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JULIAN DAWSON
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Der "Frauenheld"
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Das neue Werk des englischen Songwriters Julian Dawson fällt nun doch ein wenig aus dem Rahmen. Nicht nur, dass er hier gar keine Songs schrieb, es ist zudem auch sein erstes richtiges Solo-Akustik-Album und auch seine erste CD ganz mit Cover-Versionen geworden. Julian selbst geht sogar soweit, das Ganze als "Schnapsidee" zu bezeichnen, denn dieses eher spontane Album klingt im Vergleich zu seinen anderen Scheiben doch ziemlich anders. "Also diese Scheibe habe ich neben der Reihe gemacht", bestätigt Julian, "ich habe noch nie eine CD mit Cover-Versionen und noch nie eine Solo-CD gemacht. Insofern kann man das als Schnapsidee beschreiben. Die Idee für dieses Projekt kam mir, als ich zwei Cover-Versionen von Doris Day und Aretha Franklin für mein 'Move Over Darling'-Album aufnahm."
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Und was ist für einen Mann so interessant daran, Cover-Versionen mit Stücken von Frauen zu machen? "Wenn man meine Songs kennt, dann erkennt man doch, dass viele davon sich mit dem Thema 'Krieg der Geschlechter' beschäftigen", gesteht Julian, "ich habe nun die Stücke auf der neuen Scheibe danach ausgesucht, ob die inhaltlich etwas zum Thema Kontrast Mann / Frau zu sagen hatten." War auch die Aufgabenstellung von Interesse, sich als Interpret in das andere Geschlecht hineinversetzen zu müssen? "Ich habe keine Songs aus der Perspektive einer Frau gesungen", schränkt Julian ein, "bei zwei Songs habe ich z.B. auch einem 'ich' ein 'sie' gemacht. Ich hätte es doch zu verwirrend geführt, wenn ich als singende Frau aufgetreten wäre. Aber das Thema war mir wichtig, die Beziehung zwischen Männern und Frauen zu beleuchten. Ich denke, dass besonders bekannte Songs automatisch eine andere Perspektive bekommen, wenn sie vom jeweils anderen Geschlecht gesungen werden. Das ist auch der Grund, warum ich sie so einfach gelassen habe." Wie bereits erwähnt: Es handelt sich hier um Solo-Versionen mit sehr wenig Overdubs und im einem Fall sogar um eine A-Cappella-Nummer. Hierdurch wird die Sichtweise des Hörers ganz automatisch auf die Inhalte gelenkt und so erfährt man dann diese Stücke ganz neu. Und lernt z.B., dass Dolly Parton durchaus etwas zu sagen hat. "Ich bin ein großer Musik-Fan", erklärt Julian, "ich bin z.B. Vinyl-Sammler und kenne mich in sehr vielen verschiedenen Ecken gut aus. Dolly Parton z.B. hat unheimlich viele ernsthafte Songs. Man muss halt nur nach diesen Perlen suchen. Was nun noch mal die Arrangements betrifft, so sind die so entstanden, dass ich die ersten Aufnahmen bei mir zu Hause gemacht habe. Zuerst wollte ich eigentlich viel mehr machen - Streichquartette, Bass, Akkordeon, alles mögliche. Ich lebte dann aber quasi über Weihnachten mit diesen Aufnahmen und es wurde mir zunehmend klar, dass es so eigentlich gut ist. Die Songs erzählen das, was ich sagen wollte. Wenn ich mehr gemacht hätte, wären die Aufnahmen normaler geworden - und das wollte ich dann nicht."
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Was ist denn der Grund dafür, dass es eigentlich nur ein Beispiel aus der Neuzeit - Destiny's Childs "Independent Woman" - auf der neuen Scheibe gibt? "Man könnte ja mal überlegen, eine zweite Folge von dieser Scheibe, dann aber mit Stücken zeitgenössischer Künstlerinnen wie Lucinda Williams oder so etwas zu machen", schlägt Julian vor, "ich bin aber nun mal in einer Zeit aufgewachsen, in der es viele großartige Songs zu hören gab. Das hat mich bei der Auswahl der Stücke beeinflusst." Es scheint, als komme Julian also wieder auf die Erkenntnis älterer Musikanten zurück, die feststellen, dass musikalisch alles schon einmal da gewesen ist? "So ungefähr", pflichtet er bei, "ich habe längst festgestellt - auch dadurch, dass ich ein Sammler bin -, dass ich mich an klassischen Sachen am meisten erfreue. Man kann objektiv feststellen, dass die Arbeit von älteren Künstlern - wie z.B. den Beatles oder Bob Dylan - in Bezug auf Entwicklung und Reife einfach nicht zu übertreffen sind. Ich bin niemand der sagt, dass heute alles schlecht ist, aber man kann feststellen, dass sehr viele Künstler, die heute aktiv sind, extrem nach hinten schielen. Ich denke, man muss alt genug sein, um geklaute Sachen erkennen zu können. Da bitte ich um Verständnis, wenn man sich davon nicht mehr so beeindrucken lässt. Der größte Unterschied ist, dass die Musik der 50er und 60er Jahre in einer Art Unschuld entstanden ist, ohne den Anspruch auf Erfolg oder eine Karriere." Auch das erklärt Julians Hinwendung zu immer einfacheren Strukturen. Dazu gehört auch, dass sein Gesang immer weicher zu werden scheint. "Ich denke, dass meine Entwicklung von Platte zu Platte zu erkennen ist", überlegt er, "ich habe meine Stimme erst langsam entdeckt. Zu Punk-Zeiten habe ich meine Stimme regelrecht kaputt gemacht. Seither hatte ich ein Aha-Erlebnis diesbezüglich, dass weniger eben mehr ist. In letzter Zeit habe ich zum Beispiel realisiert, dass, obwohl ich sehr hoch singen kann, ich dazu tendiere, tiefer zu singen. Von mir aus könnte ich eigentlich nur Balladen singen. Das wäre vielleicht zu langweilig, aber ich denke schon, dass das meine Stärke ist. Ich nehme mich nur zurück. Ich habe eigentlich mehr drauf, als man merkt - auch auf der Gitarre. Ich mache das ganz bewusst, um mich auf das Wesentliche konzentrieren zu können." Wie zum Beispiel die Folk-Legende Martin Carthy, Julians Idol, der auch auf der neuen Scheibe mitspielt. "Also Martin ist der einzig richtig bekannte Namen, der auf der Scheibe mit macht", erklärt Julian, "ich kenne Martin flüchtig sehr lange. Als ich auf der Grundschule war, war er einer meiner Helden, den ich auch heute noch schätze. Es ist eine große Ehre, mit ihm spielen zu können und es würde mich sehr begeistern, wenn ich noch einmal etwas mit ihm zusammen zu machen." Hat Julian denn selber mal Songs für Frauen geschrieben? "Nun, wenn man meine Sachen anhört, dann kann man schon erkennen, dass sehr viele Songs von Problemen mit Frauen handeln", gesteht er, "bewusst für eine Frau habe ich noch nicht. Aber einige meiner Stücke sind schon mal von Frauen interpretiert worden."
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Was dürfen wir auf der anstehenden (und von Gaesteliste.de präsentierten) Tour erwarten? "Ich spiele wieder mit Richard Kennedy zu zweit, wie letztlich auch", führt Julian aus, "wir werden diese neue Scheibe auf jeden Fall zitieren, aber da wir lange genug spielen, werden auch meine eigenen Songs vorwiegend dabei sein. Ich gehe jetzt bewusst alle zwei Jahre auf Tour und kann dann immer sagen, dass immer auch neue Stücke gespielt werden und ich suche aus meiner eigenen Vergangenheit auch immer Sachen aus, die noch nie oder extrem lange nicht mehr live zu hören waren, so dass man immer etwas Neues geboten bekommt." Julian erzählte zuletzt von der Idee, einmal etwas mit befreundeten Streichern zusammen zu machen. Gibt es diesen Plan noch? "Nun, ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, eine Art Kapitel Zwei zu dieser Scheibe zu machen, auf der ich diese - oder andere Songs - dann mit 'richtigen' Arrangements versehe. Da kann ich mir dann auch Streicher vorstellen." Gibt es denn auch mal wieder eine Julian Dawson-Scheibe mit eigenen Songs? "Sicherlich", bestätigt er, "aber nur mit Songs, die ich zu 150% selber interessant finde."
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Weitere Infos:
www.juliandawson.com
www.juliandawson.de
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Interview: -Ullrich Maurer- Fotos: -Pressefreigaben-
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Aktueller Tonträger: Nothing Like A Dame (Headline/Croma/Blue Rose Records)
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