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WILLARD GRANT CONSPIRACY
 
Der Traumfänger
Willard Grant Conspiracy
Für viele dürfte die neue Scheibe der Willard Grant Conspiracy so eine Art erholsamer Schock sein. Jedenfalls für die, die die Band seit längerem nicht mehr live gesehen haben. Denn bereits bei der letzten Tour - eigentlich jener zur eher besinnlichen Vorgängerscheibe "Regard The End" - ließen Robert Fisher und seine Musikanten die Sau raus. Stücke wie der Titeltrack der neuen Scheibe, "Let It Roll" (ein gewaltiges, polterndes Monstrum, das sich zu einem musikalischen Orkan entwickelt und das über neun Minuten lang ist), bildeten seit einiger Zeit das Rückgrat des Live Repertoires. Nun, auf der neuen CD sind solche Epen eher die Regel als die Ausnahme, während Tracks mit gewohnt lyrischen Strukturen - wie z.B. der Opener "From A Distant Shore" oder "Lady Of The Snowline" den versöhnlichen Rahmen bilden. Dennoch ist das neue Album doch so ziemlich das energischste, das die Willard Grant Conspiracy je einspielte.
"Es gab immer Rock-Elemente in unserer Musik", zögert Robert, "das sollte eigentlich niemanden überraschen. der uns und auch unsere Konzerte kennt. Wir sind immer intensiv. Das ist das, wo wir herkommen. Das gilt auch für Freunde von mir, wie z.B. Steve Wynn oder Chris Eckman. Es ist Teil dessen, was wir tun. Es geht um etwas ganz Einfaches dabei: Es macht Spaß, laut zu spielen. Ich erinnere mich daran, dass ich mit Chris Eckmann darüber unterhielt, wie das neue Walkabouts-Album werden solle und er meinte, dass sie einfach einstöpseln und losspielen wollten. Da dachte ich mir: Das ist perfekt, so sollte es sein. Und deshalb heißt die neue CD auch 'Let It Roll' - daher kommt der Titel. Es ging darum, die Live Energie im Studio einzufangen." Das unmittelbare Einfangen des Band-Vortrages war also auch Roberts Anliegen, als er die Scheibe einspielte - übrigens mit den "neuen" ständigen Mitgliedern Gitarrist Jason Victor und dem holländischen Bassisten Eric Van Loo, die beide auch bei der aktuellen Version von Steve Wynns Miracle 3 dabei sind. "Ja, aber ich wollte, dass möglichst viele Leute dazu beitragen - wie z.B. Mary Lorson, David Cronin, Robert Lloyd, Steve Wynn, Linda Pitmon, Chris Eckman und David Michael Curry (der jetzt nicht mehr fest zur WGC gehört). Der Song, der am ehesten eine Live Aufnahme ist, ist 'Ballad Of A Thin Man' von Dylan, das wir ursprünglich für eine Kompilation einspielten." Auf diesem Stück klingt Robert übrigens weit weniger nach Bob Dylan, als dies z.B. bei Live-Auftritten der Fall ist. Ist das ein Zufall oder Absicht? "Ich verstehe die Frage nicht", grummelt Robert, "ich mache immer nur, was mir mein Instinkt vorgibt und ich käme nie auf die Idee, jemanden kopieren zu wollen und ich mache auch niemals Witze mit meiner Musik. Wenn ich nach Bob Dylan geklungen haben sollte - was ich nicht so empfunden habe -, dann hat es an den Umständen gelegen. Was du hier hörst, ist die erste Aufnahme. Seither haben wir dieses Stück sehr oft gespielt und alles, was wir oft spielen verändert sich immer wieder. Das ist ja auch der Grund, warum wir das tun und worum es geht."
Gab es ein bestimmtes Soundkonzept für die neue CD oder entstand der Sound aus den o.a. Umständen? "In gewissem Sinne ja", meint Robert, "aber nur in dem Sinne, dass es galt, das Feeling einer Live Performance beizubehalten." Das bestätigten auch Jason Victor und Eric Van Loo, die sogar davon sprachen, dass die Aufnahmen eine einzige große Jam-Session gewesen sein sollen. "Nun, ganz so schlimm war es nicht", schmunzelt Robert, "wenn du eine Scheibe aufnimmst, musst du ja Dinge wie Raum und physikalische Präsenz erzeugen. Dieses entsteht nämlich nicht von selbst. Wenn du live spielst, hörst du Musik nur aus einer Perspektive - deiner eigenen nämlich. Aber da musst du dich mit den physikalischen Gegebenheiten auseinandersetzen: Der Bühne, dem Publikum, dem Sound, den anderen Musikern. Wenn du eine Scheibe aufnimmst und die Songs aufnimmst und dabei deine Kopfhörer aufhast, ist das fast schon eine theoretische Angelegenheit. Du musst dich in eine mentale Situation versetzen, die der Live-Situation entspricht. Und dann noch etwas: CDs werden vielleicht hunderte von Malen gehört. Da muss man schon verschiedene Ebenen konstruieren und einbeziehen, damit die Leute auch auf lange Sicht immer wieder neue Dinge entdecken können." Gab es einen bestimmten Grund dafür, dass das Klangbild der Scheibe vergleichsweise weich ist? "Nun, das ist die Art, wie wir die Scheibe abgemischt haben und das ist die Art, wie wir sie in dem Moment gehört haben", führt Robert aus, "wir haben keine bewusste Entscheidung getroffen, die Sache so oder so klingen zu lassen. Ich denke jedoch, dass der Sound gut zu dem passt, was wir bislang gemacht haben. Wichtig war, es aber auch, es ein wenig anders klingen zu lassen, da wir ja nicht immer wieder die gleiche Scheibe machen wollen. Die letzte Scheibe nehme ich da mal aus, da sie ja keine Drums enthielt." Woher kamen denn dieses Mal die Songs? Es scheint, dass es - anders als bei "Regard The End" - kein Konzept gab. "Nun, normalerweise habe ich ja nie ein Konzept. Es war nur so, dass sich beim letzten Mal im Nachhinein ein Thema ergab. Und ich habe mich damals für traditionelle Musik interessiert. Es war eher ein Mittel zum Weg. Auf der neuen Scheibe gab es bloß eine Sammlung von Songs. Es mag hier vielleicht Themen geben - aber ich bin mir da noch nicht so ganz sicher." Nun, es gibt eine Menge Engel und immer wieder das Thema des Fliegens oder Schwebens. "Das ist interessant", überlegt Robert, "Engel hat es ja immer schon in unserer Musik gegeben. Und das Fliegen ist eine kraftvolle Sache. Sowohl in Träumen wie auch ansonsten. Ein immer wiederkehrender Traum, den ich z.B. habe ist ein Flugtraum. Kann schon sein, dass es etwas damit zu tun hat."

Roberts Texte pendeln ja sowieso ständig zwischen Traum und Realität. "Ich würde sagen, sie sind keiner der beiden Kategorien zuzuordnen", spezifiziert er, "als Songwriter versuche ich meine persönlichen Erfahrungen gegen meine allgemeinen, universellen Betrachtungen aufzuwiegen - und mit einer Prise Zuneigung zu versehen. Ich bin niemand, der Geständnisse schreibt, ich bin niemand der mit dem 'Stream Of Consciousness' arbeitet. Mein Ziel ist es, Raum für das Publikum für eigene Wahrnehmungen zu lassen. Zur selben Zeit geht es mir darum, so aufrichtig und ehrlich wie möglich zu sein." Wie weit würde Robert denn gehen, moderne Elemente in seine Songs einfließen zu lassen? Auf "Skeletons" gibt es z.B. eine Art Drum'n'Bass-Rhythmik. "Nun, das hat sich so ergeben", erinnert sich Robert, "wir haben den Song bis dato immer mit der akustischen Gitarre gespielt - aber hat nie so richtig funktioniert. Da habe ich Eric gebeten, einmal zu überlegen, ob er nicht mit dem Bass etwas machen könnte und als er dann diese Basslinie einbrachte, fingt Tom King, unser Drummer gleich auf diese Weise an zu spielen. Da wusste ich sofort, dass das genau das Richtige für diesen Song war. Manchmal wird uns ja fälschlich unterstellt, dass wir über unsere Sachen zu viel nachdenken - aber die Art wie wir Musik machen, ist sehr viel organischer als das. Es geht mehr um die Reaktion auf das was wir hören." Wie ist das denn zu verstehen? "Nun, das was an dieser Band so viel Spaß macht, ist der Umstand, dass die Musiker sehr viel mehr daran interessiert sind zu hören, was der jeweils andere macht, als etwa sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen", erklärt Robert, "so was findest du in anderen Bands nicht so oft. In dieser Band ist aber jeder an der Beziehung der Instrumente und Stimmen untereinander interessiert." Heißt das, dass die Musiker heutzutage mehr in den kreativen Prozess mit einbezogen werden? "Ganz und gar nicht", widerspricht Robert vehement, "das ist eine inkorrekte Wahrnehmung. Als ich noch mit Paul Austin zusammen die Stücke schrieb, haben wir sie genauso mit den anderen zusammen ausgearbeitet. Wir haben diese ziemlich simplen Songs geschrieben - so wie ich es heute auch tue - und lassen die anderen diese dann verzieren. Das war niemals anders." Okay - wovon handelt denn der Song "Skeletons"? "Das ist eine gute Frage", überlegt Robert, "ich glaube, es ist ein Beziehungssong. Aber es gibt auch andere Elemente - wobei ich mir da nicht so ganz sicher bin. Es ist einer dieser komischen Songs, die aus sich selber heraus entstehen. Ich musste gar nicht so wirklich daran arbeiten - was man nicht so richtig erklären kann. Aber ich entdecke immer neue Facetten daran, die mich interessieren. Es gibt Melancholie, Zorn und anderes. Ich weiß tatsächlich gar nicht so genau, wovon er handelt." Nun, man hat bei Skeletten ja eine ganz gewisse Vorstellung - von etwas blassem, nackten. Im Song singt Robert davon, Skelette einzukleiden. "Genau - und das macht doch keinen Sinn, oder? Vielleicht steht das Skelett für eine Beziehung, die ein wenig über die Stränge geschlagen ist. Es gibt aber eine Geschichte, von der dieses Bild stammt. Vor ca. sechs Jahren spielten wir in Madison, Wisconsin. Renny Sparks von der Handsome Family hatte mir von diesem Clown-Museum in einem Vorort von Madison erzählt. Das fand ich cool und wollte mir das anschauen. Das Clown-Museum hatte zwar zugemacht, aber dafür gab's an dieser Stelle dieses Antiquitäten-Geschäft mit einem Glas-Sarg, in dem dieses mit einem Piratenkostüm bekleidete Skelett lag. Eine Tafel darauf sagte, dass dieses Skelett jemand war, der 80 Jahre unter dem Billard-Tisch in einem nahegelegenen Club gelebt hatte. Das fand ich schon bemerkenswert seltsam. Dieses Bild von diesem unsinnig bekleideten Skelett habe ich lange im Kopf behalten und es als Ausgangsidee für diesen Song verwendet."

Willard Grant Conspiracy
Und dann gibt es einen Song über eine Mary. Ist es die Mary, die schon öfters in Roberts Stücken auftauchte? "Nein, nein, nein", lacht er, "Du bist der einzige, der immer auf dieses Thema zurückkommt. Es ist - wie bei der auf 'Regard The End' - auch dieses mal wieder eine andere Mary. Die Schwester eines Freundes aus New York heißt so. Ihr Vorname ist tatsächlich Maria de los Angeles - Mary of the Angels. Ich dachte darüber nach, dass dies doch ein enormer Name für ein Kind ist, oder? Damit muss man doch irgendwann Probleme bekommen. Ich überlegte mir, dass man darüber doch mal einen Song schreiben müsste und benutzte den Namen dann als Ausgangspunkt. Der Song handelt dann aber nicht von dieser realen Person." Genauso wie "Lady Of The Snowline"? "Ja, ich kann dir nicht verraten, wer dahinter steckt, weil die Person es nicht erfahren darf", deutet Robert geheimnisvoll an, "ich kann dir aber sagen, dass Elemente dieses Stückes von einem Traum herrühren. Ich hatte vor sechs Monaten einen sehr lebhaften Traum, in dem ich gestorben war. Ich entdeckte, dass es ein Element nach dem Tode gab, mittels dessen man immer noch ein Gefühl für den physikalischen Körper hat, das aber ständig nachlässt. Der Knackpunkt dabei war, dass man während dieser Zeit noch umherwandeln und Buße tun kann. Für die Lebenden bist du während dieser Zeit ein unsichtbarer Geist. Als ich aufwachte, war dieser Traum unglaublich präsent und ich dachte mir, dass sich das doch alles ziemlich logisch anhörte - jedenfalls nicht unlogischer als irgendwelche religiösen Vorstellungen. Also musste ich auch darüber einen Song schreiben." Es gibt aber auch Stücke mit einem konkreten Hintergrund: "From A Distant Shore" basiert z.B. auf einem Brief, den ein Soldat im Unabhängigkeitskrieg nach Hause schrieb - zwei Tage bevor er in der Schlacht fiel. "Ja, der Soldat beschreibt in diesem Brief, was er auf dem Schlachtfeld durchlebte und verteidigt die Demokratie", erläutert Robert, "mein Grund diesen Song zu schreiben war der, dass ich im Wall Street Journal las, dass es keine guten Protest-Songs mehr gäbe. Und das stimmt ja auch. Außer Steve Earle schreibt ja kaum noch jemand solche Stücke. Und er macht das ja, indem er über die Politik per se schreibt, sondern über die menschlichen Aspekte. Also setzte ich mich hin, um einen Anti-Kriegs-Song zu schreiben und wollte diesen so menschlich wie möglich machen. Und dieser Brief, den ich bereits vor Jahren geschrieben hatte, war dann die Basis dafür. Ach ja: Dieses Stück ist auch das erste, für das wir jemals ein Musikvideo gemacht haben. Wir haben es gerade mit Bob Duffelmeier, einem sehr talentierten Filmemacher aus San Francisco fertiggestellt." Nachdem, was Robert uns hier also berichtet, scheint es so, als dass er als Songwriter zwischen den Welten wandelt und dabei gleichermaßen von Träumen wie der Realität zehrt. Vielleicht ist das ja das eigentliche Thema von "Let It Roll"?
Weitere Infos:
wgc.hinah.com
www.indigo.de/unser_programm/2994/
de.wikipedia.org/wiki/Willard_Grant_Conspiracy
www.myspace.com/willardgrantconspiracy
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Willard Grant Conspiracy
Aktueller Tonträger:
Let It Roll
(Glitterhouse/Indigo)
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