im Gegenzug eine englische Fassung der Sportis-Hymne "Wellenreiten" ("Let's Go Surfing") - übrigens als lupenreinen Surfsong, bei dem man fast das Gefühl hat, Surf-Legende Dick Dale spielt höchstpersönlich die Leadgitarre. "Ich finde die Version klasse und hätte nie gedacht, dass sie [Readymade] so etwas daraus machen würden. Als wir den Song geschrieben haben, hatten wir diese Surf-Variante nie im Kopf", antwortete Peter auf die Frage, ob er sich für die Sportfreunde eine ähnliche Version hätte vorstellen können.
Jetzt müssen Readymade den Song nur noch weltweit veröffentlichen und die Sportfreunde schaffen den Crossover zum nicht-deutschsprachigen Publikum, oder? "Ach ja bitte, veröffentlicht den Song doch in Japan", sagte Peter grinsend an die Adresse der Readymades gerichtet und spielt damit auf die Tatsache an, dass sich die Sportfreunde über ihren tollen Erfolg im abgelaufenen Jahr zwar alles andere als beschweren können und auch nie bereut haben, sich auf deutsche Texte verlegt zu haben, dass sie aber manchmal doch ein wenig neidisch auf Kollegen wie Miles blicken, die in Japan auf Tournee waren und denen auch Supportslots für englischsprachige Superstars eher angeboten werden als einer Band mit deutschen Texten.
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Readymade sind der lebende Beweis dafür, denn 1998/99 tourten sie nicht nur mit Grandaddy und Suede, sondern sogar mit Bryan Adams! "Die Open-Air-Shows mit Bryan waren nicht so toll, aber alleine das Konzert in der Dortmunder Westfalenhalle war es schon wert", erinnerte sich Chris. "Dort sind wir ja früher selbst des öfteren hingefahren, um uns Konzerte anzusehen. Die Halle ist einfach toll und das Publikum ist auch meistens sehr gut. Besonders witzig war, dass Bryan immer alles ganz in weiß gehalten hat und auch selbst fast ein Arztoutfit anhatte. Wir spielten also als Vorgruppe, standen aber auf keinem Plakat, und Udo hat zu der Zeit auch immer einen weißen Anzug getragen. Als er also auf die Bühne rausgegangen ist und mit den Stöcken gewinkt hat, dachten alle, es sei schon Bryan, und sind völlig durchgedreht. Der Irrtum wurde zwar schnell bemerkt und die gute Stimmung ebbte etwas ab, aber es war trotzdem eine tolle Erfahrung. Am gleichen Abend haben wir dann noch eine 'eigene' Show in Krefeld gespielt." Bei der Readymade übrigens - sehr zur Belustigung des Publikums - auf Zuruf die erste Strophe von Bryans "Summer Of 69" zum Besten gegeben haben und auch als Vorgruppe die Düsseldorfer Subterfuge dabeihatten. Und die veröffentlichten nicht nur dieser Tage ihr zeitlos schönes drittes Album "I Do Birds", sondern stellten mit Kai Blankenberg auch gleich noch den Mann am Mischpult für die Aufnahmen von "Dancing...". Die Welt ist ein Dorf und das Musikbiz noch dazu ein sehr kleines.
Und während Kai am finalen Mix des Songs bastelte, versuchten die Musiker im Aufenthaltsraum des Skyline Studios die Zeit totzuschlagen. "Das Mischen ist meistens das Langweiligste am ganzen Aufnahmeprozess. Du sitzt nun mal die meiste Zeit rum, spielst Playstation oder schaust Fernsehen", erklärte Peter, und Sportfreunde-Bassist Rüdiger Linhof ergänzte: "Das ist immer das gleiche Spiel: Du hörst dir den Mix an, machst ein paar Vorschläge, und dann dauert es wieder ewig, bis die nächste Fassung fertig ist. Oder es geht um den Schlagzeugsound und du bist eh nicht richtig beteiligt."
Dass solche Pausen aber mitunter auch ganz amüsant sein können, bewiesen nicht nur die Tatsache, dass Udo und Readymade-Sänger Zac Johnson ganz nebenbei Schalke 04 zur deutschen Meisterschaft führten (wenn auch nicht im richtigen Leben, sondern nur in der Parallelrealität der Playstation-Welt), sondern auch die Einlagen, die Peter auf der Akustikgitarre beisteuerte. Denn neben einer wirklich netten Version des Buffalo-Tom-Klassikers "Taillights Fade" und einer "offenen Probe" für "It Could Be Nice" spielte er zur allgemeinen Belustigung auch noch einen der ersten Stiller-Songs, "Warum?", der so alt ist, dass selbst Rüdiger den Song damals noch als Hörer im Publikum miterlebte. Jedenfalls versicherten uns die beiden glaubhaft, dass der Song ebensowenig ein Kandidat für das geplante zweite Sportfreunde-Album ist wie die folgende freie Improvisation mit dem herzergreifenden Refrain "BSE tut weh"...
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Dass die beiden Bands allen Albernheiten zum Trotz nicht nur zu den cooleren, sondern auch zu den intelligenteren Vertretern der deutschen Poplandschaft gehören, bewiesen sie beim "Gesicht zeigen gegen Gewalt" Anti-Rassismus-Festival am 15.12. in Leipzig. Denn während sich die meisten anderen einheimischen Pop-Größen darauf beschränkten, in der Messehalle ihre aktuelle Hitsingle mit ein paar gut gemeinten, aber inhaltlich oft wenig aussagekräftigen Ansagen zu garnieren, nutzen die Sportfreunde die Gelegenheit, die Aussage ihres oft missverstandenen "Heimatliedes" nicht nur zu erklären, sondern es damit gleich noch in den Dienst der guten Sache zu stellen. Außerdem wählten die Münchner als zweiten Song auch nicht ganz zufällig ihre italienische Nummer "Novanta Quattro". Readymade hatten sich offensichtlich ebenfalls ihre Gedanken gemacht und präsentierten, neben dem immer wieder gerne gehörten "Stromgitarre", die ebenso clevere wie passende Manic-Street-Preachers-Coverversion "If You Tolerate This Then Your Children Will Be Next", die neben der Message aus dem Titel auch noch die Zeile "so if I can shoot rabbits then I can shoot fascists" enthält. Sehr gelungen, das!
Für Readymade hat die Kurztournee neben dem bereits erwähnten Spaßfaktor auch noch eine andere Funktion. Nach zwei Alben für das BMG-Sublabel Tam Tam sind die Hessen derzeit auf der Suche nach einem neuen Zuhause. Zwar haben schon einige Firmen Interesse bekundet, aber Readymade haben keine Eile, einen neuen Vertrag zu unterschreiben. Vor allem auch deshalb, weil sie noch ein neues Vier-Track-Demo in der Hinterhand haben, das schlichtweg sensationell ist und die gesamte Palette von typisch britischer Popmusik, die entfernt an Travis oder Oasis mit Niveau erinnert, über ein staubtrockenes Rockbrett bis hin zu einem Piano-veredelten Siebeneinhalb-Minuten-Epos abdeckt. Und auch das sollte für viel positive Resonanz bei den Labels sorgen. Doch bevor wir uns über das dritte Readymade- bzw. zweite Sportfreunde-Album freuen können, heißt es auf der "Ready, Sport - Go!"-Tour erst einmal: Paaaaaarty! Und frei nach dem Motto "Dancing With Tears In My Eyes" bedeutet das: Es darf getanzt werden und es darf auch geweint werden. Nur vor Freude natürlich!
Ready, Sport - Go!-Tour:
19.12. Münster, Odeon (ausverkauft)
20.12. Frankfurt, Batschkapp
21.12. München, Muffathalle (ausverkauft)
22.12. München, Atomic Café
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Weitere Infos:
www.sportfreunde-stiller.de
www.readymade.de
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Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Carsten Wohlfeld / Blickpunkt Pop-
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Aktueller Tonträger: Dancing With Tears In My Eyes
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